# taz.de -- Ex-Bewerberin auf SPD-Vorsitz: Lange wollte sie | |
> Zweimal hat sich die Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange als | |
> Chefin der Bundes-SPD beworben. Jetzt zog sie zurück – um glaubwürdig zu | |
> bleiben. | |
Bild: Hat aufgegeben, obwohl das Rennen offener ist als beim ersten Versuch: Si… | |
FLENSBURG taz | Simone Lange hat ein Lachen, das größer ist als sie selbst. | |
Sie lacht auch über sich selbst, zum Beispiel über ihre „Macke mit den | |
Haaren“. Nur wenn es um die SPD geht, wird sie ernst. Zweimal ist sie | |
angetreten, um Vorsitzende der ältesten Partei Deutschlands zu werden. 2018 | |
verlor sie gegen Andrea Nahles. Jetzt, da das Rennen viel offener ist, | |
[1][hat sie freiwillig zurückgezogen.] Doch Flensburgs Oberbürgermeisterin | |
will sich weiter einmischen. Denn in ihrer Partei müsse sich vieles ändern. | |
Das Flensburger Rathaus ist ein hässlicher, eckiger Zweckbau, aber der | |
Blick aus Simone Langes Büro im zehnten Stock reicht weit. Als | |
Oberbürgermeisterin muss sie sich mit Straßenbau und interkommunaler | |
Zusammenarbeit befassen, mit der Zukunft des Hafens und den sozialen | |
Fragen, die in der Stadt mit ihren rund 95.000 EinwohnerInnen eine Rolle | |
spielen. | |
„Es macht mir richtig Spaß“, sagt Lange. Ja, sie gucke „gern politisch a… | |
ganz Deutschland“, aber im Rathaus „kann ich Dinge direkter lösen, man | |
sieht die Erfolge“. Und es sei ein gutes Gefühl, dass „die Leute mich gern | |
hier halten wollten“. | |
Dabei ist sie keine Norddeutsche, sondern wurde 1976 in Rudolstadt geboren. | |
Nach fast einem Vierteljahrhundert in Schleswig-Holstein nennt sie sich | |
eine „halbe Thüringerin“. 1995 kam sie nach Kiel-Altenholz, wo sie | |
Verwaltungswirtschaft studierte, Fachbereich Polizei. Seit 1999 arbeitete | |
sie als Kripobeamtin in Flensburg, absolvierte ein berufsbegleitendes | |
Management-Studium, engagierte sich in der Kommunalpolitik, heiratete, | |
bekam zwei Kinder, die heute zwölf und zehn Jahre alt sind. | |
## Streiterin für die Polizei | |
2012 wurde Lange in den Landtag gewählt. Optisch fiel sie auf, weil sie | |
ihre Frisuren und Haarfarbe fast im Wochentempo wechselte. Die „Macke“ habe | |
sie noch, gesteht sie, folgt ihr aber seltener: „Ich kriege Mecker von | |
meinem Team, weil die das Foto auf der Rathaus-Homepage wechseln müssen.“ | |
Vor allem machte Lange sich einen Namen als Streiterin für die Polizei, für | |
die sie mehr Ausrüstung und Kontrollmöglichkeiten forderte. Standing, | |
Haltung, Glaubwürdigkeit: Das ist ihr auch in anderen Fragen wichtig, bei | |
der sozialen Gerechtigkeit etwa und im Umgang mit Geflüchteten. | |
Der Herbst 2015, die Hochzeit des Zustroms von Schutzsuchenden, bedeutet | |
für Lange ein Ereignis, „so bedeutsam wie die Wiedervereinigung“. Auf dem | |
Weg nach Skandinavien zogen rund 80.000 Menschen durch Flensburg, Tausende | |
strandeten. Der Bahnhof der Grenzstadt entwickelte sich zu einem Zentrum | |
der Flüchtlingshilfe, einem Symbol für ein weltoffenes, hilfsbereites | |
Deutschland. | |
Simone Lange war mittendrin. „Es gab einen Vorlauf“, sagt sie. Bereits im | |
