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# taz.de -- Brexit-Streit in Großbritannien: Poker um Neuwahlen
> Großbritanniens Premier Johnson will das Gesetz gegen den No-Deal-Brexit
> passieren lassen – damit im Gegenzug die Opposition Neuwahlen zulässt.
Bild: Im Amt ohne Mehrheit: Boris Johnson
BERLIN taz | 298 Abgeordnete des britischen Unterhauses haben am
Mittwochabend für den Antrag von Premierminister Boris Johnson auf
Auflösung des Parlaments und Neuwahlen gestimmt. Nur 56 stimmten dagegen.
[1][Aber das reichte nicht.] Laut Gesetz kann sich das Unterhaus nur mit
Zweidrittelmehrheit aller 650 Mitglieder selbst auflösen, also mit 434
Stimmen. Die Labour-Opposition enthielt sich, Johnson bleibt im Amt, obwohl
er keine Mehrheit mehr hat.
Der Grund: Labour und die anderen Oppositionsparteien wollen erst das
Gesetz zur Verhinderung eines No-Deal-Brexits durchbringen, bevor sie einer
Parlamentsauflösung zustimmen. Das Gesetz, das die Regierung in Ermangelung
eines ratifizierten Brexit-Abkommens zu einem Antrag bei der EU auf erneute
Verschiebung des Brexits bis Ende Januar 2020 zwingt, wurde am
Mittwochabend im Unterhaus mit 327 gegen 299 Stimmen angenommen und ging
danach ins Oberhaus.
Dort begannen regierungstreue Brexit-Befürworter unter den Lords, mit über
100 Anträgen zur Geschäftsordnung die Debatte lahmzulegen. Die Idee
dahinter ist es, das Gesetz zu kippen, indem die Debatte darüber so lange
dauert, dass es nicht mehr verabschiedet wird, bevor kommende Woche die
aktuelle Sitzungsperiode des Parlaments endet. Erst tief in der Nacht
lenkte die Regierung ein und sagte zu, das Gesetz bis Freitagabend das
Oberhaus passieren zu lassen.
So dürfte das Gesetz gegen den No-Deal am Montag endgültig im Unterhaus
beschlossen werden und dann – das sagte Parlamentsminister Jacob Rees-Mogg
am Donnerstag zu – „unverzüglich“ zur Queen zwecks Inkraftsetzung gebrac…
werden. Im Gegenzug erwartet die Regierung, dass die Opposition einen
erneuten Antrag auf Neuwahlen passieren lässt. Rees-Mogg kündigte an, am
Montag einen solchen Antrag zu stellen. Wenn er durchkommt, soll nach dem
Willen der Regierung am 15. Oktober neu gewählt werden, direkt vor dem
EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober, der als letzte Chance auf eine
Brexit-Einigung vor dem geltenden Brexit-Termin 31. Oktober gehandelt wird.
## Regierung im Wahlkampfmodus
Johnson hofft bei Neuwahlen auf einen klaren Sieg. Dann könnte er das
Gesetz gegen einen No-Deal-Brexit wieder rückgängig machen und beim
EU-Austritt am 31. Oktober mit oder ohne Abkommen bleiben. Die Opposition
weiß das natürlich und könnte versuchen, einen Neuwahltermin erst im
November zuzulassen. In der Labour-Opposition wird heftig darüber
gestritten. Während Corbyn eine Zustimmung zu Neuwahlen am kommenden Montag
in Aussicht stellt, wollen andere Kräfte bei Labour alles verzögern: Erst
soll kommende Woche die laufende Parlamentssitzungsperiode enden, wie von
der Regierung festgelegt, und nach Eröffnung der nächsten Sitzungsperiode
am 14. Oktober könnte dann erneut über Neuwahlen beraten werden. Die wären
dann frühestens Ende November möglich.
In einem solchen Fall würde das Gesetz gegen einen No-Deal-Brexit am 31.
Oktober voll zur Anwendung kommen. Johnson hat allerdings bei jeder
Gelegenheit gesagt, er werde keine Brexit-Verschiebung bei der EU
beantragen. Er könnte stattdessen als Premier seinen Rücktritt erklären
oder ein Misstrauensvotum gegen sich selbst einleiten, was zu Wahlen führen
dürfte.
Die Regierung ist jedenfalls voll im Wahlkampfmodus. Im Parlament sagte
Johnson, Jeremy Corbyn sei „der erste Oppositionsführer in der Geschichte
unseres Landes, der die Einladung zu Neuwahlen ausschlägt“. Es könne ja
wohl nicht sein, „dass das Volk nicht entscheiden darf, wer von uns beiden
dieses Durcheinander löst“.
5 Sep 2019
## LINKS
[1] /Brexit-Debatte-im-britischen-Unterhaus/!5623703
## AUTOREN
Dominic Johnson
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Großbritannien
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