| # taz.de -- Sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz: Frauen als Beute | |
| > Eine Ex-Mitarbeiterin der Ärztekammer Hamburg erhebt schwere Vorwürfe: | |
| > Ein Kollege habe sie jahrelang belästigt, die Kammer habe sie nicht | |
| > geschützt. | |
| Bild: Kein Einzelfall: Grenzüberschreitendes Verhalten am Arbeitsplatz | |
| Hamburg taz | Zum Strafprozess war es nicht gekommen, die | |
| Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen eingestellt. Dabei besteht | |
| eigentlich kein Zweifel, dass Sven C. seine Kollegin Miriam M. (Name | |
| geändert) sexuell belästigt hat. Es sei nur nicht zu beweisen gewesen, sagt | |
| der Richter und Vizepräsident des Arbeitsgerichts, Oliver Krieg. M. hat | |
| einen zweiten Anlauf gestartet und klagt nun vor dem Arbeitsgericht gegen | |
| ihren früheren Arbeitgeber, die Ärztekammer. | |
| Über Jahre hinweg habe der Kollege gegenüber M. sexuelle Anspielungen | |
| gemacht, ihr anzügliche Whatsapp-Nachrichten geschickt, sie zweimal gegen | |
| ihren Willen geküsst und ihr unter die Bluse und in den Schritt gefasst. So | |
| stellt es die Klägerin dar. C. bestreitet alles, bis auf einen Kuss, zu dem | |
| es seiner Meinung nach aber anders kam, als die Klägerin es schildert. | |
| Das Arbeitsgericht befasst sich aber nicht mit den Vorgängen an sich – die | |
| waren Gegenstand des bereits eingestellten Strafverfahrens. Stattdessen | |
| geht es um die Frage: Hat die Ärztekammer genug getan um ihre Mitarbeiterin | |
| zu schützen? Dazu ist sie laut dem [1][Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz] | |
| verpflichtet. Das könnte zum Beispiel bedeuten, den Täter abzumahnen, zu | |
| versetzen oder ihm zu kündigen. Aber nichts dergleichen passierte. | |
| Die Ärztekammer, vertreten durch die Vizepräsidentin Birgit Wulff und ihren | |
| Rechtsanwalt, ist sich sicher, angemessen auf die Vorwürfe reagiert zu | |
| haben. Man hätte ja auch die Verhältnismäßigkeit wahren müssen – „die | |
| Ärztekammer ist keine Ermittlungsbehörde“, sagt deren Anwalt. | |
| ## Keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen | |
| Die Arbeitgeberin habe M. von allen Terminen freigestellt, bei denen C. | |
| anwesend war, außerdem habe sie C. ein Kontaktverbot auferlegt. Nach einem | |
| taz-Artikel im September 2018, der kritisierte, dass C. keine | |
| arbeitsrechtlichen Konsequenzen spüren musste, verschickte der damalige | |
| Kammerchef Frank Ulrich Montgomery außerdem ein Schreiben an alle | |
| Mitarbeiter*innen, in dem er darlegte, dass er [2][nicht untätig] gegenüber | |
| den Übergriffen sei. | |
| Aus Sicht der Klägerin sind die Maßnahmen „Feigenblätter“, die einen | |
| Missstand überdecken sollen. Es habe eine „Atmosphäre geherrscht, in der | |
| Frauen als Beute gesehen wurden“, zitiert der Richter die Vorwürfe der | |
| Klägerin. M.s Anwalt Joachim Breu kritisiert zudem, dass dem Täter zu | |
| keinem Zeitpunkt gesagt worden sei, welches Verhalten er gegenüber M. zu | |
| unterlassen habe – nur, dass er den Kontakt meiden solle. „So wurde ihm | |
| vermittelt, er dürfe weiterhin übergriffig sein, nur eben nicht gegenüber | |
| denen, die sich beschwert haben“, so Breu. | |
| Zwei weitere Mitarbeiterinnen der Ärztekammer hatten ihrer Arbeitgeberin | |
| Belästigungen durch C. gemeldet. Geklagt haben sie nicht – was daran liegen | |
| könnte, dass sie, anders als M., die bereits gekündigt hat, noch bei der | |
| Ärztekammer arbeiten. Die Fälle interessieren das Gericht aber – die | |
| Verhandlung endet mit der Anweisung an die Ärztekammer, vorzutragen, was | |
| sie über diese anderen beiden Fälle weiß. | |
| ## Der Mann arbeitet weiter | |
| Für Editha Maßberg, Beraterin und Projektleiterin bei der | |
| [3][Beratungsstelle „read“] für Opfer von Diskriminierung aufgrund des | |
| Geschlechts, ist das ein positives Signal. Der Fall sei klassisch: „Es wird | |
| als Einzelfall verhandelt, was offensichtlich kein Einzelfall ist“, sagt | |
| sie. Das Verhalten der Ärztekammer sei ebenfalls im negativen Sinne | |
| exemplarisch: „Der Mann arbeitet weiter, ohne Konsequenzen zu spüren. Die | |
| Frau musste gehen.“ | |
| Am fünften Februar soll der Prozess weitergehen. Ein Vergleich zwischen den | |
| Streitparteien ist aussichtslos: Die Ärztekammer würde sich nur darauf | |
| einlassen, wenn M. sich zur Verschwiegenheit verpflichtete. Es ist das | |
| einzige Mal, dass M. im Gerichtssaal selbst ihre Stimme hebt: „Auf keinen | |
| Fall!“, sagt sie. | |
| 20 Nov 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.gesetze-im-internet.de/agg/__12.html | |
| [2] /Vorwuerfe-gegen-Hamburger-Aerztekammer/!5533446 | |
| [3] http://adb-hamburg.de/read/ | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Schipkowski | |
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