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# taz.de -- Sportforum Hohenschönhausen: AthletInnen stehen im Regen
> Im Sportforum Hohenschönhausen trainieren die besten SportlerInnen
> Deutschlands – unter teilweise abstrus anmutenden Bedingungen.
Bild: Elena Richter schießt draußen – gezwungenermaßen, egal bei welchem W…
Elena Richter trägt einen Anglerhut und spannt die Sehne ihres Bogens. Die
Berlinerin ist Bogenschützin und trainiert auf dem Bundesstützpunkt ihrer
Sportart im [1][Sportforum Hohenschönhausen]. Vor ihr liegen siebzig Meter
buckelige Wiese, dahinter die Zielscheibe. Den Anglerhut trägt sie, damit
die Sonnenstrahlen sie nicht beim Zielen stören. Es ist gerade gutes
Wetter.
Würde es regnen, stünde sie auch hier. Dann wäre der Hut vermutlich ihr
Schutz vor Wassertropfen. Eigentlich würde Elena Richter gerne in einer
Halle trainieren, wenn es regnet oder sich die Temperaturen im Winter dem
Gefrierpunkt nähern. Doch dafür müsste sie auswandern: In ganz Deutschland
gibt es keine für 70-Meter-Schüsse geeignete Halle. Bei den Olympischen
Spielen aber, auf die der Deutsche Bogensport intensiv hinarbeitet, wird
nur auf 70 Meter geschossen.
Wenn das Wetter Außentraining überhaupt nicht zulässt, trainieren die
Berliner SchützInnen in einer ehemaligen Schwimmhalle, in einem
50-Meter-Becken, aus dem das Wasser gelassen wurde. Die Schusssituation ist
dort auf die im Bogensport weniger wichtige Hallendistanz von 18 Metern
ausgelegt.
Für die SchützInnen heißt das: Auch im Winter muss draußen trainiert
werden, bei Minusgraden, bei Schneeregen, bei starken Windböen. „Da kommt
es durchaus mal vor, dass man auf die Scheibe zwei Reihen weiter rechts
oder links zielen muss, weil der Wind so stark bläst“, erzählt Sandra Dehn,
Trainerin am Olympiastützpunkt. Im Hinblick auf internationale Wettkämpfe
sei die infrastrukturelle Situation im Sportforum ein echtes Handicap, sagt
sie. „Alle Konkurrenzländer haben eigene Hallen, die sie ganztägig nutzen
können.“
## Die Kaderschmiede des DDR-Sports
Im Sportforum trainieren etwa 60 BogenschützInnen aller Altersklassen. Hier
befindet sich der einzige Bundesstützpunkt der Sportart. Bessere
Bedingungen gibt es in Deutschland nirgendwo.
Die Planung des Sportforums begann 1950, es entstand eine Kaderschmiede für
den DDR-Sport. Bis heute ist das Sportforum unabdingbar für Deutschlands
Leistungssport – und es hinkt in mancherlei Hinsicht trotzdem der Zeit
hinterher.
Nicht nur die BogenschützInnen, auch der Berliner Fußballverband (BFV) ist
nicht zufrieden mit den Bedingungen, die er im Sportforum Hohenschönhausen
vorfindet. „Wünschenswert wäre es, dass der festgestellte Instandsetzungs-,
Sanierungs- und Modernisierungsstau aufgehoben wird und damit die
Bedingungen im Sportforum für die Vereine zukunftssicher gestaltet werden“,
sagt Jendrik Gundlach, für Infrastruktur zuständiges Präsidialmitglied des
BFV.
Dem Fußballverband mit seinen in Hohenschönhausen trainierenden
SportlerInnen geht es vor allem um die Baracke C, wie das Funktionsgebäude
der FußballerInnen umgangssprachlich genannt wird. Es wurde vor über 30
Jahren eigentlich übergangsweise eingerichtet, um den SportlerInnen eine
Möglichkeit zu geben, sich umzuziehen.
## Viel Betrieb in der Baracke
Bis heute hat sich an der Übergangslösung nichts geändert. „In dem
Umkleidegebäude ‚Baracke C‘ im Sportforum Berlin befinden sich 12
Umkleideräume, ein Dusch- und ein Toilettenbereich. Die Nutzung und
Inanspruchnahme ist intensiv, da für sechs Fußballplätze kaum weitere
Umkleidemöglichkeiten existieren“, sagt die Senatsverwaltung für Inneres
und Sport auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Dennis Buchner hin.
