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# taz.de -- Bundesparteitag in Graz: FPÖ verarbeitet Ibiza-Trauma
> Mit 98 Prozent der Stimmen wird Norbert Hofer neuer Vorsitzender der FPÖ.
> Er lobt Ungarns Premier und wirbt für eine schärfere Asylpolitik.
Bild: An den abwesenden Heinz-Christian Strache richtete Hofer unterstützende …
Graz taz | Stärkste Partei werden. Das ist das erklärte Ziel des neuen
FPÖ-Vorsitzenden Norbert Hofer. Beim 33. Bundesparteitag, der am Samstag in
der Grazer Stadthalle über die Bühne ging, warb er aber zunächst für die
Fortsetzung der Koalition als Juniorpartner der ÖVP von [1][Sebastian
Kurz]. Hofer amtierte als designierter Parteiobmann seit Heinz-Christian
Strache im Mai nach dem berüchtigten [2][Ibiza-Video] zurücktreten musste.
In den Umfragen ist die Partei seither von 26 auf rund um die 20 Prozent
abgestürzt. Eine gemeinsame Mehrheit mit der ÖVP sollte sich aber ausgehen.
Strache selbst, der auf dem Video einer falschen russischen Oligarchin für
verdeckte Parteispenden fette Staatsaufträge in Aussicht gestellt hatte,
blieb dem Parteitag fern. Hofer versäumte es aber nicht, ihn zu grüßen:
„Ich weiß um Deinen persönlichen Einsatz, ich weiß, wie schwer diese
Stunden für Dich waren. Ich bitte um einen Applaus.“ Den Inhalt des
verdeckt aufgezeichneten Videos relativierte er in bewährter Weise: „HC
Strache ist eine böse Falle gestellt worden, von Kriminellen, von Gaunern.
Es ist uns gelungen, die Partei wieder auf die richtige Schiene zu setzen.“
Hinter der Rednertribüne prangte der zentrale Slogan, mit dem die FPÖ in
die Wahlen vom 29. September zieht: „Fair.Sozial.Heimattreu. Wir sind
bereit“.
Mit 98,25 Prozent der 801 Delegiertenstimmen erhielt Hofer das starke
Mandat, das er sich wünschte, um die durch zahlreiche Skandale gebeutelte
Partei zu alter Stärke zurück zu führen. In seiner Rede, bei der er auf das
mitgebrachte Manuskript verzichtete, wurde Hofer nicht müde, die Erfolge
seiner Partei in der gescheiterten Regierung zu preisen. Allem voran die
Bekämpfung des politischen Islam durch eine schärfere Asylpolitik und
konsequente Abschiebungen.
Wie weit es schon gekommen sei in Österreich beweise die Tatsache, dass in
Wien der drittbeliebteste Name bereits Muhammed sei. Für das Versprechen
„Der Islam wird niemals Teil unserer Geschichte und Kultur sein“ setzte es
Szenenapplaus.
## Die Schenkelklopfer überließ er Kickl
Die zahllosen „Einzelfälle“ in seiner Partei, nämlich Funktionäre, die
NS-Nostalgie pflegen oder durch menschenverachtende Fremdenfeindlichkeit
auffallen, verharmloste Hofer durch Hinweise auf Ausrutscher bei ÖVP und
SPÖ. Dennoch sicherte er sich durch eine Reform des Parteistatuts das
Recht, Parteimitglieder und nicht nur wie bisher Vorstandsmitglieder, aus
der FPÖ auszuschließen.
Politisches Vorbild für Norbert Hofer ist Ungarns Premier Viktor Orbán, dem
er freundschaftlich verbunden sei und den er vor wenigen Tagen in Budapest
besucht hatte. „Dieses Land entwickelt sich ganz anders“, lobte er [3][die
Zustände im zunehmend autoritär regierten Ungarn], wo die Regierung die
Medien weitgehend kontrolliert. Orbán habe ihm auch „einen Weg aufgezeigt,
der vielleicht funktionieren könnte“. Worin der besteht, blieb sein
Geheimnis.
Hofer ist das freundliche Gesicht der FPÖ und hätte damit vor drei Jahren
um ein Haar die Bundespräsidentenwahlen gewonnen. Immer wieder kommt er auf
diese 2,2 Millionen Stimmen zurück, die er in der Stichwahl gegen Alexander
Van der Bellen einsammeln konnte. Das solle das künftige Wahlziel seiner
Partei sein.
Auf deftige Bonmots und Schenkelklopfer, die Herbert Kickl seinen
Vorgängern Strache und Jörg Haider verlässlich in die Reden geschrieben
hatte, verzichtete Hofer. Das überließ er Kickl selbst, der
stellvertretender Parteivorsitzender bleibt. Kickl hatte als Innenminister
das Ziel „Null Asyl“ ausgegeben. Den Zorn des Koalitionspartners zog er
sich zu, als er die „schwarzen Seilschaften“ im Ministerium attackierte und
durch eigene Vertrauensleute zu ersetzen begann.
Kickl trat zunächst den Gerüchten eines Machtkampfes zwischen dem
angepassten Norbert Hofer und seiner eigenen aggressiven Linie entgegen:
„Wir sind ein patriotisches Doppelpack“, stellte er zu Hofer gewandt klar:
„die, die du nicht niederclinchst, kriegen von mir einen rechten Haken“. Er
warnte in gewohnt angriffiger Art vor der von der SPÖ geforderten
Erbschaftsstreuer, „dass die Finanz noch ins Totenhemd greift“.
## Sebastian Kurz, ein „Weichspüler“
Aber auch der gewünschte Koalitionspartner ÖVP bekam sein Fett ab, weil
Sebastian Kurz auch schon Signale an Grüne und Neos ausgesandt und Kickl
als künftigen Minister seiner Regierung ausgeschlossen hat. Kurz sei ein
„türkiser Weichspüler“ und man wisse ja, dass man mit Weichspüler keine
Flecken entfernen könne. „Wir werden keine Außenstelle des Sebastian
Kurz-Anbetungsvereins werden“, versprach er dem johlenden Publikum.
Medienvertreter, die auf dem Parteitag einen Showdown zwischen Hofer und
Kickl erwartet hatten, wurden enttäuscht. Die FPÖ hat offensichtlich aus
dem Desaster von Knittelfeld gelernt. Dort hatte sich 2002 die damals von
Jörg Haider geführte FPÖ in einen Regierungsflügel und eine Rebellengruppe
gespalten. Bei den darauf folgenden Neuwahlen stürzte die Partei von 27 auf
zehn Prozent ab.
„Wir waren auf dem Weg, die stärkste Partei in Österreich zu werden. Und
sind an uns selbst gescheitert“, gab sich Norbert Hofer in Anspielung auf
Ibiza selbstkritisch. Aber: „Niemals mehr werden wir an uns selbst
scheitern, dafür bin ich da, und das ist unser Ziel und unsere Aufgabe“.
14 Sep 2019
## LINKS
[1] /Wahlkampf-in-Oesterreich/!5623093
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## AUTOREN
Ralf Leonhard
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