# taz.de -- Brexit-Debatte im britischen Unterhaus: Parlament stimmt gegen Neuw… | |
> Großbritanniens Premier hat keine Zweitdrittelmehrheit in der Abstimmung | |
> über Neuwahlen erreicht. Das Parlament will zudem einen Brexit-Aufschub. | |
Bild: Kam nicht durch: der Neuwahlen-Versuch von Boris Johnson | |
LONDON ap | Nach dem erneuten Scheitern seiner Brexit-Pläne im britischen | |
Parlament sucht Premierminister Boris Johnson nach neuen Möglichkeiten für | |
Neuwahlen. Am Mittwoch war er gleich zweimal gescheitert: Zuerst | |
[1][beschlossen die Abgeordneten ein Gesetz], das Johnson zwingt, die EU um | |
eine weitere Verschiebung des aktuellen Brexit-Datums bis zum 31. Januar | |
2020 zu bitten, falls er sich mit Brüssel nicht auf einen Austrittsvertrag | |
einigen kann. Bei einer anschließenden Abstimmung über Neuwahlen erlitt | |
Johnson eine erneute Niederlage, da er die nötige Zweidrittelmehrheit nicht | |
zusammen bekam. | |
Johnson hatte am Dienstag seine ohnehin nur knappe Mehrheit verloren, über | |
die seine Minderheitsregierung mit Unterstützung der nordirischen DUP | |
verfügte, als der Abgeordneten Phillip Lee aus seiner Fraktion austrat. In | |
der Hoffnung auf eine künftige Mehrheit hatte Johnson Neuwahlen für den 15. | |
Oktober vorgeschlagen. Dafür hätte er jedoch 434 Stimmen der 650 | |
Abgeordneten gebraucht, es stimmten jedoch nur 298 für Neuwahlen. Die | |
Labour-Opposition ist prinzipiell zwar für Neuwahlen, bestand jedoch | |
darauf, zuvor müsse das Gesetz gegen einen Brexit ohne Vertrag unter Dach | |
und Fach sein. „Lasst uns das Gesetz verabschieden und königliche Billigung | |
bekommen und dann können wir eine Neuwahl haben“, sagte Labour-Chef Jeremy | |
Corbyn. | |
Johnson sagte nach der verlorenen Abstimmung über Corbyn: „Die | |
offensichtliche Schlussfolgerung, befürchte ich, ist, dass er nicht glaubt, | |
zu gewinnen.“ Johnson deutete an, es bald erneut versuchen zu wollen. Er | |
rief die Abgeordneten auf, „über Nacht und im Lauf der nächsten paar Tage | |
zu reflektieren“. | |
Das Kräftemessen im Unterhaus ist der jüngste Akt im Brexit-Drama, das die | |
britische Politik dominiert, seit 2016 eine Mehrheit der Bevölkerung für | |
einen Austritt aus der EU stimmte. Johnsons Vorgängerin Theresa May | |
handelte ein Austrittsabkommen mit der EU aus, das aber vom Parlament in | |
London drei Mal abgelehnt wurde. Der geplante Termin für den Brexit musste | |
deshalb auf den 31. Oktober verschoben werden, die Regierung versuchte in | |
den vergangenen Monaten vergeblich von der EU Vertragsänderungen zu | |
erreichen. Johnson lehnt eine weitere Verzögerung des EU-Austritts | |
kategorisch ab. | |
Das Gesetz, welches Johnson zwingt, die EU um eine weitere Verschiebung des | |
aktuellen Brexit-Datums 31. Oktober zu bitten, war zuvor mit 327 zu 299 | |
Stimmen angenommen worden, und muss noch im Oberhaus beraten werden. Dort | |
drohen Befürworter eines kompromisslosen Brexits, den Vorstoß des | |
Unterhauses durch Geschäftsordnungstricks auszubremsen. Die Unterstützer | |
des Premiers könnten versuchen, angesichts der wenigen Tage, die vor der | |
von Johnson verordneten Zwangspause des Parlaments bleiben, auf Zeit zu | |
spielen. Sie könnten etwa Zusätze zu dem Gesetzesentwurf beantragen, die | |
dann erst diskutiert werden müssen, oder lange Filibuster-Reden zu halten, | |
damit das Gesetz gar nicht erst zur Abstimmung kommt. | |
## EU-Mitgliedsländer müssen Brexit-Aufschub zustimmen | |
Johnson hatte dem Parlament von kommender Woche an bis zum 14. Oktober – | |
also nur gut zwei Wochen vor dem geplanten Brexit-Datum – eine Zwangspause | |
verordnet. Die Abgeordnetenmehrheit im Unterhaus hofft, das Gesetz gegen | |
einen Brexit ohne Vertrag bis Ende der Woche endgültig verabschieden zu | |
können. Einem britischen Antrag auf Verschiebung des Brexits müssen die | |
verbleibenden EU-Mitgliedsstaaten dann noch zustimmen. | |
Johnson will Großbritannien unbedingt zum 31. Oktober aus der EU führen, ob | |
mit Vertrag oder ohne. Er habe mit der EU schon „substanzielle | |
Fortschritte“ erzielt, sagte er am Mittwoch im Unterhaus. Doch das | |
Parlament untergrabe mit dem Gesetz gegen den No-Deal-Brexit seine | |
Verhandlungsposition. Labour-Chef Corbyn warf dem Premier vor, gar nicht | |
wirklich zu verhandeln, sondern nur Zeit verstreichen zu lassen. Die | |
Sprecherin der EU-Kommission, Mina Andreeva, sagte, die EU habe „nichts | |
Neues“ aus London gehört. | |
5 Sep 2019 | |
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