Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- 40 Jahre deutsche „Vogue“: Keine Scheu vor Plattitüden
> Mit einer Ausstellung feiert die deutsche Ausgabe der „Vogue“ ihren
> Geburtstag. Hat sie es geschafft, elegant und radikal zu bleiben?
Bild: „Ist das Mode oder kann das weg?!“ heißt die Ausstellung zum Geburts…
Vierzig Jahre sind doch kein Alter. Insbesondere, wer sich für eine wie
auch immer konstruierte Zukunft in Alterslosigkeit entschlossen hat, sollte
fröhlich feiern. Das gilt für Frauen und Männer, warum nicht [1][auch für
Luxusmagazine] wie die Vogue?
Nach wie vor bedient sie eine vermeintlich gehobene, auf jeden Fall nicht
mehr ganz junge Klientel. Die Modestrecken werden von Starfotografen
gestaltet, Reisen führen an High-End-Ziele, die Preise der abgebildeten
Kleidung liegen gerne mal im vierstelligen Bereich. Man lernt, welche OPs
sich wirklich lohnen, damit man am 50. Geburtstag immer noch wie am 40.
aussieht. Und zahllose, in Variationen immer wiederkehrende Texte lehren
ohne Scheu vor Plattitüden das Leben. Ist das die Form von Luxus, die
vierzig Jahre später nicht mehr ankommt?
Luxus beschreibt zuerst einmal etwas sowohl Überflüssiges wie
Begehrenswertes, ist verknüpft mit herausragenden Objekten und Materialien,
signalisiert elitäres Bewusstsein und wird gern mit inbrünstiger Metaphorik
aufgeladen („Zeit für die Familie, Ruhe zum Nachdenken“). Kein Grund also,
die Nase zu rümpfen über ein Hochglanzmagazin, dessen Gründer 1892 in der
US-Ausgabe zeittypische Ästhetik mit gehobenem Lebensstil und ein bisschen
Unterhaltung in herausragender Manier vereinen wollte. Das gelang vor
allem, nachdem Condé Montrose Nast 1909 die Vogue übernommen hatte.
Über Jahre und Jahrzehnte war das Verlagshaus Condé Nast ein Erfolgsmodell,
publizierte zahlreiche weitere Lifestyle-Titel, die, gesellschaftlicher
Relevanz verpflichtet, dem Zeitgeist auf der Spur waren. Die Vogue war
dabei das Zentralorgan der Schönen und Reichen mit sorgfältig kalkuliertem
Abglanz auf Leser, die dazugehören wollen.
## Knapp 600 Cover
Inzwischen werden in zwanzig Ländern weltweit eigenständige Ausgaben
produziert. Nach einem einjährigen Intermezzo in den Zwanzigern, erscheint
die deutsche Vogue seit 1979 monatlich. Deren verkaufte Auflage beträgt
derzeit knapp 100.000 Exemplare, gut 16 Prozent weniger als noch vor
zwanzig Jahren. Gefeiert wird selbstverständlich trotzdem.
Das vierzigste Jubiläum gipfelt in einer Präsentation im Museum Villa Stuck
in München: eine intim-archivalisch anmutende Bestandsaufnahme (die Macher
nennen es Zeitreise) in Bildern. Sie beginnt mit drei Kleiderpuppen mit
aktuellen Entwürfen von Designer Jean Paul Gaultier, Thom Browne und John
Galiano und einem Potpourri großformatiger Aufnahmen. Auf einen Vorhang,
auf den sämtliche fast 600 Cover gedruckt sind, folgt eine raumfüllende
Zeitleiste, die politische, kulturelle und gesellschaftliche Schlaglichter
mit jeweils einer Vogue-Reportage zu einem jahresaktuellen Thema
illustriert.
Eine Sammlung von Scrapbooks von Matthias Ziegler, dem Reportagefotografen,
der viele Jahre schon für die Vogue tätig ist, vermittelt journalistische
Werknähe, ein prall mit Fotos, Dingen und Videos ausstaffiertes
Lagerfeld-Sanktuarium eher Überdruss. Ausgiebig wird auch Punkfotograf
Juergen Teller gewürdigt.
## „Ist das Mode oder kann das weg?!“
Einige großformatige Prints aus Ugo Rondinones Serie „I don’t live here
anymore“ überraschen an diesem Ort. Bis klar wird, dass der Schweizer
Künstler seine fotografischen Selbstporträts makellos in Modeaufnahmen aus
der Vogue montiert hat.
