# taz.de -- Die Wahrheit: Der König von Burladingen | |
> Das Familienunternehmen Trigema feierte sein 100-jähriges Bestehen. Was | |
> ist das Geheimnis des schwäbischen Unterhosengiganten? | |
Bild: Gibt dem Affen an seiner Seite gern Zucker: der bodenständige Trigema-Bo… | |
Die Sonne steht hoch über Burladingen, die Arbeit ruht. Hier in | |
Baden-Württemberg, am Rande der bekannten Welt, wo sich Fuchs und Affe gute | |
Nacht sagen, hat Wolfgang Grupp, Firmenoberhaupt, heute sämtliche | |
Mitarbeiter und Freunde des Hauses Trigema zur Jubiläumsfeier auf den | |
Betriebsparkplatz geladen – ein Partyprogramm der Extraklasse ist | |
angekündigt. Noch ist niemand erschienen. Denken wir zumindest, bis wir | |
bemerken, dass die Belegschaft – komplett im Trigema-Outfit gekleidet – | |
längst auf dem Gelände steht, sich optisch aber kaum vom Mausgrau des | |
Parkplatzbetons abhebt. | |
Grupp, mittlerweile 77 Jahre alt, leitet den Konzern noch immer selbst. In | |
einem geschmackvollen Anzug (Hugo Boss) begrüßt er uns am Tor und führt uns | |
ins Innere der Unternehmenszentrale. Im Flur präsentiert er seine | |
Bildergalerie, Fotos aus den vergangenen Jahrzehnten: Grupp beim Handschlag | |
mit Helmut Kohl; Udo Jürgens posiert im von Grupp produzierten Slip vor dem | |
Werkstor; und gleich daneben: ein signiertes Porträt von Markus Lanz, der | |
angeblich sogar unter der Dusche Trigema trägt. | |
Modische Farben, gewagte Schnitte, die neuesten Trends – all das sucht man | |
bei Trigema vergebens. Mit ihrem ästhetischen Konzept hat die Firma eine | |
Marktlücke gefunden und hält sie seither besetzt: Mode zum Übersehen. | |
Selbst das Militär sei einst auf Grupps Kollektionen neugierig geworden, da | |
der Wegseh-Effekt alles bisher an Tarntechnik mögliche übersteige. Neben | |
einem Trigema-Outfit wirkt man selbst im Kartoffelsack wie ein | |
exzentrischer Varieté-Vogel. | |
„Wie bleibt man so lange erfolgreich im Geschäft?“, fragen wir. „Wissen | |
Sie, eine Firma ist wie eine Familie“, sagt Grupp. „Man sieht sich täglich, | |
muss trotzdem miteinander auskommen und es darf keine Fummeleien | |
untereinander geben. Deswegen wird gearbeitet, gearbeitet und nochmals | |
gearbeitet“ Man lacht. | |
## Bodenständigkeit ist das A und O | |
Ob er denn nie Lust auf etwas Verrücktes gehabt habe, wollen wir wissen. | |
„Neein, nein“, sagt Grupp und winkt ab. Bodenständigkeit sei das A und O | |
für einen Unternehmer. „Wir machen einfach nur ganz normale Klamotten.“ | |
Disziplin, Fleiß und Normalität als Konzept – Mode für die schweigende | |
Mehrheit. Und das kommt an: Zu Grupps zufriedenen Kunden zählen | |
Scheidungsanwälte, Feldjäger, Männervereine, Waffenschieber, | |
Privatdetektive, der Bund der Steuerzahler und die Junge Union aus dem | |
benachbarten Trochtelfingen. | |
Auch Grupps Büroeinrichtung ist traditionell gehalten: Möbel aus | |
Eichenholz, ein Gummibaum im Eck und ausgestopfte Tiere an der Wand. Vom | |
Auerhahn bis hin zu einem Gewerkschafterkopf – „Alles selbst geschossen!“, | |
ergänzt er. | |
