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# taz.de -- Abmahnung gegen LGBT-Medium: „Queer.de“ unter Druck
> Das Nachrichtenportal befindet sich im Rechtsstreit mit einem
> christlichen Bildungsverein. Dabei fühlt sich die Redaktion allein
> gelassen.
Bild: Augen auf, über wen man schreibt: Ein Rechtsstreit kann kleine Verlage r…
Queer.de ist so etwas wie [1][die „Tagesschau“ für LGBTI]. Seit seiner
Gründung 2003 ist das Nachrichtenportal zum meistbesuchten Online-Medium
der Community geworden. Selbst nennt man sich augenzwinkernd „Zentralorgan
der Homo-Lobby“. Seit einiger Zeit jedoch steht die kleine Redaktion aus
Köln unter Druck. Der Bildungsverein Teenstar hat das Medium abgemahnt
wegen Verbreitung angeblich falscher Fakten. Queer.de droht ein
Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro.
Der Verein Teenstar bietet in Deutschland und Österreich ein sogenanntes
„persönlichkeitsbildendes sexualpädagogisches Programm“ an. [2][Das steht
schon länger in der Kritik.] Dazu trugen etwa Enthüllungen des
österreichischen Magazins Falter im November 2018 bei. Der Falter legte
Schulungsunterlagen des Vereins offen, die Pädagog*innen unter anderem
empfahlen, das „heterosexuelle Potential“ ihrer Zöglinge zu entwickeln. Der
Verein gab damals an, die Dokumente seien veraltet.
In Sachsen, wo Teenstar ebenfalls an mindestens zwei Schulen tätig war,
riet daraufhin der sächsische Lesben- und Schwulenverband (LSVD) davon ab,
Teenstar Zugang zu Bildungseinrichtungen zu gewähren.
In einem Bericht zitierte Queer.de Anfang Mai 2019 eine entsprechende
Stellungnahme des LSVD Sachsen von Ende April und warnte vor Teenstars
Sexualaufklärung.
## Die Scheu vor dem Rechtsstreit
Teenstar mahnte daraufhin sowohl den LSVD Sachsen als auch Queer.de ab.
„Die zitierten Äußerungen haben wir als bewusste Falschmeldung verstanden,
deren Wiederholung aufrechterhalten wurde, obwohl der LSVD eine
Unterlassungserklärung abgegeben hatte“, sagt Teenstar-Sprecherin Elisabeth
Luge gegenüber der taz.
Der LSVD hatte der Abmahnung nachgegeben und entfernte den Teenstar-Bericht
von seiner Homepage. Queer.de hält derweil an seiner Berichterstattung
fest, aber der Rückzieher des LSVD Sachsen könnte ihm zum Verhängnis
werden. Das Landgericht Köln hat Teenstar mittlerweile in erster Instanz
recht gegeben.
Trotzdem will Queer.de-Geschäftsführer Micha Schulze weitermachen. „Kein
anderes Portal berichtet so ausführlich und so hartnäckig über die neue
gefährliche Allianz aus fundamentalistischen Christen und rechtsextremen
Hetzern“, sagt er. Schulze sieht Teenstar als Teil dieser Allianz.
Dass der LSVD Sachsen eingeknickt ist, glaubt Schulze, habe allein
finanzielle Gründe. „Gerade kleine Vereine können sich einen langen
Rechtsstreit gar nicht leisten“, sagt er. „Um kein größeres finanzielles
Risiko einzugehen, werden nicht selten Unterlassungserklärungen
unterschrieben, auch wenn man sich eigentlich im Recht sieht.“
## Immer mehr Abmahnungen
Typisch sei, dass Teenstar zwar gegen Queer.de und den LSVD, aber nicht
gegen die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld vorgeht. In deren Bericht zu
Konversionstherapien fordert LSVD-Sachsen-Vorstand Hartmut Rus, die
Teenstar-Aktivitäten in Deutschland wegen der Aussagen zu Homosexualität
kritisch unter die Lupe zu nehmen. „Dieser Gegner ist dem Verein wohl eine
Nummer zu groß“, glaubt Schulze.
Queer.de sieht in alledem einen Einschüchterungsversuch, dem es sich nicht
beugen will. „Wir sind fest davon überzeugt, dass die einstweilige
Verfügung ein rechtswidriger Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit
ist.“ Schulze hat sich bereits entschieden, ins Hauptverfahren zu gehen.
Für Anwalts- und Prozesskosten hat der Verlag, der erst im letzten Jahr mit
einem Crowdfunding seine Existenz sichern musste, erst einmal 10.000 Euro
eingeplant – Tendenz steigend.
Wie juristisch Druck auf die Presse ausgeübt wird, noch bevor sie
berichtet, untersuchte jüngst die Otto-Brenner-Stiftung in einer Studie
über „präventive Anwaltsstrategien gegenüber Medien“. Die Studie kommt zu
dem Schluss, dass kleinere Redaktionen aus Angst vor angedrohten
juristischen Auseinandersetzungen häufig „klein beigeben“ und Berichte
entfernten – eine Entwicklung, die die Stiftung „bedenklich“ nennt.
Eine Zunahme an Abmahnungen und Unterlassungserklärungen beobachtet derweil
der Düsseldorfer Medienrechtler Jasper Prigge. „Es kommt häufig vor, dass
es kleine Verlage mit Abmahnungen, etwa wegen Persönlichkeitsverletzungen,
zu tun haben“, sagt er der taz. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine
Abmahnung seien gering. Problematisch, so Prigge weiter, werde das dann,
wenn die Abmahnungen nicht inhaltlich begründet seien und vielmehr der
Einschüchterung dienten.
Micha Schulze von Queer.de jedenfalls hofft darauf, dass sich Vereine und
Medien bei zukünftigen Abmahnwellen besser vernetzen und sich auch
gemeinsam zur Wehr setzen.
Dieser Text wurde aus rechtlichen Gründen geändert. Über eine Passage – den
österreichischen Ableger von Teenstar betreffend – befinden wir uns mit dem
Verein in einer rechtlichen Auseinandersetzung. Wir haben sie zunächst
entfernt.
6 Nov 2019
## LINKS
[1] https://www.queer.de/
[2] /Oesterreichs-Schulen-engagieren-Externe/!5552412
## AUTOREN
Eva-Maria Tepest
## TAGS
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Medien
Queer
Abmahnung
Christliche Fundamentalisten
Österreich
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