| # taz.de -- Tag des Krematoriums: Zu Asche, zu Staub | |
| > Feuerbestattung ist der Trend, die Bestattungskultur im Wandel. Weiter | |
| > aber gilt der Friedhofszwang. Auch Thema am Sonntag beim Tag des | |
| > Krematoriums. | |
| Bild: Ein letztes Feuer, sozusagen | |
| Man könnte sagen, die Feuerbestattung ist ein aufstrebendes | |
| Geschäftsmodell. Lange Zeit erklärte das Christentum mit seiner Idee von | |
| der Auferstehung des Fleisches die Feuerbestattung für heidnisch. Doch im | |
| Zeitalter der Aufklärung erwachte ein reges Interesse an der | |
| Feuerbestattung. Die Städte wuchsen immer schneller, die hygienischen | |
| Probleme ebenso. Plötzlich erinnerte man sich in bildungsbürgerlichen | |
| Kreisen an die Leichenverbrennung im Römischen Reich, die dort als Privileg | |
| galt. Es entstand sogar eine ganze Feuerbestattungsbewegung, die sich in | |
| Vereinen organisierte und eigene Zeitschriften herausgab. | |
| Für den Kulturhistoriker Norbert Fischer, der ein Buch zur Geschichte der | |
| Kremation verfasst hat, ist das Krematorium ein typisches Kind der | |
| Industrialisierung, die auch den Tod in funktionale Arbeitsabläufe | |
| zerlegte. „Das Ganzheitliche am Tod entfiel“, sagt Fischer. „Es ging um | |
| Effizienz, nicht mehr ums Ritual.“ | |
| Dennoch wurden im ersten Krematorium Deutschlands in Gotha im Jahr 1883, | |
| also fünf Jahre nach Inbetriebnahme, nur 46 Leichen verbrannt. Noch in den | |
| dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als die Feuerbestattung | |
| längst eingeführt und von Teilen der Kirche geduldet war, wurden weniger | |
| als 10 Prozent der Toten verbrannt. Nach dem Krieg wurden es jährlich mehr, | |
| inzwischen finden mehr als 60 Prozent der Bestattungen im Krematorium | |
| statt, am meisten in den neuen Bundesländern, am wenigsten in ländlichen | |
| und katholisch geprägten Landstrichen. In Berlin sind es mehr als 80 | |
| Prozent. | |
| Die Bestatter erklären sich den Trend zur Feuerbestattung damit, dass sie | |
| zum einen die preiswertere Variante ist, Erdgräber kosten durchaus das | |
| Vierfache. Zum anderen können sich immer weniger Menschen vorstellen, | |
| inklusive Grabstein und Stiefmütterchen auf einem klassischen Friedhof in | |
| kalte Erde gelegt zu werden, während Angehörige und Freunde vielleicht | |
| schon kurz später weitergezogen sind. | |
| ## Vorreiter in Sachen Feuerbestattung | |
| „Der Wandel der Bestattungskultur ist im vollen Gange“, sagt der Berliner | |
| Stephan Hadraschek vom Verein Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal. Er | |
| betont aber auch, dass viele Menschen mit der Feuerbestattung zu viel | |
| Flexibilität verbinden. Deutschland war zwar schon immer ein Vorreiter in | |
| Sachen Feuerbestattung, in Sachen „Friedhofszwang“ – also der Pflicht, die | |
| sterblichen Überreste seiner Lieben zu bestatten – hinkt es aber vielen | |
| europäischen Nachbarn hinterher. | |
| Wer sich in Berlin für eine Feuerbestattung entscheidet, der hat zwar in | |
| puncto Trauerfeier viele Wahlmöglichkeiten. Viele Krematorien bundesweit | |
| bieten Sargfeiern im Krematorium an, bei denen man sich vor der | |
| Einäscherung vom Verstorbenen verabschieden kann – oder auch Urnenfeiern, | |
| wo man sich mit den Trauernden nach der Einäscherung trifft. So ist das | |
| auch bei den beiden landeseigenen Krematorien Berlins, die im Übrigen so | |
| große Kapazitäten haben, dass es hier noch kein privates Krematorium gibt. | |
| Man kann je nach Bestattungsunternehmen die Asche in einem Friedwald | |
| bestatten, auf der anonymen Wiese, man kann tanzen, Ballons steigen lassen, | |
| die Trauerrede vom Lieblingswirt halten lassen. Nur wer die Asche nicht | |
| bestatten, sondern einfach behalten will, der betritt laut deutschem | |
| Bestattungsgesetz dünnes Eis. | |
| ## Mutige Bestatter muss man finden | |
| „Die Bestatter würden sich strafbar machen, wenn sie den Angehörigen die | |
| Asche überließen“, erklärt Gerold Eppler, stellvertretender Leiter des | |
| einzigen Museums für Sepulkralkultur in diesem Land, nämlich in Kassel. | |
| „Trotzdem gibt es Bestatter, die dies tun, denn die Behörden sind | |
| tolerant.“ Und wer keinen mutigen Bestatter findet? Der kann immer noch im | |
| letzten Moment nach Bremen umziehen. Dort allein ist es gestattet, die | |
| Asche zwar nicht zu behalten, aber, wenn auch nur unter Auflagen, im | |
| eigenen Garten zu verstreuen. Oder man verschickt die Asche in die Schweiz. | |
| Dann behauptet man, sie sei dort bestattet worden, und nimmt sie wieder | |
| mit. Erst dann kann man all die schrulligen Dinge mit der Asche tun, von | |
| denen man überall liest: sie zu Diamanten verarbeiten, in den Weltraum | |
| schießen oder auf hoher See verstreuen. | |
| Ach, und übrigens: Man mag den Friedhofszwang, der so aufwendig zu umgehen | |
| ist, im ersten Moment als Zumutung empfinden. Aber es gibt auch | |
| Psychologen, die davon abraten, sich die Asche von Angehörigen auf den | |
| Kaminsims oder den Schreibtisch zu stellen, denn schließlich ist ein Ziel | |
| der Trauer, die Bindung zum Toten zu lösen. „Wissen Sie“, sagt Gerold | |
| Eppler aus Kassel, „ich finde, das Konzept, das wir haben, ist gar kein so | |
| schlechtes. Wir geben den Toten an einen Ort, wo wir nicht in der stillen | |
| Kammer, sondern gemeinsam mit anderen trauern, einen Ort, den wir besuchen, | |
| aber auch wieder verlassen können.“ | |
| Das kann sogar ein Stück Wiese leisten, selbst ohne Grabstein. Ein | |
| heimischer Kaminsims kann das eher nicht. | |
| 23 Nov 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Messmer | |
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