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# taz.de -- Verbot von „Original Play“: Schluss mit der „Spielerei“
> Nach Missbrauchsvorwürfen hat Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) das
> Konzept „Original Play“ in Berliner Kitas verboten. CDU fordert
> Aufklärung.
Bild: Rumtoben ist und bleibt Kindersache
Mit den Missbrauchsvorwürfen im Zusammenhang mit dem Pädagogikkonzept
„Original Play“ befasst sich diesen Donnerstag das Abgeordnetenhaus. Die
Fraktionen von CDU und FDP fordern den rot-rot-grünen Senat in dringlichen
Anträgen auf, „kinderwohlgefährdende Spiele“ zu verbieten: Bei „Original
Play“ kuscheln und raufen Kinder und Erwachsene – kindlichen Tobespielen
nachempfunden – sehr körperbetont miteinander.
Das ARD-Magazin „Kontraste“ hatte vergangene Woche von einem angeblichen
Missbrauchsvorfall berichtet: In einer Kreuzberger Kita, die zur
evangelischen Landeskirche gehört, soll es im Rahmen dieses „Spiels“ zu
[1][sexueller Gewalt] zwischen einem Erwachsenen und einem Kind gekommen
sein. Einen ähnlichen Vorfall soll es in einer Hamburger Kita gegeben
haben.
Offenbar unter dem öffentlichen Druck wandte sich Jugendsenatorin Sandra
Scheeres (SPD) am Mittwochnachmittag mit einem Schreiben an die Kitas:
„Original Play“ sei mit dem Bundeskinderschutzgesetz nicht vereinbar, heißt
es darin. Deshalb sei die Methode „in Tageseinrichtungen für Kinder im Land
Berlin zu unterlassen“. Es sei „nicht auszuschließen, dass es bei der
Anwendung zu Grenzüberschreitungen bzw. Grenzverletzungen sowie zu
Gefährdungen des Kindeswohls kommt.“
„Das ist wirklich erschütternd, da wird ein geschützter Bereich zerstört�…
hatte sich CDU-Fraktionschef Burkard Dregger zuvor vor Journalisten empört.
Er hat eine persönliche Verbindung zu dem Kreuzberger Fall: Schon im Mai
2018 hätten sich die Eltern des Kindes an ihn als damaligen
innenpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion gewandt. Sie hatten zuvor
Strafanzeige erstattet, aber das Gefühl gehabt, „es gehe nicht voran“.
Dregger will daraufhin beim Landeskriminalamt darauf gedrängt haben, die
Sache weiterzuverfolgen. Stattdessen aber stellte die Staatsanwaltschaft
die Ermittlungen ein – laut Dregger, ohne mit den Eltern, dem Kind oder der
Kitaleitung gesprochen zu haben. Die Staatsanwaltschaft äußerte sich auf
taz-Nachfrage am Mittwoch nicht dazu, warum man die Verdachtsfälle
strafrechtlich nicht weiterverfolgt habe.
## Seminare für „Kuschelraufen“
Nach Dreggers Darstellung bot die Kita Seminare für Erwachsene für das
„Kuschelraufen“ an und ließ dabei engen Körperkontakt zwischen den ihr
anvertrauten Kindern und diesen Erwachsenen zu.
„Wir müssen unbedingt ausschließen, dass das eine [2][Einladung zur
Pädophilie] ist“, sagte Dregger. „Wenn Kinder gegen Geldzahlung zur
Verfügung gestellt werden, dann ist das für mich Kinderhandel.“ Später
korrigierte die Pressestelle der CDU-Fraktion per Mail: gemeint sei
Kindesmissbrauch, nicht Kinderhandel.
Die Evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
schreibt in einer öffentlichen Erklärung zu den angeblichen Vorfällen, der
Evangelische Kirchenkreisverband für Kindertageseinrichtungen Berlin
Mitte-Nord habe die Kita erst im Januar 2017 übernommen. Allerdings war die
Kita nach taz-Informationen auch zuvor schon in evangelischer Trägerschaft;
damals war die örtliche Kirchengemeinde zuständig. Diese hatte „Original
Play“ 2014 in ihr pädagogisches Konzept aufgenommen – die Eltern seien nach
Kirchenangaben dabei umfassend beteiligt gewesen. 2016 und 2017 habe es
zwei „Veranstaltungen mit Gästen“ gegeben, offenbar die von Dregger
kritisierten.
Fest steht: Ab Mai 2018 hatte der Kirchenkreisverband als Kitaträger
entschieden, das Spiel nicht mehr zuzulassen. Man habe außerdem die
verantwortlichen ErzieherInnen vom Dienst suspendiert und „vollumfänglich
mit Polizei und Staatsanwaltschaft zusammengearbeitet“, wie eine
Kirchensprecherin am Mittwoch sagte.
## Kreuzberger Kita ein Einzelfall
Momentan werde die Methode auch in keiner Kita dieses Trägers mehr
angewandt. Seitens der Kirche heißt es auf taz-Anfrage, alle evangelischen
Kitas in Berlin und Brandenburg – insgesamt 180 Träger mit 460
evangelischen Kitas – seien angeschrieben worden: „Die bisherigen
Rückmeldungen zeigen, dass keine Kita Original Play anbietet und dies auch
nicht vorhatte.“
Auch aus der Bildungsverwaltung heißt es: „Es ist uns derzeit keine Kita
bekannt, die das Konzept anwendet.“ Allerdings werden die Kitas in dem am
Mittwoch versandten Rundschreiben explizit aufgefordert, die Kitaaufsicht
„unverzüglich in Kenntnis zu setzen“, wenn Original Play in der
Vergangenheit angewandt wurde.
In dem Fall der Kreuzberger Kita sei die Kitaaufsicht nach Bekanntwerden
der Fälle 2018 tätig geworden: Es habe mehrere Elternversammlungen gegeben,
und nach der Sommerschließzeit habe die Kita mit einem neuen Team
gearbeitet. Seither habe es auch keine Beschwerden von Eltern gegeben, sagt
eine Sprecherin der Bildungsverwaltung.
Doch auch wenn der Missbrauchsverdacht in der Kreuzberger Kita ein
Einzelfall sein sollte und die Methode Original Play nun ohnehin nicht mehr
erlaubt ist: Die Frage bleibt, [3][wie transparent und nachdrücklich
solchen Verdachtsfällen] tatsächlich nachgegangen wird.
Der CDU ist es mit einem Verbot der Original-Play-Methode deshalb auch
nicht getan. In einer parlamentarischen Anfrage mit 19 Fragen fordern die
Abgeordneten Dregger und Stefan Evers von der Bildungsverwaltung Aufklärung
grundsätzlicher Natur – etwa zu der Frage, wer wann bei solchen
Verdachtsfällen Bescheid weiß. Dann klärt sich vielleicht auch die Frage,
warum die Kitaaufsicht erst 2018 tätig wurde – nachdem die Eltern offenbar
beim Träger lange auf Granit gebissen hatten.
30 Oct 2019
## LINKS
[1] /Sexuelle-Gewalt-in-der-Kirche/!5599187&s=kita+missbrauch/
[2] /Finanzierung-von-Paedophilie-Praevention/!5632809&s=p%C3%A4dophilie/
[3] /Misshandlungsvorwuerfe-an-Berliner-Kita/!5411491&s=kita-aufsicht/
## AUTOREN
Anna Klöpper
Stefan Alberti
## TAGS
sexueller Missbrauch
Sandra Scheeres
Kita
R2G Berlin
Gewalt in der Schule
EKD
Sexuelle Übergriffe
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