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# taz.de -- Nachrichtenagentur dpa feiert Jubiläum: 70 Jahr, alles wahr?
> Die dpa versorgt Medien mit Meldungen und Berichten. Passiert ihr ein
> Fehler, verbreitet der sich wie ein Lauffeuer. Eine herausfordernde
> Arbeit.
Bild: Die Redaktionszentrale der dpa im Jahre 1956 – ohne Wlan, ohne Hashtags…
Berlin taz | Anfang August haben die JournalistInnen der Deutschen
Presseagentur (dpa) mal wieder gespürt, wie groß ihre publizistische
Verantwortung ist. „CDU-Politiker: Grundschulverbot für Kinder, die kein
Deutsch können“ stand über einer kleinen Meldung, die wie viele andere an
diesem Tag an die angeschlossenen Rundfunkanstalten, Onlinedienste und
Zeitungshäuser ging.
In sozialen Netzwerken prasselten auf den stellvertretenden Chef der
Bundestagsfraktion der Union, [1][Carsten Linnemann, wüste Beschimpfungen]
ein. Populisten jubilierten wiederum. Linnemann wehrte sich: So habe er das
nie gesagt. Tatsächlich korrigierten die JournalistInnen ihre Meldung, die
ein Interview zusammenfasste: „Grundschulverbot“ sei eine „zu weitgehende
Wiedergabe der Worte Linnemanns“ gewesen.
Linnemann hatte sich ursprünglich in der Rheinischen Post zu Wort gemeldet.
Sven Gösmann war einst Chefredakteur der Zeitung. Seit fünf Jahren leitet
er nun die dpa. Wie ist das mit der publizistischen Verantwortung – stimmt
ihn so ein Vorgang nachdenklich?
„Es gibt im Nachrichtenbereich keine Gatekeeper im klassischen Sinne mehr“,
sagt Gösmann. „Aber die ,Tagesschau', der Deutschlandfunk oder wir sind
natürlich immer noch gewaltige gesellschaftliche Verstärker, hinter denen
sich auch mancher mit trüben Absichten verstecken möchte. Da schmerzt jeder
Fehler, da hilft jede aufklärerische Leistung.“
## Rund 700 Mitarbeiter weltweit
Die dpa nahm ihren Betrieb vor 70 Jahren in Hamburg auf. Dort, in einer
Villa, liegt noch immer ihr Geschäftssitz. Der Newsroom der dpa befindet
sich allerdings inzwischen in Berlin. Er ist 150 Meter lang und mit 270
Schreibtischen bestückt. Im Schichtbetrieb arbeiten allein hier 370
MitarbeiterInnen. Weltweit sind es fast doppelt so viele feste
dpa-JournalistInnen.
Um die Dimension zu verstehen, ist noch eine Zahl entscheidend: dpa hat
viele Angebote, darunter Dienste mit Meldungen in den einzelnen
Bundesländern, internationale Angebote in Englisch, Arabisch und (seit
vergangenem Jahr etwas ausgedünnt) Spanisch. Im „Basisdienst“ sendet dpa im
Jahr fast 200.000 Beiträge an deutsche Medien – knappe Meldungen,
ausführliche Zusammenfassungen und Korrespondentenberichte.
Was Nachrichtenagenturen von anderen Medien unterscheidet: Medien müssen
ihre Texte bei der Übernahme nicht prüfen. Das Stichwort hier:
Agenturprivileg. „Nach der Rechtsprechung dürfen die Empfänger von Texten
von anerkannten Nachrichtenagenturen auf deren Richtigkeit vertrauen“,
heißt es in einem juristischen Handbuch für die Reporter der dpa. „Das gilt
auch für Fotos und die als Bildtext gemachten Angaben.“
## Aufklärerischer Anspruch
Diese Verantwortung kann ein Fluch sein – siehe das „Grundschulverbot“.
Fehler verbreiten sich wie ein Lauffeuer. Für Chefredakteur Gösmann ist sie
aber auch ein Segen. Jedenfalls sagt er: „Gesellschaften sollen sich ihre
Meinung auf Grundlage bestmöglich belegter Fakten bilden. Wir sind eine
Organisation, die diesen aufklärerischen Anspruch in sich trägt.“
Diese „bestmöglich belegten Fakten“ sind so etwas wie das Markenversprechen
der dpa. Das löst sie erstaunlich oft ein, aber auch nicht immer. Während
dpa 1963 als erste Agentur weltweit „Kennedy tot“ meldete, folgte 1964 der
Nachrichten-GAU: dpa erklärte auch Nikita Chruschtschow, den sowjetischen
Staats- und Parteichef, für tot. [2][Das wiederum war eine Falschmeldung].
