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# taz.de -- Polizei Berlin: Neue Aufgabe, alte Schule?
> An der Besetzung der Position des Antisemitismusbeauftragten bei der
> Berliner Polizei gibt es Kritik. Despotischer Führungsstil vorgeworfen.
Bild: Am Tag der Amtseinführung (v.l.) Andreas Geisel, Wolfram Pemp, Dietmar R…
Ein Anflug von Feierlichkeit schwang mit, als am Dienstag der neue
Antisemitismusbeauftragte der Polizei in sein Amt eingeführt wurde. Der
Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, war gekommen,
auch Innensenator Andreas Geisel (SPD) und fast die gesamte Polizeiführung.
Die Zahl der antisemitischen Vorfälle steigt. „Berlin ist eine bunte
weltoffene Stadt“, sagte Geisel dennoch. Es sei Aufgabe der Polizei, das
friedliche Zusammenleben der 180 Nationen durchzusetzen. Der zum
Antisemitismusbeauftragten ernannte Wolfram Pemp, der bereits die
Zentralstelle für Prävention im Landeskriminalamt leitet, erklärte, die
Aufgabe sei ihm „eine Herzensangelegenheit“.
Wie Pemp dann allerdings sein künftiges Aufgabenfeld mithilfe eines Laptops
und an eine Leinwand geworfener Grafiken präsentierte, war ernüchternd.
Holzschnittartig und bürokratisch, ganz klassisch „old school“, wie man es
von der Polizei aus der Vergangenheit allzu gut kennt, wirkte sein
Auftritt. Der 49-jährige Kriminaldirektor soll Ansprechpartner für die
jüdische Gemeinschaft sein und polizeiintern für das Themenfeld
Antisemitismus sensibilisieren. Wenn sich die Polizei schon
öffentlichkeitswirksam mit einem Antisemitismusbeauftragten schmückt,
fragte man sich: Gibt es da nicht geeignetere Leute?
Überzeugender wirkte die Ansprache des zum stellvertretenden
Antisemitismusbeauftragten ernannten 51-jährigen Kriminaldirektor Dietmar
Ring, gleichzeitig stellvertretender Staatssschutzleiter. Pemp verfolgte
Rings Vortrag mit regloser Miene. Wird da etwa einer zum Jagen getragen?
Immerhin ist der Antisemitismusbeauftragte eine Zusatzaufgabe, die mehr
Arbeit bedeutet ohne Beförderung.
Innerhalb der Polizei gibt es Leute, die über die Ernennung Pemps entsetzt
sind. Auch aus übergeordneten Sicherheitskreisen verlautet, die
Entscheidung sei nicht nachzuvollziehen. Mit Namen möchte aber niemand
zitiert werden – öffentliche Kollegenschelte ist ein Tabu. Und niemand
möchte mit Kritik an der Personalentscheidung das Amt des
Antisemitismusbeauftragten beschädigen, dessen Einführung von vielen
begrüßt wird.
Pemp ist seit 2015 Leiter der Präventionsstelle der Polizei. Die
Zentralstelle ist in diverse Bereiche unterteilt, auch der Bereich LGBTI
und die städtebauliche Kriminalprävention gehören dazu. Pemps Vorgängerin,
Tanja Knapp, ist an die Spitze der Polizei-Akademie in Spandau berufen
worden. Unter Pemp sei die Präventionsstelle aufgrund falscher
Akzentsetzung nach und nach in die Bedeutungslosigkeit gerutscht, heißt es.
Aber die Kritik geht deutlich tiefer. Pemp wird ein autoritärer,
empathieloser Führungsstil vorgeworfen. Die menschlichen Defizite seien
auch Gegenstand von Untersuchungen der Konfliktkommission der Polizei
Berlin gewesen, erfuhr die taz. Diverse MitarbeiterInnen hätten die
Dienststelle wegen Pemp verlassen. Ein über interne Belange gut
unterrichteter Mitarbeiter der Polizei, von der taz mit der Kritik
konfrontiert, drückte es sogar noch krasser aus. Von einem despotischen
Führungsstil Pemps ist da die Rede. Viele Probleme würden von der
Konfliktkommission kleingeredet oder glattgebügelt, sagt der Beamte. „Der
Vorgesetzte bleibt und die Mitarbeiter gehen.“
Die von einer fest angestellten Psychologin geleitete Konfliktkommission
ist die größte Beschwerdestelle in der Polizei. Die Kommission arbeite
streng vertraulich, sagt der Leiter der Öffentlichkeitsabteilung, Winfried
Wenzel, zur taz. Sie beschäftige sich mit Problemen, die von banalen
Streitigkeiten unter Kollegen bis hin zu Führungsfehlern reichten. Der
Polizeiführung seien Führungskräfte mit großer Sozialkompetenz ein
wichtiges Anliegen, betont Wenzel. Aber nicht jeder Vorwurf habe Substanz.
Was den Leiter der Präventionsstelle angehe, gebe es keine Anhaltspunkte,
an dessen fachlicher und menschlicher Kompetenz zu zweifeln.
Er habe von innerbehördlichen Beschwerden über Pemp gehört, bestätigt aber
Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im
Abgeordnetenhaus. „Aber ich kenne die Akten nicht und erlaube mir deshalb
keine Beurteilung.“ Auch Niklas Schrader, Lux’ Kollege bei den Linken,
kennt den Vorgang nicht, betont aber: „Auch für Fälle wie diese wird ein
unabhängiger Polizeibeauftragter gebraucht.“
Die Einrichtung eines solchen Postens wurde 2016 im rot-rot-grünen
Koalitionsvertrag beschlossen, liegt aber auf Eis, weil die SPD ihre
Zustimmung an eine Verschärfung des Polizeigesetzes Asog knüpft. Ende
August soll weiterverhandelt werden. Je eher, desto besser, sagt Norber
Cioma, Berliner Chef der Gewerkschaft der Polizei. „Immer wieder gibt es
Fälle, wo die Kollegen mit ihren Beschwerden inicht mehr weiterkommen.“
23 Aug 2019
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Polizei Berlin
Antisemitismus
Andreas Geisel
Schwerpunkt Rassismus
Rechte Gewalt
Schwerpunkt Fridays For Future
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