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# taz.de -- Risiko Selbstfesselung: Den Schlüssel immer griffbereit
> Es gibt schwer auflösbare Situationen, mit denen bei Selbstfesselung zu
> rechnen ist. Im Zweifel helfen da, wie sonst auch, andere Menschen.
Bild: Schlüsselfertig
Dankenswerterweise stellte mein Mitbewohner keine Fragen, als ich eines
Sonntags plötzlich mit auf dem Rücken gefesselten Händen in seinem Zimmer
stand. Er war selber noch schlaftrunken, erst seit ein paar Stunden zurück
von der Nachtschicht, ich hingegen hatte an diesem Tag schon eine Reihe
schlechter Entscheidungen hinter mir.
Es war einer dieser eiskalten Tage, an denen man sich die Finger wund
chatten kann in den Dating-Apps, aber einfach niemand Lust hat, das Haus zu
verlassen, um woanders auf ein spontanes kinky Date vorbeizuschauen. Und
obwohl ich normalerweise versuche, mir ein paar nette Kontakte für genau
solche Gelegenheiten warmzuhalten, scheiterte ich an diesem Tag. Bei der
Frage „Zu mir oder zu dir?“ waren weder ich noch meine Gegenüber bereit,
einen Millimeter von unserer Position abzurücken.
Ich hatte aber nun gerade brandneue Handschellen, echte
Polizeihandschellen, so wurden sie in dem windigen Onlineversand beworben.
Und da nun niemand kam, sie an mir auszuprobieren, dachte ich, dass es ja
kein Problem sein kann, mir die Dinger selbst anzulegen, solange die
Schlüssel griffbereit sind.
Ohnehin deponiere ich immer einen Handschellenzweitschlüssel an einer gut
zugänglichen, aber versteckten Stelle im Schlafzimmer, für den Fall der
Fälle. Andere Kink-Fans werden die Augen rollen ob dieser
Gartenzwerg-Jägerzaun-Variante von Fesselsex, aber ich habe ein
gesteigertes Sicherheitsbedürfnis. Dazu ein andermal mehr.
Ich stellte natürlich nach kurzer Zeit fest, dass ich die Handschellen, da
sie einmal – kkkkrek – eingerastet sind, mit dem winzigen Schlüsselchen
nicht mehr aufkriege. Das Feingefühl meiner Finger habe ich grandios
überschätzt.
Es gibt einen einfachen Weg aus dieser Lage, für den man allerdings eine
gewisse Flexibilität der rückseitigen Oberschenkelmuskulatur und
Beweglichkeit in der Wirbelsäule braucht. Dabei führt man die Handgelenke
einfach unter dem Hintern hindurch, bis man die Knie umarmt, und zieht dann
die Beine wie ein Klappmesser zusammen. Sind die Handschellen mal vor dem
Körper, ist das Aufmachen auch kein Akt mehr. Leider kann ich noch nicht
mal mit ausgestreckten Beinen meine Zehen berühren.
Freunde anrufen ohne Hände ist schwieriger geworden, bei den noppigen
Kurzwahltasten der alten Handys war das mit dem Zeh möglich, bei
Smartphones braucht es schon die Sprachsteuerung – wenn man nicht
zusätzlich zu den Handschellen auch einen Ballknebel angelegt hätte.
Ohne telefonische oder akrobatische Lösung bleiben dann also nur noch die
Nachbarn. Oder der Mitbewohner, der in meinem Fall zum Glück nicht nur
vorhanden, sondern auch daheim war, und obendrein die ganze Affäre recht
unaufgeregt zu Kenntnis nahm. Er zuckte mit den Schultern, befreite mich –
und legte sich wieder schlafen.
16 Nov 2019
## AUTOREN
Peter Weissenburger
## TAGS
Kolumne Kuscheln in Ketten
BDSM
Sexualität
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