# taz.de -- 1,2 Millionen Pkws in Berlin zugelassen: „Es geht um ein Signal“ | |
> Die Initiative ParkplatzTransform will zum ersten Mal in Aktion treten | |
> und Parkplätze zählen. Denn niemand weiß, wie viele es davon in der Stadt | |
> gibt. | |
Bild: So viel Platz nimmt ein Auto ein: die Initiative ParkplatzTransform auf d… | |
taz: Frau Pavlovic, am Sonntag wollen Sie und ein Dutzend MitstreiterInnen | |
durch die Ostseestraße in Prenzlauer Berg ziehen und Parkplätze zählen. Was | |
hat es damit auf sich? | |
Natalie Pavlovic: Das ist der erste öffentliche Auftritt der Initiative | |
ParkplatzTransform, die es seit dem Frühjahr dieses Jahres gibt. Die drei | |
GründerInnen kannten sich aus dem Bereich der quantitativen Sozial- und | |
Wirtschaftsforschung und hatten mitbekommen, dass es in Berlin gar keine | |
offiziellen Zahlen zur Gesamtfläche von Parkplätzen gibt. Sie haben sich | |
dann gesagt: Wir bringen unsere Fähigkeiten ein und stellen der | |
Landespolitik diese Zahlen zur Verfügung. | |
Die Berliner Verwaltungen wissen nicht, wie viele Parkplätze es gibt? | |
Zahlen gibt es bei den Bezirken ausschließlich für die bewirtschafteten | |
Flächen, also dort, wo das Parken kostenpflichtig ist. In diesen Bereichen | |
sind Erhebungen gemacht worden. Aber obwohl der aktuelle Luftreinhalteplan | |
eine Parkraumbewirtschaftung von 75 Prozent der Fläche im S-Bahn-Ring als | |
Ziel angibt, geschieht das bislang nur auf 40 Prozent. Und außerhalb des | |
Rings gibt es so gut wie gar keine Bewirtschaftung, aber da hört Berlin ja | |
bekanntlich nicht auf. | |
[1][Worum geht es Ihnen beim Zählen?] Wollen Sie damit ein Statement | |
abgeben oder liefern Sie die fehlenden Daten quasi als Service für die | |
Verwaltung? | |
Natürlich geht es auch um ein Signal: Wenn wir zum Beispiel herausfinden, | |
dass die Quadratmeterzahl aller Berliner Straßenparkplätze der vier- oder | |
fünffachen Fläche des Tempelhofer Feldes entspricht – was eine Spekulation | |
ist –, dann lassen sich damit Debatten anstoßen. Zum Beispiel könnten wir | |
darüber diskutieren, ob wir das Tempelhofer Feld wirklich irgendwann | |
bebauen müssen oder wir in der Stadt nicht noch ganz andere Flächenreserven | |
haben. Manche Flächen müssen wir eben erst wieder lernen zu sehen. | |
Aber die Zahlen hätten schon einen praktischen Nutzen. | |
Ja, weil es damit erstmals eine Grundlage für die Umnutzung von Straßenraum | |
gäbe, wie sie im Rahmen der Verkehrswende nötig sein wird. Aus unserer | |
Sicht gibt es da zwei Dimensionen: eine wirklich alternative Raumnutzung, | |
aber auch eine sinnvollere verkehrliche Nutzung. Alternativ zu Parkplätzen | |
könnten etwa an vielen Stellen Grünanlagen oder Spielstraßen entstehen. | |
Auch über städtische Nachverdichtung lässt sich dann anders nachdenken. | |
Und wie könnte man die Flächen besser für Verkehrszwecke nutzen? | |
Wir brauchen etwa Flächen für den Wirtschaftsverkehr, auf denen der | |
Paketbote halten kann, ohne den Fahrradstreifen zu blockieren. Mehr Raum | |
für Busspuren, aber auch Stellflächen für Carsharing. Momentan wachsen hier | |
die Angebote immer weiter, gleichzeitig wird es auf den Straßen immer | |
enger, das kann ja nicht das Ziel sein. Hier könnte die Politik sagen: Wir | |
reservieren in jeder Straße zwei oder drei Parkplätze für Carsharing, | |
verpflichten aber die Anbieter gleichzeitig dazu, auch Randbezirke | |
außerhalb des S-Bahn-Rings zu bedienen. | |
Wie sieht das Zählen ganz praktisch aus? | |
Am Sonntag in der Ostseestraße wird es so sein, dass die rund 15 Leute, die | |
jetzt schon bei uns mitmachen, alle da sind, wir freuen uns aber sehr über | |
alle, die mithelfen. Es wird eine Einweisung geben, anschließend ziehen | |
kleine Gruppen los, mit einem Klemmbrett, einem Stadtplanausschnitt, auf | |
dem die jeweilige Route eingezeichnet ist, und einem Typenkatalog für die | |
unterschiedlichen Parkplatzflächen. Beim Parallelparken am Straßenrand | |
rechnet die Verkehrsverwaltung nach eigenen Angaben mit einer | |
durchschnittlichen Länge von 5,70 Metern, aber es gibt ja auch Parkplätze, | |
die diagonal oder im 90-Grad-Winkel angelegt sind oder die sich teilweise | |
oder ganz auf dem Gehweg befinden. Das wird alles vermerkt. Dort, wo es | |
keine Markierungen gibt, messen wir mit einem Flatterband. Das ist im | |
Moment alles noch sehr analog, aber wir testen jetzt erst einmal den | |
Leitfaden und schauen, wie wir Menschen zum Mitmachen bewegen können. | |
Später soll das digital geschehen. | |
Richtig, der Plan ist, eine App entwickeln zu lassen. Wir haben dafür einen | |
Förderantrag bei der Open Knowledge Foundation Deutschland gestellt, es | |
dauert aber noch ein paar Monate, bis wir einen Bescheid bekommen. | |
Mit einer App geht dann alles viel schneller. | |
Das ist der Plan (lacht). Das Charmante ist, dass sich dann überall Leute | |
unkompliziert beteiligen können, ob sie jetzt am Kaiserdamm zählen wollen | |
oder in Reinickendorf oder wo auch immer. Das Ganze soll sehr partizipativ | |
werden. | |
Wie ist denn Ihr ganz persönliches Verhältnis zu Autos? | |
Ich habe früher auf dem Land gelebt, und als ich 18 war, war klar, da muss | |
der Führerschein im Briefkasten sein. Das war einfach so. Und dass in den | |
Städten überall Autos stehen – da kann ich mich nicht erinnern, dass das | |
jemals anders war. Diese Bilder sind ganz stark in unsere Wahrnehmung | |
eingebrannt. Aber in Berlin sieht man ja ganz gut, was passiert, wenn | |
jahrzehntelang verkehrspolitisch nicht umgesteuert wird. Es bewegt sich | |
fast nichts mehr, die Flächen sind sehr ungerecht aufgeteilt, da gibt es | |
ein massives Ungleichgewicht. In Berlin sind aktuell 1,2 Millionen Pkws | |
zugelassen, das ist der historische Höchststand. Der Mobilitätsforscher | |
Andreas Knie geht davon aus, dass alle Mobilitätsbedürfnisse der | |
BerlinerInnen mit einem Viertel davon befriedigt werden können. Das ist der | |
Punkt: Es geht um Mobilität, nicht um den Besitz eines eigenen Autos. | |
14 Dec 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.xtransform.org/ | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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