| # taz.de -- Opiatkrise in den USA: Pharmakonzern muss zahlen | |
| > Ein US-Richter verurteilt den Schmerzmittelhersteller Johnson & Johnson. | |
| > Der habe stark abhängig machende Pillen unlauter beworben. | |
| Bild: Schuldig, aber kaum beeinträchtigt: Pharmakonzern Johnson&Johnson | |
| New York taz | In einem Urteil, das an das Vorgehen gegen die | |
| Tabakindustrie in den 90er Jahren erinnert, hat ein Richter in Oklahoma den | |
| Arzneimittelhersteller Johnson & Johnson der Mitverantwortung für die | |
| [1][Opiate-Epidemie] für schuldig befunden, die zigtausende US-Amerikaner | |
| getötet hat. Richter Thad Balkman urteilte am Montag, dass der | |
| Arzneimittelhersteller seine schnell abhängig machenden Schmerzmittel mit | |
| „unlauterer und irreführender Werbung“ verbreitet habe und damit dafür | |
| sorgte, „die Zahl der Drogenabhängigen, die Zahl der Drogentoten und die | |
| Zahl der Neugeborenen mit Abstinenzsyndrom zu vergrößern“. Der Konzern | |
| Johnson & Johnson soll 572 Millionen Dollar an den Bundesstaat zahlen. | |
| Oklahomas republikanischer Justizminister Mike Hunter feierte das Urteil am | |
| Montagabend als eine Entscheidung gegen „Gier und Habsucht“. Doch gemessen | |
| an der ursprünglichen Forderung der Regierung des Bundesstaates nimmt sich | |
| die Entschädigung lächerlich gering aus. Oklahoma hatte ursprünglich 17 | |
| Milliarden Dollar verlangt, um die Betreuung von Drogenkranken sowie die | |
| Drogenprävention zu finanzieren. Der Richter verurteilte den | |
| Arzneimittelhersteller lediglich zur Zahlung der laufenden Kosten für die | |
| Drogenbehandlung in Oklahoma für ein Jahr. Trotz der verhältnismäßig | |
| geringen Strafe kündigte Johnson & Johnson umgehend eine Berufung an. „Wir | |
| haben nichts Falsches getan“, erklärte Konzernanwalt John Sparks. | |
| Seit mehrere Pharmakonzerne in den 90er Jahre begonnen haben, den US-Markt | |
| mit opiathaltigen Schmerzmitteln zu überschwemmen, ist die Opiate-Epidemie | |
| zu einer der schwersten Gesundheitskrisen des Landes geworden. | |
| Allein in Oklahoma sind seit dem Jahr 2000 mehr als 6.000 Menschen an den | |
| Folgen der Opiate-Krise gestorben. Zigtausende weitere gerieten in | |
| Abhängigkeit. Gleichzeitig vervielfachte sich die Zahl der legal verkauften | |
| Opiate. Im Jahr 2015 wurden in Oklahoma mehr als 326 Millionen | |
| Opiate-Pillen verkauft – das entspricht 110 Pillen pro erwachsenem Bürger. | |
| ## Erstkontakt durch ärztliche Verschreibungen | |
| Im Rest der USA entwickelte sich die [2][Opiate]-Epidemie in einem | |
| vergleichbaren Tempo. Nach Angaben der Bundesregierung in Washington sind | |
| im Jahr 2017 fast 48.000 Menschen durch die Opiate-Epidemie ums Leben | |
| gekommen. Parallel zu der Überschwemmung des Marktes mit opiathaltigen | |
| Medikamenten wurde [3][Heroin], dessen Wirkung vergleichbar ist, immer | |
| billiger angeboten. Viele Patienten stiegen deswegen zu einem | |
| fortgeschrittenen Zeitpunkt ihrer Abhängigkeit auf Heroin um. Die Zahl der | |
| Drogentoten (inklusive Heroin) stieg in den USA von 20.000 im Jahr 2000 auf | |
| 70.000 im Jahr 2016. | |
| In der Regel kamen die Betroffenen durch ärztliche Verschreibungen in | |
| ersten Kontakt mit den Opiaten. Nach Ansicht des Richters in Oklahoma hat | |
| der Arzneimittelhersteller Johnson & Johnson wider besseres Wissen | |
| gegenüber Ärzten behauptet, seine Medikamente würden nicht schnell abhängig | |
| machen. In manchen Fällen erhielten Patienten die gefährlichen Medikamente | |
| wegen eines Knochenbruchs oder Zahnschmerzen. | |
| Richter Balkman hat den Arzneimittelhersteller auf der Basis eines Gesetzes | |
| über „öffentliche Ärgernisse“ verurteilt, das es in dieser Form nur in | |
| wenigen anderen US-Bundesstaaten gibt. Dennoch könnte sein Urteil Schule | |
| machen. | |
| Bereits im Oktober steht in Ohio eine Sammelklage von insgesamt 2.000 | |
| Klägern an – unter ihnen sind Gemeinden und Bundesstaaten sowie Gruppen von | |
| Native Americans, denen allen gemeinsam ist, dass sie nicht nur mit einer | |
| nie dagewesenen Drogen-Epidemie, sondern auch mit einer Kostenexplosion | |
| konfrontiert sind. | |
| ## Trotz Strafe ein guter Tag für die Aktionäre | |
| Mehrere Arzneimittelhersteller, die ebenfalls opiathaltige und süchtig | |
| machende Schmerzmittel verkauft haben, sind schon vor dem Prozess von | |
| Oklahoma gegen Johnson & Johnson außergerichtliche Vergleiche eingegangen. | |
| So erklärte sich der Konzern Purdue bereit, 270 Millionen Dollar an den | |
| Staat Oklahoma zu zahlen, und Teva stimmte Zahlungen in Höhe von 85 | |
| Millionen Dollar zu. Doch gegen beide Konzerne stehen andernorts Klagen an. | |
| Nach dem Urteil vom Montag gehen Experten davon aus, dass landesweit die | |
| Bereitschaft bei Arzneimittelherstellern steigen wird, sich | |
| außergerichtlich zu einigen, um Prozesse zu vermeiden. | |
| Für die Aktionäre von Johnson & Johnson war Montag dennoch ein guter Tag. | |
| Sie hatten eine härtere Strafe befürchtet. Nach der Urteilsverkündung | |
| schnellten die Werte von J&J-Aktien in die Höhe. Auch die Börsennotierungen | |
| von anderen Schmerzmittelherstellern, gegen die ebenfalls Klagen anhängig | |
| sind, stiegen. | |
| 27 Aug 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dorothea Hahn | |
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