| # taz.de -- Thomas Fischer verklagt Journalistin: Prozess um „Schlamperei“ | |
| > Wo beginnt eine Tatsachenbehauptung? Ex-BGH-Richter Thomas Fischer klagt | |
| > gegen eine Journalistin wegen Äußerungen zu §219a. | |
| Bild: Fischer im Recht? Im Prozess gegen die Journalistin Mayr geht es um vier … | |
| Karlsruhe taz | Der Konflikt begann im Jahr 2018. Deutschland diskutierte | |
| über [1][§ 219a Strafgesetzbuch (StGB)], der „Werbung für den Abbruch der | |
| Schwangerschaft“ mit Strafe bedroht. Betroffen sind auch ÄrztInnen wie | |
| Kristina Hänel, die im Internet sachlich auf ihr eigenes Angebot hinweisen. | |
| Die Journalistin Gaby Mayr stellte im Frühjahr 2018 in zwei Beiträgen im | |
| Deutschlandfunk und in der taz die These auf, dass für diese Verurteilungen | |
| der StGB-Kommentar von Thomas Fischer mitverantwortlich sei. Als | |
| „Kommentar“ wird in der Rechtswissenschaft ein Erläuterungsbuch zu einem | |
| Gesetz genannt. Das Werk von Fischer ist der am meisten zitierte Kommentar | |
| zum Strafrecht. Fischer ist auch als Kolumnist bekannt, derzeit bei Spiegel | |
| Online. | |
| Mayrs Vorwurf: Mindestens zwei Gerichte hätten in ihren Urteilen einen Satz | |
| aus dem Kommentar Fischers abgeschrieben und für die Begründung verwendet: | |
| Paragraf 219 a solle verhindern, „dass die Abtreibung in der Öffentlichkeit | |
| als etwas Normales dargestellt und kommerzialisiert wird“. Genau so habe es | |
| schon Fischers Vorgänger Herbert Tröndle formuliert, ein fanatischer | |
| „Lebensschützer“, der gegen jede Liberalisierung der Rechtslage beim | |
| Schwangerschaftsabbruch gekämpft habe. Dessen Kommentierung lebe bei | |
| Fischer fort, so Mayr. | |
| Fischer reagierte einige Wochen später [2][mit einem polemischen Beitrag im | |
| Branchenportal Meedia]. Im Kern stellte Fischer dabei klar, dass das Zitat | |
| lediglich die Begründung des Gesetzgebers aus dem Jahr 1974 wiedergab. Im | |
| Kommentar sei die Quelle auch angegeben worden. | |
| ## Der Streit spitzt sich zu | |
| Die Journalistin antwortete eine Woche später, ähnlich polemisch, auf | |
| Meedia. Dabei erklärte sie es für „irrelevant“, dass Fischer nur die | |
| Gesetzesbegründung zitiert hatte und erhebt einen neuen Vorwurf: Fischer | |
| habe die Gesetzesbegründung selektiv zitiert und einen ebenso wichtigen | |
| Satz weggelassen: „Andererseits muß die Unterrichtung der Öffentlichkeit | |
| (durch Behörden, Ärzte, Beraterstellen) darüber, wo zulässige | |
| Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, möglich sein.“ Das Weglassen | |
| dieses Satzes sei, so Mayr, „grobe handwerkliche Schlamperei“. | |
| Das wollte Thomas Fischer, bis 2017 Vorsitzender Richter am 2. | |
| BGH-Strafsenat, nicht auf sich sitzen lassen. Er mahnte Mayr ab, ohne | |
| Erfolg, und verklagte sie dann zivilrechtlich beim Landgericht Karlsruhe | |
| auf Unterlassung, Widerruf und Schadensersatz. | |
| Konkret geht es um vier Aussagen von Mayr. 1. Die Kommentierung von Tröndle | |
| lebe in der Kommentierung von Fischer weiter. 2. Der Strafrechtskommentar | |
| von Fischer sei „schlecht für die Rechtsprechung“. 3. An der Kommentierung | |
| zu § 219a habe Fischer nichts geändert, außer der Rechtschreibung. 4. Der | |
| Kommentar zu § 219a beruhe auf „grober handwerklicher Schlamperei“. | |
| Fischer war am Dienstag selbst ins Landgericht gekommen und erläuterte, | |
| dass er mit Tröndle nur die 49. Auflage gemeinsam (aber arbeitsteilig) | |
| verantwortet habe. Ab der 50. Auflage habe er dessen sehr konservative | |
| Ansichten zum Abtreibungsrecht aus dem Kommentar gestrichen. Auch den | |
| angeblich unterschlagenen Satz habe er in der Kommentierung zu § 219a | |
| durchaus zitiert, allerdings erst einige Absätze später. | |
| ## Werturteil oder Tatsachenbehauptung? | |
| Das Landgericht hatte sich noch viele Wertungen offen gehalten, eine | |
| Tendenz wurde aber deutlich: Die Behauptung, dass die Kommentierung | |
| Tröndles bei Fischer weiterlebe, könnte die Kammer als „unwahre | |
| Tatsachenbehauptung“ einstufen. Denn im Kontext der Beiträge Mayrs werde | |
| Tröndle nicht mit Aussagen zu § 219a zitiert, sondern allgemein zum | |
| Abtreibungsrecht. Hier aber habe Fischer einen klaren Schnitt zu Tröndle | |
| gezogen. | |
| Gaby Mayr wurde vom renommierten Medienrechtler Gernot Lehr vertreten. Lehr | |
| argumentierte, alle beanstandeten Formulierungen Mayrs seien Werturteile | |
| und keine Tatsachenäußerungen. Fischer könne deshalb keine Unterlassung | |
| verlangen. Wenn der Kommentar als „schlecht für die Rechtsprechung“ | |
| bezeichnet werde, dann sei das eine „Meinungsäußerung par excellence“. Le… | |
| warnte das Gericht: „Wenn Sie den Vorwurf ‚handwerklicher Schlamperei‘ als | |
| Tatsachen-Äußerung einstufen, bekommen Sie einen Run von | |
| Betroffenen-Anwälten auf Ihr Gericht“. | |
| Das Landgericht Karlsruhe wird sein Urteil am 27. September verkünden. | |
| 10 Sep 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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