Eifrig und beliebig zugleich wird so der Zusammenhang von Kunst, Mode und
dem Magazin hergestellt – und queer gleich mal mit abgehandelt. Und wenn es
dann weitergeht mit der großen Selbstbezichtigungstafel, auf der die bösen
Zahlen der Modeindustrie aufgelistet sind (12,8 Millionen Tonnen Mode
landen jedes Jahr auf dem Müll; die Modeindustrie ist für 20 Prozent des
industriellen Abwassers verantwortlich und für 10 Prozent der
Kohlenstoffemissionen etc. etc.), verstehen wir auch den selten dämlichen
Titel der Ausstellung: „Ist das Mode oder kann das weg?!“ Publikums-
beziehungsweise Lesernähe suggeriert schließlich gleichermaßen betulich und
peinlich die unter dem Dach eingerichtete Redaktionsstube, in der echten
Redakteuren beim Arbeiten zugeschaut werden kann.
Mit der daneben von der Uhrenfirma Hublot eingerichteten futuristischen
Installation ist die Vogue dann tatsächlich ganz bei sich. In Zeiten
sinkender Auflagen muss der Anzeigenkunde, die Haupteinnahmequelle,
gepflegt werden. Und man ist sich nicht zu schade, dem guten Kunden gleich
auch noch eine Bühne auf der eigenen Jubiläums-Ausstellung zu bieten.
Dass von jeher die Anzeigen hochkarätiger Luxuslabels die hervorragenden,
auch avantgardistischen Modestrecken ergänzen, hat auch der deutschen Vogue
den Rang als maßgeblichem Magazin niemals streitig gemacht. Dass aber die
penetrant schnittigen Texte mit austauschbaren Werbetexter-Worthülsen weit
mehr nerven als inspirieren, ist ebenfalls Fakt. Inhalt und Anzeige sind
kaum noch auseinanderzuhalten, alles doppelt sich irgendwie. Sophisticated
wie ehedem ist das nicht. Vor allem verglichen mit der US-Ausgabe, in der
schon Größen wie Joan Didion Essays veröffentlicht haben.
## Gesundschrumpfung und Intrigen
Das Geschäft ist schwierig geworden. Auch das Mutterschiff in New York hat
dramatische Jahre der Gesundschrumpfung und dazugehöriger Intrigen hinter
sich. Die global verteilten Condé-Nast-Satelliten müssen ernsthaft
nachdenken.
In München mündete das in die Entlassung von einem guten Dutzend
Mitarbeitern (bei der Vogue, dem Männermagazin GQ und bei Glamour). Aus
Redaktionskreisen heißt es, dass diese mehrheitlich nicht die
Qualifikationen mitbringen, um an der Architektur der Neuausrichtung mit
mehr Kooperationen, einträglichen Events mit Vogue-Signatur und dergleichen
mitzuwirken.
Eines der letzten Elemente des Luxus und der Moden – nicht des Protzes –
sollte nicht so mir nichts dir nichts abhanden kommen oder als
Heritage-Programm älterer Damen und gewiefter Influencer in der Sackgasse
enden. Mit entsprechender Haltung und geeignetem Instrumentarium könnte die
Vogue sich – anders als die Konkurrenten in der Kampfzone der
Lifestylemagazine – unabhängig, elegant und radikal gegen die oktroyierte
Rolle des Kommerzlakaien stemmen. Aber das ist jetzt, zugegeben, schon eine
arg romantische Vision.
18 Nov 2019
## LINKS
[1] /Die-Vogue-wird-30/!5156406
## AUTOREN
Annegret Erhard
## TAGS
Vogue
Mode
Modebranche
Vogue
Mode
Black Community
BPoC
Medien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Modemagazin „Vogue“ will politisch sein: Welt verbessern im Prada-Kleid
Die deutsche „Vogue“ hat sich politisiert. Auch, weil die Werbewelt von
Diversität profitieren will. Margot Friedländer auf dem Cover passt dazu.
Begegnung während der Modewoche: Das Modell, das spricht
Sie war das Chanel-Gesicht schlechthin: In den 1980ern war sie sogar in
einer Moskauer Datscha ein Star. Und heute? Eine Begegnung.
Ausstellung im Münchner Lenbachhaus: Strapazierfähigkeit der Frauen
Nylonstrumpfhosen als Symbol weiblicher Unterdrückung: Senga Nengudis
„Ausstellung Topologien“ vereint Performance- und Installationskunst.
Diversity im Modemagazin „Elle“: Schwarzsein als Trend
Die deutsche „Elle“ hat ausnahmsweise versucht, ein wenig Diversity ins
Blatt zu bringen. Und, na ja, hätte man kommen sehen können.
Ironie bei Modemagazin: Die „Vogue“ wird witzig
Komikerin Celeste Barber parodiert auf Instagram Influencer. Damit ist sie
auf das Cover der „Vogue“ gekommen. Erstaunlich selbstironisch.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.