# taz.de -- Wahlkampf in Großbritannien: Beide mögen den „Boris“ | |
> Die Wahl in Großbritannien rückt näher. Im Flutgebiet von South Yorkshire | |
> schwanken Labour-Wähler zwischen den Tories und der Brexit Party. | |
Bild: Boris Johnson bei seinem Besuch in Stainforth/Yorkshire | |
DONCASTER NORTH taz | Schlamm liegt auf den kleinen Landstraßen. Nach | |
Fishlake in South Yorkshire geht es nur über Umwege. | |
Vor zwei Wochen stand den Menschen hier das Wasser bis zur Hüfte. Nach | |
starken Regenfällen überflutete die Don, ein kleiner Fluss, das Dorf mit | |
700 Einwohnern. Drei Tage später kam sogar [1][der britische | |
Premierminister Boris Johnson], um den Schaden zu begutachten und die Armee | |
in einen Hilfseinsatz zu schicken. | |
Wieso dauerte das drei Tage, fragten viele. Dennoch scheint Johnsons | |
Anwesenheit so manchen hier besänftigt zu haben. „Johnson versprach uns, | |
dass alle Geschädigten 500 Pfund von der Regierung erhalten, etwas wird | |
wohl auch von der Versicherung kommen“, sagt Helen Copley, deren | |
Friseursalon zeitweise unter Wasser stand. | |
Im Keller ihrer Kollegin Georgina Holling steht es immer noch. Heute Abend | |
haben sie sich ein kleines Gläschen eingeschenkt und machen sich | |
gegenseitig für den Abend hübsch, trotz der Flut, wegen der immer noch | |
Straßen im Dorf gesperrt sind. | |
## „Unglaublich, dass sich Johnson traute, dort aufzutreten“ | |
Beide mögen „Boris“, beide plädieren für den Brexit. „Johnson ist lust… | |
Ich musste lachen, als er Schwule als Arschjungs mit Tanktops bezeichnete“, | |
behauptet Copley. Dass er Frauen mit der Nikab-Vollverschleierung mit | |
Briefkästen verglich, findet Holling ulkig. | |
„Er sagt es, wie es ist, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen“, meint die | |
25-Jährige. Johnson sei außerdem gut für das Land, weil er in London | |
Großartiges erreicht habe. Von dem Dorf in Yorkshire aus mag das so | |
aussehen. | |
Beim 73-jährigen John Waite kam die Flut nicht an. Johnson hat er bei | |
seinen Besuch dennoch getroffen, verkündet der pensionierte Ingenieur | |
stolz. Er ist lebenslanger Konservativer und selbstverständlich steht er | |
zum Brexit. „Sie wissen aber, dass es drüben in Stainforth anders ist, ja? | |
Es ist unglaublich, dass sich Johnson traute, dort aufzutreten.“ | |
Stainforth ist eine Kleinstadt mit etwa 6.500 Einwohnern auf der anderen | |
Seite des Flusses, etwa drei Kilometer entfernt. Wieso ist es anders? Nicht | |
nur, weil Stainforth trocken blieb und so eine Notstelle für die Flutopfer | |
von Fishlake einrichten konnte. Es ist auch eine alte Kohlebergbausiedlung. | |
„Die Leute hier haben den Konservativen nie die Schließung der Bergwerke in | |
den Thatcher-Jahren vergeben“, erzählt der 37-jährige John Hemmant, DJ bei | |
Nacht und Elektriker am Tag. | |
## Eine uneindeutige Haltung | |
Stainforth blieb [2][jahrzehntelang Labour treu]. Hemmants Mutter war sogar | |
30 Jahre Mitglied und diente in der Kommunalverwaltung. Nach dem | |
Brexit-Referendum trat sie aus Protest über die uneindeutige Haltung | |
Labours zum Ergebnis aus. „So ist es mit vielen hier“, berichtet Hemmant | |
und streichelt dabei seinen kleinen Hund. | |
Er selber hat nichts gegen die Politik Labours, die die Austerität beenden | |
möchte, aber erst mal geht es einfach um den Brexit. Und warum? „Um die | |
Einwanderung nach Großbritannien zu regeln“, antwortet Hemmant. Er habe | |
viele Freunde aus Polen, die seien voll okay, in den Nachtklubs erlebe er | |
aber immer wieder, wie Rumänen Sachen klauten. | |
Wählt John Hemmant jetzt also konservativ? Nein. „Das bringe ich nicht | |
fertig, genauso wenig wie andere hier im Dorf. Wir werden nie Tories | |
wählen.“ Vielleicht aber die Brexit Party. | |
Ihren Kandidaten Andy Stewart hat er sich auf Facebook angeschaut. Dort | |
betont Stewart seinen schwarzen Großvater. Hemmant glaubt, dass Stewart den | |
aktuellen Labour-Abgeordneten schlagen könnte – den ehemaligen Parteichef | |
Ed Miliband. Der hält diesen Wahlkreis, Doncaster North, derzeit mit 60 | |
Prozent. | |
27 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Wahlprogramm-der-Konservativen-in-UK/!5640374 | |
[2] /Wahlkampf-in-Grossbritannien/!5640661 | |
## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Brexit | |
Labour | |
South Yorkshire | |
Boris Johnson | |
Parlamentswahl | |
Schwerpunkt Brexit | |
Wahlen Großbritannien | |
London | |
Großbritannien | |
Labour Party | |
Großbritannien | |
Großbritannien | |
Schwerpunkt Brexit | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wahlkampf in Großbritannien: Hoffnungen in Hastings | |
Die Tories gewannen den Wahlkreis Hastings und Rye – doch deren Abgeordnete | |
trat aus der Partei aus. Jetzt hofft Labour, übernehmen zu können. | |
Wahlkampf in Großbritannien: Zwischen Brexit und Klimaschutz | |
Im Wahlkreis Bristol West kämpfen Labour und Grüne um die Vormacht. Weder | |
Konservative noch Brexit-Partei spielen eine Rolle. | |
Nach dem Terrorangriff in London: Steilvorlage für Johnson | |
Der Terrorist von der London Bridge nahm an einem Resozialisierungsprogramm | |
teil. Jetzt ist der liberale Strafvollzug unter Beschuss geraten. | |
Wahlkampf in Großbritannien: Erdbeben verhindern | |
Im Wahlkreis des ältesten Labour-Abgeordneten ist Kohlebergbau passé. Statt | |
Kohle droht Fracking, statt Labour die Tories. | |
Wahlkampf in Großbritannien: Labour sucht Basis | |
Im Nordosten Englands wählt man Labour. Aber diese Wahl ist anders. Eine | |
Spurensuche bei einer Partei, die sich ihrer selbst nicht mehr sicher ist. | |
Wahlkampf in Großbritannien: Corbyn? Oder lieber Brexit? | |
In Northfield am Rand von Birmingham stand einst das große Autowerk | |
Longbridge. Dort steht das Wahlvolk im Dezember vor klaren Alternativen. | |
Wahlkampf in Großbritannien: Tories auf Arbeiterstimmenfang | |
Dudley North ist ein Labour-Wahlkreis, den Boris Johnson gewinnen muss. Den | |
früheren Labour-Abgeordneten hat er schon überzeugt. Wie kann das sein? | |
Wahlkampf in Großbritannien: Brexit Party verpufft | |
Um Boris Johnson zu helfen, zieht Nigel Farage seine Partei aus allen | |
Wahlkreisen der Konservativen zurück. Er will nur noch Labour schlagen. |