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# taz.de -- Rassistische Ultras in Russland: Wasja, Artjom und die Schwarzen
> Der harte Kern der Fans von Zenit St. Petersburg gilt als rassistisch und
> homophob. Unser Autor war mit zwei von ihnen in Leipzig unterwegs.
Bild: Die Schönheit der Kurve: Zenit-Fans zeigen Fleisch in St. Petersburg
Am Dienstagabend spielt RB Leipzig bei Zenit St. Petersburg in der
Champions League. Vor zwei Wochen haben die Leipziger mit 2:1 gewonnen.
2.000 Fans aus St. Petersburg waren in Leipzig. Darunter die berüchtigten
Ultras. Unser Autor war mit ihnen unterwegs. Die Namen der Ultras haben wir
für die Veröffentlichung geändert, um sie nicht in Gefahr zu bringen.
LEIPZIG taz | Langsam bewegen wir uns auf das Leipziger Stadion zu. Bald
beginnt das Champions-League-Spiel zwischen RB Leipzig und Zenit St.
Petersburg. Ich begleite drei Fans aus Russland. Zwei von ihnen gehören der
Ultra-Bewegung von Zenit an. Die hat alles andere als einen guten Ruf. Die
Zenit-Ultras unterstützen offen neofaschistische Ideen. Vor kurzem haben
sie für Schlagzeilen gesorgt, als sie ein gegen den brasilianische Legionär
[1][Malcom] gerichtetes, rassistische Spruchband in der Kurve gezeigt
haben. In einem Manifest der Ultras heißt es: „Wir sind dagegen, dass
Angehörige sexueller Minderheiten im Team von Zenit spielen.“
„Die mag ich auch nicht“, sagt Wasja, einer der Fans. „Und was die
Schwarzen betrifft, da geht es schon zu weit. Da gibt es viele Leute mit
viel zu radikalen Ansichten unter den Fans, die sich zu sehr aufregen. Ich
würde mich freuen, wenn wir starke Spieler hätten. Ihre Hautfarbe ist mir
dann egal.“
Für Wasja und seine Freunde studiere ich russische Kultur an einer Berliner
Universität. Ich sage, dass ich an einer Arbeit über die moderne russische
Gesellschaft schreibe. Für mich ist das eine Vorsichtsmaßnahme. Außerdem
gewinne ich so das Vertrauen der Fans und hoffe, ehrliche Antworten zu
erhalten.
## Tanzen, messern, morden
Ich verbringe den ganzen Nachmittag mit den Fans. Wir unterhalten uns über
Fußball und nach ein paar Bechern Bier, die wir gemeinsam getrunken haben,
denke ich, dass ich nun auch die wirklich wichtigen Themen ansprechen kann.
Eine Frage drängt sich mir besonders auf: „Mal ehrlich. Euer Land hat eine
so wichtige Rolle im Kampf gegen die Nazis gespielt. Warum gibt es Leute
unter euch, die genau die Ideen unterstützen, gegen die eure Großeltern
unter Einsatz ihres Lebens gekämpft haben.“ Die Typen drucksen ein wenig
herum. Schließlich sagt Wasja: „Weißt du, es kommen so viele Leute aus
Dagestan, aus Tschetschenien. Die bringen das Chaos nach Russland. Sie
tanzen ihre kaukasischen Tänze, messern, rauben, töten.“
Sein Kumpel Artjom schüttelt den Kopf. „Ich bin in Ufa gewesen, in
Baschkirien, dort waren die Tschetschenen und Dagestaner viel
gastfreundlicher, netter, einfach freundlicher als bei uns in St.
Petersburg.“ Was in St. Petersburg genau stört an diesen Migranten, wollen
sie nicht sagen, sie verdrehen die Augen. „Einen Scheißdreck weiß ich“,
sagt Artjom.
Eine Gruppe Leipziger Fans kommt uns entgegen. Wasja rennt auf sie zu, um
ein Selfie mit ihnen zu machen. „Dieser Trottel! Er ist am Arsch“, sagt der
dritte der Fans, mit denen ich unterwegs bin. Artjom gibt ihm recht: „Ja,
das ist er! In Russland, mit Fans von Spartak, hätte er das nicht machen
können. Das wäre er sofort am Arsch gewesen.“ Wasja kommt zu uns zurück.
„Die sind nett“, sagt er. Die Antwort kommt postwendend: „Wenn ich 2.000
Euro im Monat verdienen würde, wäre ich auch nett.“ Wir beobachten zwei
Jugendliche, die aufgeregt diskutieren. Wasja sagt: „Als ich in ihrem Alter
war, haben sie bei uns in der Schule einen Typen abgestochen. Weil er ein
iPhone hatte. 2009 war das. Damals hatten bei uns im Dorf nur die Kinder
von Abgeordneten ein iPhone.“
## Russische Richter
Jetzt reden wir wieder über Russland. „Sie können alles mit dir machen“,
sagt Wasja. „Du sagst irgendetwas über die Regierung, etwas verdammt
Wahres. Zack! Die Führung sagt, dass man dich wegsperren muss. Zack! Dann
kommen sie zu dir, schieben dir Drogen unter und das war’s dann.“ Das
Gespräch kommt auf [2][Iwan Golunow], den Journalisten, der dabei war,
korrupte Strukturen in der Moskauer Stadtverwaltung aufzudecken, und den
ein Richter dann wegen angeblichem Drogenbesitz unter Hausarrest gestellt
hat. „Den kennst du doch?“, fragt Artjom.
„Er hat die Wahrheit gesagt, dass die Beamten Yachten haben, Reichtümer.
Zack! Haben sie beschlossen, ihn einzusperren. Jetzt lutschen sie wieder
seinen Schwanz. Das verstehe ich auch nicht.“ Tatsächlich hat man die
Vorwürfe gegen Golunow nach Protesten fallengelassen. Artjom sagt: “Sie
haben uns alle verarscht. Putin regiert, seit wir eins sind. Ich bin jetzt
21 und ich kenne kein Russland ohne Putin.“
Wasja redet sich jetzt in Rage. Im größten Land der Erde würden sie leben,
sagt er, und es würde ihnen schlechter gehen als allen anderen. Die Leute
hätten nichts zu fressen. Beamte würden sich in ihren Autos besaufen und
einfach Menschen töten. Es geht um den verdammten Dollarkurs, die
Sanktionen. „Wir haben sie 45 besiegt, und jetzt das“, sagt Wasja. Seine
Freunde versuchen ihn zu beruhigen. „Ja, die Macht ist schlecht, aber sonst
ist alles gut, die Menschen sind gut.“
Gleich beginnt das Spiel. Ich gehe nicht in die weiß-blaue Kurve der
Zenit-Fans. Ich habe ein mulmiges Gefühl, schließlich sieht man mir an,
dass ich nicht dazugehöre. Wir verabreden uns. Nach dem Spiel wollen wir
miteinander telefonieren. Doch keiner ruft an. Es ist wohl genug gesagt.
5 Nov 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Sandro Gvindadze
## TAGS
Fußball
Fußballfans
Russland
Schwerpunkt Rassismus
Frauen-Fußball-WM 2023
Fußball
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