Zur Strafe musste sich dpa für gut ein halbes Jahr aus Moskau zurückziehen.
In der Moderne der dpa ist das Signalwort [3][„Bluewater“]. Das steht für
einen Terroranschlag, den dpa meldete, obwohl es ihn nie gab.
SchauspielerInnen inszenierten diesen perfekt: Einer rief getarnt als
Praktikant eines US-Senders an und wies dpa auf gefälschte Videos aus – dem
ebenfalls erfundenen – Bluewater hin. Andere fälschten Internetseiten von
Polizei und Feuerwehr. Bei den angegebenen Hotlines nahmen
MuttersprachlerInnen ab, die – vor Sirenengeheul aus Lautsprechern –
Auskunft gaben. Die JournalistInnen der dpa korrigierten und schämten sich.
## Deepfakes ermöglichen Manipulation
Heute beschäftigt Gösmann ein Verifikationsteam. Es checkt Material, das
die Agentur über das Netz erreicht. Die Agentur sucht zudem Wege, um auch
Deepfakes rechtzeitig zu erkennen: Präsidenten, Despoten und
Wirtschaftschefs, denen mithilfe von Stimmproben und Algorithmen quasi
perfekt Worte in den Mund gelegt werden. „Wir müssen uns alle davor
fürchten“, mahnt Gösmann. „Da ist der Manipulation Tür und Tor geöffnet…
Aber kann sich dpa immer ausgeklügeltere Recherchetechniken überhaupt
leisten?
Die dpa gehört 180 Medien, vor allem Verlagen. Zeitungen zahlen nach
Auflage. Sie sinkt, also kommt weniger Geld rein. Und auch das
Auslandsgeschäft schwächelt. Im Geschäftsbericht heißt es: „Neben den
absehbaren Erlösrückgängen beim Basisdienst und den Landesdiensten durch
weiterhin rückläufige Auflagenzahlen ist es auch bei den fremdsprachigen
Auslandsdiensten nicht gelungen, das Umsatzniveau des Vorjahres zu halten.“
Vor allem der Ableger News Aktuell, ein PR-Dienstleister, gleicht aus, was
im Kerngeschäft wegbricht. Dort werden wiederum Kunden wie Facebook, die
Faktenchecks kaufen, wichtiger und auch Regierungen, Lobbyagenturen und
Unternehmen, die dpa mit dem Weltgeschehen und mit Brancheninfos versorgt.
Wie unabhängig ist dpa nach 70 Jahren?
## Die Bundesregierung ist auch Kunde
„Rund 3,5 Prozent des Umsatzes der dpa GmbH geht auf Geschäfte mit der
Bundesregierung und beigeordneten Einheiten zurück“, heißt es auf
Nachfrage. Die GmbH betreibt die klassischen Angebote der dpa. Für die
gesamte dpa-Gruppe lägen keine Zahlen vor. Wichtig ist der Agenturleitung
so oder so dieser Hinweis: „Die Bundesregierung ist ein Kunde wie alle
anderen auch. Die Aufträge kommen in der Regel via Ausschreibung zustande.“
Lauter Applaus kam Anfang Juli von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
„Fakten sind Fakten, wenn sie von dpa gemeldet werden“, sagte er auf einem
Festakt der dpa. „Und sind sie es einmal nicht, werden sie umgehend
korrigiert.“ Im Fall Carsten Linnemann dauerte das fast 24 Stunden. Das ist
eine ziemliche Strecke dafür, dass das eher eine Kleinigkeit war, zumal in
diesen schnellen Zeiten. Aber immerhin: dpa hat sich sauber korrigiert.
Alles gut.
18 Aug 2019
## LINKS
[1] /Streit-um-Linnemann-Aeusserungen/!5614597
[2] https://www.zeit.de/1964/17/das-harte-geschaeft-mit-nachrichten
[3] /Top-10-der-Agentur-Falschmeldungen/!5068726
## AUTOREN
Daniel Bouhs
## TAGS
Agentur
dpa
Nachrichten
Jubiläum
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Fake News
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