# taz.de -- Belastung durch Blockheizkraftwerke: Lärm in den Knochen | |
> Das Bremer Wohnungsunternehmen Gewoba rühmt sich, energiesparende | |
> Blockheizkraftwerle einzubauen. Über mögliche Gesundheitsschäden weiß es | |
> nichts. | |
Bild: Nicht von der Gewoba, sondern vom Stromanbieter Lichtblick: Mini-Blockhei… | |
BREMEN taz | 20 Blockheizkraftwerke betreibt das städtische | |
Wohnungsbauunternehmen Gewoba bereits in seinen Gebäuden. In diesen Anlagen | |
wird Abwärme aus Heizanlagen in Strom verwandelt – eine effektive Maßnahme | |
zum Energiesparen.Der Haken: Blockheizkraftwerke können wie Windräder, | |
Luft-Wärme-Pumpen sowie normale Kühl- oder Heizanlagen [1][tieffrequenten | |
Lärm], auch Infraschall genannt, erzeugen. | |
Das sind so niedere Frequenzen, dass der menschliche Körper sie entweder | |
gar nicht wahrnehmen kann – oder als Vibrationen über die Knochen. Der Lärm | |
wird verdächtigt, für Gesundheitsschäden verantwortlich zu sein, von | |
Schlafstörungen und Tinnitus über Depressionen und Angststörungen bis hin | |
zu Herzschäden. Auch das Risiko von Fehl- und Frühgeburten kann erhöht | |
sein. Das [2][Robert Koch Institut] hat auf diese Gefahren bereits 2007 | |
aufmerksam gemacht und einen „großen Handlungs- und Forschungsbedarf“ | |
angemahnt. | |
Doch passiert ist seitdem so gut wie nichts. Das liegt daran, dass das | |
politische und öffentliche Interesse gering ist, weil strengere Grenzwerte | |
die Energiewende gefährden könnten. Derzeit gibt es – anders als bei | |
höheren Frequenzen – keine Grenzwerte beziehungsweise keine Grundlage, | |
anhand derer Grenzwerte festgelegt werden könnten. | |
Die Gewoba hat eine grobe Vorstellung von der Problematik. Der Lärm könne | |
„zu Unwohlsein, Müdigkeit und auch zu Konzentrationsstörungen führen“, | |
schreibt eine Sprecherin der taz jetzt. Und verweist auf einen „sehr | |
sinnvollen [3][Leitfaden des Umweltbundesamtes]“. | |
## Starke Zunahme potenzieller Belastungsquellen | |
In der vor zweieinhalb Jahren erschienenen Broschüre rechnet das | |
Umweltbundesamt (UBA) vor, dass die Anzahl potenzieller Belastungsquellen | |
in den kommenden Jahren stark zunehmen wird – vor allem in Neubaugebieten. | |
Es benennt grundsätzliche Defizite im Umgang mit dem Thema. Unter anderem: | |
„Hinsichtlich tieffrequenter Geräusche fehlt es an wissenschaftlich | |
gesicherten Grundlagen über die Wirkungsgrenzen.“ Politik und Verwaltung | |
seien dazu aufgefordert, diese zu erarbeiten. | |
Die Gewoba hält sich für vorbildlich in der Minimierung der Gefahren. „In | |
den Bestandsgebäuden lassen wir im Vorwege zur Planung Schalluntersuchungen | |
von einem Sachverständigen durchführen, um die notwendigen | |
Schalldämmmaßnahmen mit zu projektieren“, heißt es in der Mail. Und weiter: | |
„Neubauten können direkt auf die schalltechnischen Anforderungen hin | |
ausgebildet werden.“ | |
So würden etwa vier Blockheizkraftwerke in der neu errichteten „Gartenstadt | |
Werdersee“ westlich des Friedhofs in Huckelriede in Gewoba-Gebäude in den | |
Kellergeschossen eingebaut. „Die Technikräume werden auf die | |
Schallanforderungen der eingesetzten Technik abgestimmt. Die | |
motorgetriebenen Anlagen werden schallentkoppelt installiert.“ | |
Das Problem ist nur: Gegen tieffrequenten Lärm helfen keine der üblichen | |
Schallschutzmaßnahmen, weil sich die Schallwellen in diesem Frequenzbereich | |
anders ausbreiten und auch in weiter Entfernung häufig noch genau so wirken | |
wie in geringerer Entfernung zur Lärmquelle. Das steht auch in dem sehr | |
zurückhaltend und verklausuliert formulierten UBA-Leitfaden. Liest man | |
diesen zwischen den Zeilen, wird deutlich, dass Gegenmaßnahmen nur wirksam | |
sind, wenn diese an der Lärmquelle ansetzen. Wozu aber erst einmal klar | |
sein müsste, in welchem Frequenzbereich die Emissionen gesundheitsschädlich | |
sind. | |
## Mangelhafte Forschungslage | |
Wegen der mangelhaften Forschungslage werden [4][Menschen häufig nicht | |
ernst genommen], die über Beschwerden klagen und sie tieffrequentem Lärm | |
zuordnen oder sagen, sie könnten ihn als Vibrationen spüren. Wie hoch | |
dieser Anteil in der Bevölkerung ist: völlig unbekannt. Zudem kommen | |
Beschwerden häufig von erbitterten Windkraftgegner*innen, was eine | |
sachliche Auseinandersetzung erschwert. | |
Stattdessen wird Geschädigten bescheinigt, dass ihre Negativeinstellung | |
gegenüber Windkraft die Beschwerden hervorrufe. Zu diesem Nocebo-Effekt | |
gibt es Studien, wie das [5][Ärzteblatt in diesem Jahr] schrieb. Dort heißt | |
es auch: „Allerdings erklärt die Psyche die Beschwerden vermutlich nicht | |
allein. Immer öfter zeigen Beobachtungen an den unterschiedlichsten | |
Organen, dass es messbare Effekte von Infraschall gibt.“ | |
Nun haben Blockheizkraftwerke weitaus weniger Potenzial als | |
Windkraftanlagen, auf Abneigung bei Nachbarn zu treffen. Dennoch hatte die | |
Gewoba in der Vergangenheit schon Beschwerden von Mieter*innen, wie sie der | |
taz bestätigte. Wie und ob die Probleme gelöst werden konnten, sagt sie | |
nicht. | |
28 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Gesundheitsschaedlicher-Laerm/!5388518 | |
[2] http://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/UmweltKommission/Archiv/Schall.pd… | |
[3] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen… | |
[4] https://www.zdf.de/nachrichten/heute/infraschall-unerhoerter-laerm-104.html | |
[5] https://www.aerzteblatt.de/archiv/205246/Windenergieanlagen-und-Infraschall… | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
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