# taz.de -- Pferderennsport in der Kritik: Abgang im Galopp | |
> Der Tod eines Pferds bei der höchstdotierten US-Rennserie ruft großen | |
> Protest hervor. Denn die Todesbilanz des Rennsports ist grausig. | |
Bild: Brutaler Sport: Mongolian Groom wird hier Ende Sepember noch mit der Peit… | |
Ausgangs der Kurve lag Mongolian Groom noch in aussichtsreicher Position. | |
Doch dann wurde der Wallach plötzlich rapide langsamer, lief nur noch | |
unrund, konnte sein linkes Hinterbein nicht mehr aufsetzen. Kurz nachdem | |
der Kollege Vino Rosso die Ziellinie überquert hatte, fuhren nur ein paar | |
Hundert Meter weiter hinten Fahrzeuge auf, eine grüne Sichtwand wurde | |
ausgerollt, das Elend war nur noch zu ahnen. Wenige Minuten später wurde | |
das Pferd in einem weißen Transporter weggefahren und nach einer | |
tierärztlichen Untersuchung noch am selben Tag eingeschläfert. Mongolian | |
Groom wurde vier Jahre alt. | |
Mongolian Groom ist nicht das einzige Opfer, das der Pferderennsport | |
fordert. Er ist nur das aktuellste. Und er verunglückte auf besonders | |
prominenter Bühne, nämlich am vergangenen Wochenende während des letzten | |
und wichtigsten Rennen des Breeders’ Cup, der höchstdotierten Rennserie in | |
den USA. Millionen saßen vor dem Fernseher, 70.000 Zuschauer waren live | |
dabei im Santa Anita Park. | |
Die Rennstrecke bei Los Angeles ist besonders berüchtigt. Immer wieder | |
sterben hier Vollblüter während der Rennen oder im Training. 37 Todesopfer | |
wurden hier seit Dezember 2018 gezählt, im März wurde der Rennbetrieb | |
vorübergehend ausgesetzt und die Regularien wurden verschärft, Dopingtestes | |
eingeführt und zusätzliche Tierärzte eingestellt. Genutzt hat das | |
offensichtlich nicht viel. | |
Santa Anita gilt zwar mittlerweile in der Öffentlichkeit als ausgewiesener | |
Pferdefriedhof, aber anderswo sieht es auch nicht besser aus. Hunderte | |
Pferde sterben jedes Jahr in den USA, [1][Tausende sind es weltweit]. Der | |
mit Dopingmitteln, Antibiotika und Schmerzmitteln fit gemachte | |
Hochleistungssportler Pferd überschreitet auf der Rennstrecke regelmäßig | |
seine Leistungsgrenze. Die brutalen Kräfte, die auf die Knochen einwirken, | |
führen dann zu Brüchen, die nicht mehr auskurierbar sind. Allein in | |
Pennsylvania wurden seit 2010 mehr als 1.300 tote Galopper gezählt, mehr | |
als 3.000 sollen es in den vergangenen zwei Jahrzehnten in Kalifornien | |
gewesen sein. | |
## „Kein Platz für dieses Geschäft“ | |
Eine Schreckensbilanz, die aber erst in den vergangen Jahren zusehends ins | |
Bewusstsein der Öffentlichkeit rückt. Denn tatsächlich hat sich im | |
Pferderennsport gar nicht so viel verändert, tote Pferde gehörten dort | |
immer zum Alltag. Aber die Zeiten sind andere: Immer weniger Menschen | |
wollen dabei zusehen, immer weniger Sponsoren mit einem Sport assoziiert | |
werden, bei dem die Tiere regelmäßig zusammenbrechen und ins Jenseits | |
befördert werden müssen. | |
Folgerichtig nehmen die Proteste zu. Auch beim Breeders’ Cup | |
demonstrierten Tierschützer. Webseiten wie [2][„horseracingwrongs“] | |
dokumentieren jeden Tod auf US-amerikanischen Rennstrecken, die | |
Berichterstattung in den Medien wird kritischer, und Politiker sprechen | |
sich gegen den sogenannten Sport aus. | |
Eine Wortführerin ist Dianne Feinstein. Die demokratische Senatorin aus | |
Kalifornien hatte das Breeders’-Cup-Wochenende im Vorfeld zum „kritischen | |
Test“ für den Rennsport erklärt. Nach dem Tod von Mongolian Groom forderte | |
sie erneut eine bessere Behandlung der Pferde: „Angesichts immer weiterer | |
toter Rennpferde ist klar, dass sich noch nicht genug verändert hat. Wenn | |
die Pferderenn-Industrie nicht willig ist, diese prächtigen Kreaturen human | |
zu behandeln, ist kein Platz für dieses Geschäft in den USA.“ | |
Diese Haltung ist allerdings bigott. Nicht nur, weil die Politik die | |
Branche subventioniert. Ohne Steuererleichterungen und Gelder von Casinos, | |
die sich – das hat die Zeitung USA Today ausgerechnet – zu 6 Milliarden | |
US-Dollar jährlich summieren, könnte der Pferderennsport kaum überleben. | |
Eine weitere gern verdrängte Wahrheit: Die allermeisten Rennpferde tollen | |
nach ihrer Karriere nicht etwa auf einer romantischen Koppel im | |
Sonnenuntergang, sondern landen beim Schlachter. Selbst die Nationale | |
Vollblut-Rennvereinigung der USA gibt zu, dass jährlich 7.500 Rennpferde zu | |
Steaks, Hundefutter und Klebstoffen verarbeitet werden. Darunter auch | |
bekannte Namen wie Ferdinand, der 1986 das Kentucky-Derby, das | |
prestigeträchtigste Rennen der USA, gewonnen hatte, dann als Zuchthengst | |
nach Japan verkauft wurde und dort 2002 in einem Schlachthaus starb. Auch | |
die letzte Ruhestätte von Mongolian Groom dürfte eher eine Katzenfutterdose | |
als ein efeuumrankter Pferdefriedhof sein. | |
6 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Galoppsport-in-Leipzig/!5444771 | |
[2] https://horseracingwrongs.org/ | |
## AUTOREN | |
Thomas Winkler | |
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