| # taz.de -- Die Wahrheit: „Je mehr, desto besser!“ | |
| > Das Wahrheit-Interview: Die Berliner Psychotherapeutin Eluada Gulistan | |
| > über ihre neue Pecunia-Therapie gegen Depressionen. | |
| Bild: Das optimale Mittel gegen jede Art seelischen Leids: Geld, Gold, ein sorg… | |
| taz: Frau Dr. Gulistan, Sie sind eine erfahrene Psychotherapeutin und haben | |
| jetzt eine neue Therapie gegen Depressionen entwickelt, die sehr | |
| erfolgreich sein soll. Erzählen Sie uns mehr. | |
| Eludia Gulistan: Lassen Sie mich vorausschicken, dass ich in der | |
| Vergangenheit alle möglichen klassischen Verfahren ausprobiert habe: | |
| Verhaltenstherapie, kognitive, interpersonelle und psychodynamische | |
| Therapien. Solche Sachen. Wissenschaftlich wasserdicht | |
| Und? | |
| Manchmal half’s. Öfter auch mal nicht. Und es gab immer wieder schwere | |
| Rückfälle. Ich war alles andere als zufrieden. Aber dann machte ich meine | |
| Entdeckung. | |
| Wir sind gespannt. | |
| Ein Klient von mir war ein wirklich schwerer Fall. Depressionen ohne Ende. | |
| Das ganze Leben schwarz in schwarz. Suizidversuche am laufenden Meter. Man | |
| konnte mit ihm an keinem Zierbrunnen vorbeigehen, ohne dass er sich | |
| hineinstürzen wollte. | |
| Klingt schlimm. | |
| Hoffnungslos. Aber dann gewann er zwei Millionen Euro im Lotto. Ich habe | |
| das gar nicht mitbekommen, denn er kam einfach nicht mehr wieder. Ich | |
| dachte natürlich, er hätte ernst gemacht | |
| Hatte er aber nicht? | |
| Natürlich nicht, aber das wusste ich ja nicht. Um meine Entdeckung zu | |
| machen, brauchte ich erst noch weitere Fälle. Beim nächsten Mal war es eine | |
| Frau, auch so ein richtiger Trauerkloß. Die kroch praktisch nur noch auf | |
| allen Vieren durchs Leben. Und plötzlich erbt sie. Eine Großtante. | |
| Schlaganfall. Diese Patientin hat sich aber nicht einfach verdünnisiert, | |
| sondern ist noch mal zu mir für eine letzten Sitzung gekommen. Da erzählte | |
| sie mir von erstaunlichen Veränderungen in ihrem Leben. „Ich habe jetzt | |
| eine richtig schöne Eigentumswohnung, nicht mehr das alte Loch. Meinen | |
| alten Knochenjob habe ich gekündigt. Ich reise endlich, wann und wohin ich | |
| will, und esse jeden Tag in einem gehobenen Restaurant. Was soll ich Ihnen | |
| sagen: Mir geht es richtig super.“ | |
| Praktisch ein neuer Mensch? | |
| Ja, erstaunlich, nicht wahr? Sie behauptete, auch endlich ihre Mitte | |
| gefunden zu haben, nach der wir so lange gemeinsam gesucht hatten: „Sie ist | |
| aus schierem Gold.“ | |
| Und so kamen Sie auf Ihre Therapie? | |
| Ja, nach ein paar weiteren Aha-Erlebnissen. Ich habe sie Pecunia-Therapie | |
| genannt. Nach dem lateinischen Wort für Geld. Aber, wie gesagt, bis ich es | |
| wirklich hatte, dauerte es noch ein bisschen. Ich habe auch erst einmal | |
| nachgeforscht, was aus dem Lottogewinner geworden ist. Nach einigen Wochen | |
| traf ich ihn zufällig auf einer Koks-party auf Schwanenwerder in Begleitung | |
| einer bildhübschen 25-Jährigen. Dabei hatte er mir jahrelang die Ohren | |
| vollgeheult, dass ihn keine Frau auch nur angucken würde. Ich glaube, da | |
| hat es Klick gemacht. | |
| Aber es heißt doch: Geld macht nicht glücklich. | |
| Ja, das hatte ich auch immer angenommen. Deshalb kam ich ja auch nicht | |
| sofort drauf. Aber wissen Sie was: Dieser Satz ist Unsinn. Kappes, | |
| unwissenschaftlicher Nonsens. | |
| Und dann hatten Sie es und haben Ihre Geldtherapie entwickelt …? | |
| Ja, aus dem ersten Satz des Pecunia-Prinzips. Der besagt: Je mehr Geld ein | |
| Mensch besitzt, desto besser geht es ihm. Ganz simpel. | |
| Und wie behandeln Sie jetzt Ihre depressiven Patienten im Detail? | |
| Ganz einfach. Der Patient kommt zu mir in die Praxis und ich gebe ihm Geld. | |
| Ach, das ist alles? Und wie viel geben Sie so? | |
| Kommt darauf an. Wenn jemand lange Zeit kein Geld gewöhnt war, fange ich | |
| mit kleinen Summen an. Die werden dann von Sitzung zu Sitzung gesteigert. | |
| Ist der Patient erst wieder mit dem Geld vertraut, halte ich mich an Satz | |
| eins des Pecunia-Prinzips: Je mehr Geld einer bekommt, desto zuverlässiger | |
| werden die Depressionen eliminiert. Viel hilft einfach viel. | |
| Aber sagen Sie mal: Ist diese Pecunia-Therapie nicht ganz schön teuer? | |
| Das ist natürlich ein Problem. Eine Behandlung, die auch langfristig | |
| erfolgreich sein soll, ist praktisch nicht unter einer Million zu haben. | |
| Und wer kommt dafür auf? Ihre Patienten können sich das ja wohl nicht | |
| leisten. | |
| Völlig richtig. Die sind ja am Anfang so abgebrannt wie Kirchenmäuse. | |
| Deshalb hoffe ich ja, dass die Behandlung von den Kassen übernommen wird. | |
| Ich habe schon einen Antrag gestellt, die Pecunia-Therapie nach dem | |
| Richtlinienverfahren anzuerkennen. Ich bin auch sehr zuversichtlich, dass | |
| das in absehbarer Zeit gelingt. Schließlich liegt meine Erfolgsquote bei | |
| satten hundert Prozent. Das können die Kassen einfach nicht ignorieren. | |
| Und wer zahlt die Therapie im Moment? | |
| Unser Pecunia-Start-up. Konkret sind das junge Männer mit Vollbärten, die | |
| vor irgendwelchen Rechnern sitzen und ab und zu vom Fernsehen gefilmt | |
| werden. Die bekommen ja immer von irgendwem viel Geld. | |
| Interessant. Wissen Sie was? Ich merke gerade, mir geht es auch nicht | |
| besonders. | |
| Was soll das heißen? Sind Sie depressiv? | |
| Ich glaube schon. Nach diesem Interview bin ich doch als Journalist | |
| erledigt. Für meine Zukunft sehe ich komplett schwarz. Haben Sie vielleicht | |
| noch einen Therapietermin für mich? | |
| Ich schau mal kurz im Kalender nach: Dezember 2020? Ist Ihnen das recht? | |
| Ja, aber immer. Und vielen Dank für das Gespräch. | |
| 18 Sep 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Y. Schmidt | |
| ## TAGS | |
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