# taz.de -- taz-Sommerserie „Maritimes Berlin“ (8 und Schluss): Noch einmal… | |
> Wenn die allerletzte Reise an die See gehen soll, muss nicht immer eine | |
> Sehnsucht dahinterstecken. Ein Besuch beim Seebestatter. | |
Bild: Letzte Ruhestätte Ostsee: Seebestatter Robert Hahn | |
So mancher wird sich vielleicht an die Schlussszene des Films „The Big | |
Lebowski“ erinnern, einen sehr witzigen Film der Coen-Brüder aus dem Jahr | |
1998. Es geht darin um eine Handvoll ziemlich verlotterter Bowling-Kumpel, | |
die aus Versehen ins kriminelle Milieu geraten. Am Ende erleidet einer von | |
ihnen einen Herzinfarkt und stirbt. Die anderen müssen sich um seine | |
Bestattung kümmern. Schließlich stehen sie auf einer Klippe und öffnen eine | |
rote Kaffeebüchse mit seiner Asche. Mit dem Gegenwind allerdings haben sie | |
nicht gerechnet. | |
Der Berliner Bestatter Robert Hahn, ein großer Mann mit sonorer Stimme, | |
schwarzer Weste überm weißen Hemd und silbernen Manschettenknöpfen, muss | |
ein wenig schmunzeln, als er an die Filmszene aus „The Big Lebowski“ | |
erinnert wird. Hahn bestattet Berliner, einige davon auch auf dem Meer. | |
Als Unternehmer, der in der sechsten Generation Berlins ältestes | |
Bestattungsinstitut im Familienbesitz leitet, der 40 Angestellte in 10 | |
Filialen hat – weiß er natürlich besser, wie Seebestattungen wirklich vor | |
sich gehen. | |
Zunächst einmal das: Die Asche der Verstorbenen wird nicht etwa wie in „The | |
Big Lebowski“ lose ins Meer gestreut. Sie kommt in eine schwere Urne aus | |
salzkristallinen Stoffen, die sich binnen 24 Stunden im Wasser auflöst. Die | |
Urne hat zusätzlich ein mit Pappe verdecktes Loch im Boden. Mit zwei | |
Stricken wird sie ins Wasser gelassen. Die lässt man los, wenn die Urne im | |
Wasser ist. So löst sich sofort der Deckel der Urne und schwimmt weg. Die | |
Asche kann schnell austreten. | |
## Letzte Ruhe in der Ostsee | |
Aber auch dies muss man wissen: Es ist verboten, Asche in einem stehenden | |
Gewässer, also in einem der Berliner Seen zu bestatten. Nur in offenen | |
Gewässern darf bestattet werden, wo weder gefischt noch Wassersport | |
getrieben wird. Daher bestattet der 36-Jährige die meisten seiner Kunden, | |
die eine Seebestattung wünschen – drei bis vier Prozent sind es –, in der | |
Ostsee. | |
Will also ein Kunde die Seebestattung, so Robert Hahn, ruft der Berliner | |
Bestatter die deutsche Seebestattungsgenossenschaft an. Diese findet dann | |
am gewünschten Ort die richtige Reederei – es gibt an den deutschen Küsten | |
viele, die diese Dienstleistung anbieten. Dann kann die Asche in einer | |
Blechurne verschickt werden, um an der Küste in eine Seeurne umgefüllt zu | |
werden und anschließend anonym ins Meer gesenkt zu werden. Oder man wählt | |
die Begleitung des Berliner Bestatters, der auch selbst Seeurnen anbietet, | |
lädt Trauergäste auf das Schiff, einen Kapitän, einen Pfarrer oder einen | |
anderen Redner, kauft Blumen und Musik. | |
Während bis ins 20. Jahrhundert hinein nur Notbestattungen auf der See | |
üblich waren, darf in Deutschland seit 1934 auf der See bestattet werden. | |
Noch bis vor 20 Jahren musste man verfügen, dass man die Seebestattung | |
wünscht, heute reicht eine Aussage eines Angehörigen, dass der Verstorbene | |
auf besondere Weise mit der See verbunden war. | |
Was sind das für Menschen, die in Berlin eine Seebestattungen wünschen? | |
Robert Hahn muss da nicht lang überlegen. Zum einen, sagt er, sind es oft | |
Menschen, die an der Küste oder auf dem Meer gelebt oder gearbeitet haben. | |
Robert Hahn berichtet von Seemännern und Arbeitern bei den großen Werften | |
in Rostock oder Wismar, die es aus familiären Gründen nach Berlin | |
verschlagen hatte und die nun ihre letzte Reise zurück antreten wollen, | |
zurück ins geliebte Meer. | |
Einmal hatte Robert Hahn eine Frau, die die Asche ihres Manns in der | |
Karibik bestatten wollte, weil sie dort vor 40 Jahren geheiratet hatten. | |
Ein andermal hatte er eine Familie mit Boot auf Mallorca, die damit die | |
Bestattung selbst durchführen wollte. Für Kunden wie diese, sagt Hahn, | |
führt er die Urnen sogar hin und wieder in die Schweiz aus, denn dort wird | |
die Bestattungspflicht weniger streng ausgelegt als hierzulande. | |
Es gibt aber auch noch eine andere Gruppe von Menschen, die eine | |
Seebestattung bevorzugen. Anders als die herkömmliche Bestattung auf einem | |
Friedhof muss man bei der keine Grabstätte kaufen. Die kostet, selbst wenn | |
sie anonym, also ohne Grabstein, ist, 1.000 Euro für 20 Jahre. Eine | |
Seebestattung kann also unterm Strich und trotz des anfänglichen Aufwands | |
von Berlin aus kostengünstiger sein. | |
Daher gibt es viele Angehörige, so Robert Hahn, die eine anonyme | |
Seebestattung wünschen, weil sie wenig Bezug zum Verstorbenen hatten. „Das | |
kommt in einer Großstadt öfter vor als man denkt“, sagt Hahn und | |
verschränkt die Hände. | |
Die Seebestattung kann eine Form der anonymen Bestattung sein. Obwohl es | |
keine Erhebungen darüber gibt, wer sich in Deutschland wie bestatten lässt, | |
vermuten Experten, dass die Seebestattung auch deshalb beliebter werden | |
könnte. Es würde zumindest zum „Wandel der Sepulkralkultur“ [Trauer- und | |
Begräbniskultur, Anm. d. Red.] passen, wie Stephan Neuser, Generalsekretär | |
des Bundesverbandes Deutscher Bestatter, es formuliert. „Immer weniger | |
Menschen leben heute an Orten, die sie als ihre Heimat bezeichnen würden | |
oder auch nur als den Ort, an dem sie bestattet werden wollen“, sagt er. | |
„Sie können sich auch nicht mehr unbedingt um Grabstätten kümmern.“ Aber | |
ist das ein Verlust? | |
„Eigentlich steckt ein hehrer Gedanke in der Seebestattung“, sagt Robert | |
Hahn auf diese Frage. „Man möchte sich in alle Winde zerstreuen.“ Man | |
möchte sagen, dass man von nun an auf der ganzen Welt zu Hause ist. | |
4 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
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