Dezember 2014 hatte Lange das Bündnis „Flensburg ist bunt“ initiiert, als | |
Reaktion auf die ersten „Pegida“-Aufmärsche in Dresden, die die „halbe | |
Thüringerin“ genau im Auge hatte. „Es gab Gerüchte, dass sich in Flensburg | |
eine Flegida bilden wollte.“ Zur Gegendemo kamen Tausende, und als ein | |
halbes Jahr später die Geflüchteten ankamen, stand das Bündnis bereit. | |
„Flegida hat sich nie gegründet, bis heute haben wir kein AfD-Büro in der | |
Stadt.“ | |
Politisch wirken ohne Hierarchien, ohne Parteibuch und ohne „Das haben wir | |
immer schon so gemacht“ – Simone Lange hält viel von solchen Formen und | |
zeigte das, als sie sich Sahra Wagenknechts „Aufstehen“-Bewegung anschloss. | |
„Aufstehen“ blieb auf dem Startblock sitzen, aber habe dennoch Erfolg | |
gehabt: „Wir reden endlich über Rot-Rot-Grün.“ | |
## Größere Antworten | |
Denn Lange ist zwar keine Anhängerin der Großen Koalition, aber „ich will | |
nicht in die Opposition, sondern in anderer Konstellation regieren“. Wenn | |
es um die SPD geht, formuliert Lange sorgfältige Sätze, und ihre Hand | |
klopft auf die Tischplatte. Ja, die SPD habe gute Ansätze in Sachthemen, | |
aber „die Antworten sind zu klein“. Darauf zu pochen, was die Partei | |
umgesetzt habe, „hilft nicht, wenn die Menschen es nicht gut finden“. | |
Glaubwürdigkeit ist ihr zentrales Stichwort, auch innerparteilich: „Wir | |
wundern uns, wenn die SPD im Osten schwach ist, dabei sitzen bei den | |
Parteitagen mehr Delegierte aus NRW als aus allen Ost-Ländern.“ Das würde | |
sie ändern. | |
Warum also hat sie ihre Kandidatur zurückgezogen? Die Frage stellen viele, | |
auch per Twitter oder Facebook: „War das Ganze je ernst gemeint?“, schreibt | |
jemand. | |
Lange hebt die Schultern. Ja, sie wisse, dass sie Erwartungen enttäuscht | |
hat. Aber ihr Rückzug sei ein Signal gewesen, die linken Kräfte zu bündeln. | |
„Wäre Norbert Walter-Borjans früher angetreten, hätte ich mich nicht | |
beworben.“ Er ist für Lange ein „Sozialdemokrat in Wort und Tat“. Und | |
anders als sie, die in eine Verwaltung leitet, „kann er seine Zeit voll der | |
Partei widmen“. Es gehe nicht um sie, sondern um Glaubwürdigkeit. | |
Dass nicht jedeR der BewerberInnen für sie diese Glaubwürdigkeit | |
ausstrahlt, daraus macht sie kein Geheimnis: „Wer jahrelang dem Vorstand | |
angehört hat, steht nicht für Aufbruch.“ Gemeint ist Olaf Scholz, aber auch | |
Ralf Stegner, lange Jahre Landesparteivorsitzender. Von ihm kam keine | |
Hilfe, als sie gegen Nahles antrat. Das nehme sie ihm nicht übel. „Aber | |
dass er während seiner Amtszeit nicht geschafft hatte, die SPD | |
Schleswig-Holstein zu modernisieren.“ | |
Ohne den Bewerbungsstress um den Vorsitz hat Lange mehr Zeit für ihre | |
Kinder. Und ihre Idee wird sie auch ohne Spitzenamt äußern. Die Partei | |
berate, mehr Leute der kommunalpolitischen Ebene in den Bundesvorstand zu | |
bringen – „vielleicht bin ich dabei“. | |
24 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] /SPD-sucht-neue-Parteivorsitzende/!5621037 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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