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# taz.de -- Recherchebuch „Football Leaks II“: Jerry Cotton jagt Fußballb�…
> Die „Football Leaks II“ bieten Stoff für einen guten Roman. Erschienen
> ist allerdings ein Buch geschrieben wie ein schlechter Krimi.
Bild: Im Blickpunkt der Football-Leaks-Recherchen: Portugals Nationalspieler Cr…
„Ehrlich, ich scheiß mir ganz schön in die Hose.“ Der erste Satz dieser
Kolumne ist geklaut. Er stammt aus einem schlechten Krimi. Geschrieben
haben ihn Rafael Buschmann und Michael Wulzinger. [1][„Football Leaks II“]
heißt das Werk der zwei Sportredakteure des Nachrichtenmagazins Der
Spiegel. Die beiden bedienen ein neues Genre im Literaturbetrieb, die
Groschenrecherche. Darin berichten die Reporter, wie sie mit ihren
Informanten zusammentreffen, was sie dabei rauchen und trinken, wie
schlecht die Straßen gepflastert sind, über die sie mit ihren klapprigen
Leihwagen fahren, und vor allem wie toll sie sich selbst fühlen.
Diese Jerry-Cotton-Journalisten sind ja wirklich Aufklärer. Als solchen
gebührt ihnen jeder Respekt, solange stimmt, was sie berichten, und solange
das, was sie berichten, von Relevanz für die Gesellschaft ist. Die
Geschichte, wie Der Spiegel an die Informationen gekommen ist, die belegen
sollen, wie Cristiano Ronaldo in Las Vegas ein Frau vergewaltigt hat, war
schon im Magazin zu lesen.
Jetzt bekommt man die Geschichte geliefert, wie die Reporter an die
Informationen gekommen sind, wie ihr Kontaktmann tickt, von dem man weiß,
dass er Rui Pinto heißt, der aber dennoch John genannt wird, weil er so
genannt wurde, als die Reporter noch nicht wussten, wie er heißt, und
wahrscheinlich auch deshalb, weil der Name John ganz gut passt zu dieser
Groschenromansprache.
Da stehen so Sätze wie: „Immerhin springt die Karre an“, oder: „Teilweise
sind die Schlaglöcher hier so tief wie ein Baggersee.“ Auch die Dialoge
haben Pulp-Fiction-Potenzial. Da fragt John: „Magst du ein Schnitzel?“, und
der Reporter antwortet: „Ich habe so einen Mörderhunger, ich könnte ein
ganzes Schwein verdrücken.“ Oh weh! Eigentlich handelt es sich bei
„Football Leaks II“ um ein Sachbuch, aber ob dieser Dialog so stattgefunden
hat, man weiß es nicht.
## Sprachliche Anbiederung
Im Vorwort schreiben die Autoren, dass die Gespräche mit John weder
aufgezeichnet noch protokolliert worden sind. „Wir haben sie nach bestem
Wissen und Gewissen rekonstruiert“, heißt es da. Beim Rekonstruieren
herausgekommen ist ein Buch geschrieben wie ein schlechter Krimi.
Dabei liefern die „Football Leaks II“ [2][jede Menge Stoff für einen guten
Roman]. Weil sich die Autoren aber als Anwälte der Fans verstehen, die sie
beim Ausverkauf des Fußballs durch skrupellose Geschäftemacher als wehrlose
Opfer sehen, haben sie zu einer arg billigen Sprache gegriffen. Diese
sprachliche Anbiederung an die vermeintlich einfachen Leute in der Kurve
tut bisweilen richtig weh. Wenn ein Geheimdienstmann allen Ernstes als
„Schlapphut“ bezeichnet wird, möchte man das Buch am liebsten zur Seite
legen und zu guter Lektüre greifen.
Solche soll es ja auch geben. Es gibt sogar herausragende Fußballromane.
Der jüngst erschienene Erstling von Tino Schachinger mit dem Titel „Nicht
wie ihr“ gehört dazu. Darin wird ein Jahr im Leben des österreichischen
Fußballstars Ivo Trifunovic geschildert. Der verzweifelt beinahe daran,
dass er sich in eine Jugendliebe verknallt, diese auch „pudert“, obwohl er
doch eigentlich ein glücklicher Familienvater ist. Er ist mehr und mehr
ausgebrannt und da hilft es auch nichts, dass ihm sein Klub jede Woche
100.000 Euro zahlt.
Und weil seine Wurzeln im ehemaligen Jugoslawien liegen, macht er sich auch
über seine Identität so seine Gedanken, stellt fest, dass ihm auch wegen
seiner Herkunft eine gewisse Schönheit zu eigen ist, die vor allem den
Deutschen fehlt. Die sind „schiach“. Was ein Fußballer halt so denkt, wenn
er Zeit dafür hat, was sehr oft der Fall ist. Wenn am Ende des Romans der
völlig frustrierte Trifunovic vom Platz fliegt, glaubt man zu wissen, wie
ein Fußballer tickt, auch wenn man weiß, dass sich Schachinger das alles
nur ausgedacht hat. Fiktive Football Leaks. Urgut geschrieben.
10 Oct 2019
## LINKS
[1] https://www.spiegel.de/plus/football-leaks-wie-man-fussballfunktionaere-kau…
[2] /Enthuellungsblog-Football-Leaks/!5273528
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
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Football Leaks
Cristiano Ronaldo
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Cristiano Ronaldo
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