Großen Erfolg feierte Trigema mit den von einem Schimpansen moderierten | |
Werbeclips vor der „Tagesschau“. Das sei eben mal etwas ganz Neues gewesen, | |
auch weil der Trigema-Affe, der mit bürgerlichem Namen Lars Ludger | |
Vonnebrink hieß, und Grupp am Set beste Freunde geworden seien. Als der | |
pelzige TV-Star eingeschläfert werden musste, war Grupp zum ersten und | |
einzigen Mal in seinem Leben traurig, gesteht er. Doch er bereue nichts. | |
„Ich habe viel von ihm gelernt!“, sagt er, schält sich eine Banane und | |
schwingt sich artistisch auf einen Ohrensessel. | |
Mit einer Träne im Knopfloch erzählt Grupp von seinem größten Coup: Seit | |
Jahrzehnten beschwerten sich Tierschützer über den Schimpansen im | |
Werbespot. Eines Tages ließ er ihn heimlich durch eine animierte 3D-Version | |
ersetzen. „Und diese Affenschützer haben es nicht gemerkt und beschwerten | |
sich weiter und weiter – bis ich die Sache hab auffliegen lassen. Das war | |
gar keine echter Affe! Waren die blamiert!“, lacht sich Grupp ins | |
Fäustchen. | |
Durch die Fensterfront blicken wir auf den Parkplatz. Draußen hebt sich die | |
Stimmung. Grupp hat sich beim Programm nicht lumpen lassen. Auf der Bühne | |
gibt Freund Winfried Kretschmann gerade den Warm-Upper und liest Witze aus | |
dem Parteiprogramm vor – gleich mehrere Menschen applaudieren. Ein Murmeln | |
geht durch die Menge. In wenigen Sekunden soll der mysteriöse Headliner die | |
Bühne betreten. | |
## Die Menge tobt und uht | |
Trommeln kündigen den Überraschungs-Act an. Aus den Boxen tönt „Jungle | |
Drum“ – von Emiliana Torrini. Uh– uh – uh – kommt es aus den Mündern… | |
Mitarbeiterstabs. Uh – uh – uh! Die Menge tobt, hüpft und dreht sich im | |
Kreis. Plötzlich regt sich etwas im sonst so beherrschten Grupp: „Sie | |
entschuldigen mich“, sagt er und eilt nach draußen. | |
Wenige Augenblicke später sehen wir ihn auf der Bühne wieder. Uh – uh – u… | |
Gekonnt wirbelt der Selfmademonkey unter Affengejaule umher, rollt von | |
links nach rechts, klettert die Tribüne rauf und runter und reißt sich zum | |
Höhepunkt der Show das blütenweiße Smokinghemd vom Leib. Mit bloßen Fäusten | |
trommelt er auf seiner Brust. Erst unter den funkelnden Feuerwerksalven zum | |
Schlusstakt kommt er wieder zum Stillstand. Wahnsinn! | |
Hinter der Bühne treffen wir ihn wieder. Mit einem 500-Euro-Schein wischt | |
er sich den Schweiß von der Stirn, ehe er ihn zerknüllt und in die | |
Papiertonne wirft. „Danke für Ihren Besuch“, sagt er. „Sie sehen, wir si… | |
eben ein ganz normaler Familienbetrieb. Holen Sie sich doch bei meinen | |
Kindern drüben noch ein Wurstbrot für den Nachhauseweg ab.“ Dann | |
verabschieden wir uns auch schon wieder. | |
Erschöpft wirkt er, der große Patriarch. Wieder einmal hat er alles gegeben | |
für den Betrieb, sein Lebenswerk. Da nähert sich seine Frau Elisabeth, legt | |
ihrem Mann ein Trigema-Jacket um den nackten Oberkörper und im selben | |
Augenblick haben wir ihn auch schon aus den Augen verloren. | |
5 Nov 2019 | |
## AUTOREN | |
Fabian Lichter | |
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