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# taz.de -- Polizeigewalt in Argentinien: Härte gegen Händler aus Senegal
> In Argentinien werden Straßenhändler aus dem Senegal häufig zu Opfern von
> Polizeigewalt. Aber sie wissen sich zu wehren.
Bild: Hoffen auf einen würdevolleren Ort für ihre Arbeit: Straßenhändler in…
BUENOS AIRES taz | Jawara lässt seine T-Shirts im schwarzen Plastiksack.
Aufmerksam beobachtet er die patrouillierenden PolizistInnen auf der
anderen Straßenseite. Jawara (Name geändert, die Red.) ist einer von rund
14.000 ambulanten HändlerInnen im Großraum von Buenos Aires.
Er ist wortkarg. Wenn er spricht, dann in Wolof, seiner Muttersprache. Ein
paar Brocken Spanisch kann er inzwischen. Für die Polizei ist der
Senegalese ein mantero, ein illegaler Straßenverkäufer. Mantero ist
abgeleitet von manta, der Decke, auf der der 28-Jährige auf dem Gehweg
seine Waren ausbreitet und die er schnell zusammenraffen und in den
Plastiksack stopfen kann.
Im Stadtteil Flores im Südwesten von Buenos Aires reihen sich Groß- und
Einzelhandelsgeschäfte aneinander, ergänzt durch das Angebot vieler
Straßenhändler. Verkauft werden vor allem Bekleidung und Schuhe in allen
Preisklassen. Entsprechend groß sind Kundenandrang und Nachfrage.
Seit Jahren gehen Behörden, Polizei und Justiz immer härter gegen den
ambulanten Straßenhandel vor. Einen Dialog mit der Stadtregierung gibt es
nicht. 2012 organisierten sich die StraßenhändlerInnen als „Vendedores
Libres“ (freie Verkäufer). Die alternative Gewerkschaft des informellen
Sektors zählt heute 1.200 Mitglieder. Einmal pro Woche ist Versammlung.
„Und wenn nötig, machen wir spontan eine Versammlung auf der Straße“, sagt
Generalsekretär Omar Guaraz. Immer wieder geht es um die kurzzeitigen
Festnahmen und die Verfahren, die die Justiz einleitet, um mit einer
Abschiebung zu drohen.
Seit zehn Jahre ist Guaraz Straßenhändler. „Jawara und ich, wir teilen uns
diesen Hauseingang“, schmunzelt er. „Die Stadtregierung bietet alles auf,
um den Straßenhandel auszumerzen, sie vertreibt, verhaftet, beschlagnahmt“,
sagt Guaraz. Im April 2018 wurden 28 Senegalesen, vier Peruaner und zwei
Argentinier bei einem riesigen Polizeieinsatz geschlagen, gefesselt und
festgenommen. Auf dem Kommissariat wurden sie in Handschellen für Stunden
ohne Wasser, Essen oder Zugang zu Toiletten eingesperrt, erzählt Guaraz.
## 5.000 SenegalesInnen
Das [1][Handy-Video] ist verwackelt. Es zeigt, wie eine Menschenmenge die
Festnahme eines Afrikaners durch die Polizei verhindert. Am Ende brandet
Applaus auf. Der Vorfall ereignete sich am 7. August in der Stadt La Plata,
65 Kilometer von Buenos Aires entfernt. „Solche Szenen erleben wir fast
täglich“, sagt Omar Guaraz. Die wenigsten enden so wie die in La Plata.
Meist blieben Blutlachen auf den Gehwegen zurück. Angst zu verbreiten sei
die Taktik von Polizei und Behörden, besonders unter den senegalesischen
Händlern „Das ist nicht einfach nur blanker Rassismus. Die Senegalesen
haben keine Angst. Das wollen sie brechen“, sagt er.
Rund 5.000 SenegalesInnen leben in Argentinien. Ihre Asylanträge werden in
der Regel abgelehnt. Das Verfahren kann sich jedoch über viele Jahre
hinziehen. Ihr Aufenthaltsstatus in dieser Zeit schließt eine Abschiebung
aus und erlaubt eine Beschäftigung.
Informeller Straßenhandel ist in Argentinien kein Delikt. Solange die
ambulanten HändlerInnen mit ihrem Angebot für die umliegenden Geschäfte
keine unmittelbare Konkurrenz darstellen, sind sie zu dulden. Wer jedoch
von einer Patrouille verscheucht wird, aber an anderer Stelle sein Angebot
wieder auslegt, handelt gegen eine offizielle Anweisung. „So stellt die
Polizei jenen Ordnungsverstoß her, den sie für eine Festnahme braucht“,
sagt Guaraz. Von den 2018 vorübergehend festgenommenen 1.200 HändlerInnen
stammten 1.100 aus dem Senegal. „Wegen ihrer Hautfarbe erkennt man sie
sofort“, sagt Omar Guaraz.
Jawara hatte bislang Glück. Aber schon mehrfach wurde ihm seine Ware
abgenommen. Markenpiraterie lautet stets die Begründung für die
Beschlagnahme seiner T-Shirts, auf denen bekannte Logos prangen. Einige
dieser Firmen drängten die Justiz zum Eingreifen – mit Erfolg. Der
Modekonzern Chanel lud vergangenen April in die französische Botschaft, um
den Chefs der Gendarmerie und der Stadtpolizei zu danken.
9 Sep 2019
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=sKUDHUQInnU
## AUTOREN
Jürgen Vogt
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Argentinien
Senegal
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