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# taz.de -- Oppositionelles TV in Georgien: Zukunft ungewiss
> Der georgische Sender Rustavi 2 ist seit Jahren politisch umkämpft,
> kritische Berichterstattung wird erschwert. Nun gehen zahlreiche
> MitarbeiterInnen.
Bild: Protest für Rustavi 2 in Tbilissi im Juli
In Georgien herrscht aktuell großes Rätselraten: Was wird wohl aus
[1][Rustavi 2], dem größten kommerziellen und oppositionellen TV-Sender des
Landes? Mehrere Gerichtsverfahren hatte der Sender in der Vergangenheit
durchgemacht, mehrfach wechselte deshalb der Eigentümer. Nun befürchten
viele, dass eine der lautesten und kritischsten Stimmen gegenüber der
Staatsmacht bald ganz verstummen könnte.
In den vergangenen 25 Jahren stand Rustavi 2 im Zentrum politischer Kämpfe.
Viele sind bis heute davon überzeugt, dass gerade dieser Sender eine
Schlüsselrolle während der Rosenrevolution 2003 spielte. Nach massiven
Fälschungen der Parlamentswahl und Massenprotesten hatte der damalige
Staatspräsident Eduard Schewardnadse zurücktreten müssen. Die GeorgerInnen
witzelten seinerzeit darüber, dass eine Hälfte der Bevölkerung auf der
Straße war und die andere den Protesten auf Rustavi 2 folgte.
Schewardnadses Nachfolger, der prowestliche Staatschef [2][Michail
Saakaschwili], entzog Georgien dem Einfluss des Kreml und nahm
wirtschaftliche und politische Reformen in Angriff. Die Freiheit der Medien
hingegen hatte für ihn keine Priorität. Daher wurde Rustavi 2, wie andere
Kanäle auch, alsbald unter Kontrolle gestellt. Statt über Probleme im Land
zu sprechen, berichtete der Sender nun über die Erfolge der
Regierungspartei. Zudem musste der Besitzer, Kibar Chalwaschi seine Anteile
und seinen Posten bei Rustavi 2 aufgeben.
Nachdem der Millionär Bidzina Iwanischwili und seine Partei Georgischer
Traum 2012 an die Macht gekommen waren, kehrte Rustavi 2 zu seinem Ursprung
zurück – und wurde erneut zu einem führenden oppositionellen Kanal. Doch
recht bald wurde der Sender wieder auf Staatslinie gebracht, nachdem
deutlich wurde, dass eine kritische Berichterstattung auch dem Georgischen
Traum nicht passte.
## Medienlandschaft stark polarisiert
Am 18. Juli 2019 entschied Georgiens oberstes Gericht zugunsten des
ehemaligen Besitzers Chalwaschis, der den Sender erneut übernahm. Obwohl er
zuvor angekündigt hatte, sich nicht in die redaktionelle Politik einmischen
zu wollen, feuerte er sofort den Direktor von Rustavi 2, Nika Gwaramija.
Viele MitarbeiterInnen des Senders werteten das als klares Zeichen für
bevorstehende Veränderungen. Einige andere verließen Rustavi 2, wie Ruska
Giorgadse. „Ich bin gegangen, weil mir klar war, dass sich die
redaktionelle Politik des Senders ändern und ich dann nicht mehr über
gesellschaftliche Probleme würde berichten können“, sagt sie.
Doch auch diejenigen, die bei Rustavi 2 geblieben sind, haben dafür gute
Gründe. „Auch ich wollte gehen. Doch als ich den leeren Newsroom und das
Chaos dort sah, habe ich es mir anders überlegt. Den Sender gibt es seit 25
Jahren, die Menschen sitzen vor dem Bildschirm und warten auf die
Nachrichten. Hier zu arbeiten war immer mein Traum“, sagt die Redakteurin
Tamta Schitischwili.
Noch könne der Sender die Regierung kritisieren, aber niemand wisse, wie es
weitergehe. Schlimm sei jedoch, dass sowohl sie als auch ihre KollegInnen
als Verräter gebrandmarkt würden. Hinzu kommt: Innerhalb von drei Monaten
hat Rustavi 2 nun fast die Hälfte seiner ZuschauerInnen verloren.
Demgegenüber verzeichnet der Sender Mtawari Archi einen Zuwachs von sieben
Prozent.
Medien in Georgien stehen noch vor anderen Problemen. Laut Mark Berchendt
von der US-Organisation Freedom House sei die Medienlandschaft in der
Südkaukasusrepublik stark polarisiert, es fehle an Neutralität und
Objektivität. Das Problem sei, dass die Menschen Kritik in den Medien mit
Vertrauenswürdigkeit eben dieser Medien gleichsetzten, so Berchendt in
einem Interview mit Voice of America. Allein das halten einige Beobachter
bereits für einen Fortschritt. Vor allem dann, wenn die Alternative, wie in
anderen postsowjetischen Staaten, das Fehlen jeglichen anderen Denkens in
den Medien ist.
Aus dem Russischen Barbara Oertel
4 Nov 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Sandro Gvindadze
## TAGS
Georgien
Schwerpunkt Pressefreiheit
Georgien
Russland
Georgien
Bidzina Iwanischwili
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