Vor einigen Wochen haben sich die Verantwortlichen des Sportforums, des
Berliner Fußballverbandes und des Hauptnutzers BFC Dynamo Berlin immerhin
zusammengesetzt, um eine gemeinsame Lösung zu finden, was dringend
benötigte Baumaßnahmen angeht. Der Senat erklärt auf taz-Nachfrage, es
werde in Kürze eine Lösung präsentiert, „da die Bedingungen für den
Fußballnachwuchs sich verbessern müssen“.
Jährlich investiert der Senat rund eine Million Euro in die Instandhaltung
des Geländes. Drei Millionen Euro gehen pro Jahr in die bauliche
Unterhaltung des Sportforums sowie des Sportkomplexes Berlin in der
Paul-Heyse-Straße. 2017 stellte eine ungeprüfte Bau- und
Anlagenzustandsbewertung des Senats fest: Der Investitionsstau im
Sportforum Hohenschönhausen liegt bei mindestens 130 bis 160 Millionen
Euro.
Bei ausgewählten Maßnahmen an den Sportstätten der Bundesstützpunkte könne
die Finanzierung durch Bundesmittel unterstützt werden, teilt der Senat für
Inneres und Sport der taz mit. Eine Lösung, wie der Investitionsstau in
nächster Zeit aufgelöst werden soll, präsentiert er aber nicht.
## Wenig Platz unterm Dach
Für die BogenschützInnen könnten die Bedingungen auch auf dem Außengelände
besser sein. Hinter den Schießständen auf der Buckelwiese befindet sich ein
Wellblechdach. Darunter stehen die SchützInnen im Winter während des
Trainings, um sie herum sind dann Heizstrahler aufgestellt. Vier
SportlerInnen können in dem Unterstand nebeneinander stehen und trainieren.
Der Verband hofft aktuell darauf, dass sich sowohl das Herren- als auch das
Damenteam für Olympia qualifizieren. „Dann sind das schon mindestens sechs
Sportler, die gleichzeitig trainieren müssen“, sagt Trainerin Sandra Dehn.
Die Hoffnung auf schnelle Verbesserungen sind gering. Immerhin der Bau
einer 70-Meter-Bogenschusshalle im Sportforum ist geplant. An der Umsetzung
hakt es allerdings. „Bis zu einem Neubau sind mit dem Bund und dem
Spitzensportverband noch Fragen zu klären, auch die der Finanzierung“,
teilt der Senat für Inneres und Sport auf taz-Anfrage mit.
20 Jahre ist der Umzug der BogenschützInnen in die Schwimmhalle
mittlerweile her. „Vorher haben wir in der großen Dynamo-Halle im Gang
geschossen, da wurden die anliegenden Türen dann in der Zeit zugemacht“,
erzählt Trainerin Dehn von der Zeit vor 1999.
## Im Flur flogen Pfeile
Vom Flur ins Becken – für den Bogensport in Deutschland ein echter
Fortschritt. Vor etwa zehn Jahren entstand ein eigenständiges Gebäude mit
Toiletten und Umkleiden für die SportlerInnen. Vorher hatten sie sich eine
Dekade lang in der alten Schwimmhalle hinter Holzverschlägen umgezogen.
Immerhin sind nicht alle im Sportforum Hohenschönhausen beheimateten
Sportverbände unzufrieden mit den gegebenen infrastrukturellen Bedingungen.
Der Berliner Fechtbund teilt der taz mit: „Wir haben fest installierte
Fechtbahnen – das ist nicht so üblich. Da sind wir also gut aufgestellt.
Die Anlage wird ordentlich gepflegt und betreut, so was hält dann
eigentlich ewig.“ Auch der Berliner Volleyball-Verband hat nichts zu
meckern: „Wir haben volleyballtechnisch alles, was wir brauchen.“ Und die
Handballer sind ebenfalls sehr zufrieden und haben „keine
Verbesserungswünsche“.
Für die FußballerInnen aber bleibt auf unbestimmte Zeit nur eine Baracke
zum Umziehen, für die BogenschützInnen ein altes Schwimmbecken zum Schießen
– in einer Halle, die durch stete Feuchtigkeit in den Ecken schimmelt. Vor
der Halle befindet sich noch ein leeres Sprungbecken. Darin hat sich etwa
einen halben Meter hohes, braunes Abwasser gesammelt. Hin und wieder zieht
eine Entenfamilie ins Becken. Dann haben die BogenschützInnen wenigstens
Gesellschaft, wenn sie beim Schießen im Regen stehen.
10 Sep 2019
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/sen/inneres/sport/sportstaetten/sportforum/
## AUTOREN
Lukas Waschbüsch
## TAGS
Olympischer Sport
Bogenschießen
Fußball
Lichtenberg
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Olympischer Sport
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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