# taz.de -- Neues Musikalbum Marika Hackmann: Sie weiß, was sie tut | |
> Die Zeit der Schüchternheit ist vorbei. Auf ihrem neuen Album „Any Human | |
> Friend“ landet die Musikerin neben den Erwartungen. | |
Bild: Marika Hackmann hat für Männerperspektiven nicht viel übrig | |
Marika Hackmann ist geltungssüchtig, sie klagt sich selbst dafür gnadenlos | |
an. Die Textzeile „You’re such an attention whore“ wiederholt die britisc… | |
Musikerin sprudelnd prägnant in „The One“, einem Song ihres neuen Albums | |
„Any Humand Friend“. Den Rest des Stücks beschäftigt sich ihr lyrisches I… | |
damit zu erklären, warum es trotz totalen Versagens unbedingt geliebt | |
werden muss. | |
Hackmann macht das mit der Selbstdarstellung, dem inneren Konflikt und dem | |
Singen darüber herrlich eigen: herausfordernd, auch schonungslos, aber | |
immer mit einem zwinkernden Auge und gleichzeitig wahnsinnig verletzlich – | |
so klingt „Any Human Friend“, ihr drittes Album, auf der Langstrecke. | |
Es sind immer noch mit dem Folk flirtende Gitarren, die Hackmann seit ihrem | |
Debüt (2013) begleiten. Statt simplistisch angelegter | |
Singer-Songwriter-Standards hat sie inzwischen ausgefeiltere Arrangements | |
zu bieten, die deutlich elektronischer in der Machart sind. Musikalisch | |
drückt sie damit auf die Tube, dank genial-verquerer Lyrics muss man beim | |
Hören auch lächeln, manchmal bleibt das Lachen allerdings im Halse stecken. | |
## Der Umgang mit Erwartungen | |
„Ich habe schon oft darüber nachgedacht, was meine Musik ausmacht. Ich | |
glaube, es ist die Tatsache, dass alles immer ein bisschen neben dem | |
landet, was man von mir erwarten würde“, erklärt die 27-Jährige. Allzu | |
große Erwartungen sind etwas, womit Marika Hackmann hin und wieder hat | |
ringen müssen. Vor einigen Jahren gab es in einem britischen Magazin ein | |
Porträt über sie. Der Autor betitelte die junge Frau darin als „ehemaliges | |
Model“, das sich nun auch unbedingt an der Gitarre versuchen wolle. | |
„Das war eine Zumutung, eine Zeitlang war es der erste Text, den man | |
gefunden hat, wenn man im Netz nach mir suchte. Tatsache ist: Ich war nie | |
Model.“ Natürlich hat Marika Hackmann ein Bedürfnis zu unterstreichen, dass | |
sie schon immer Musikerin war. Nicht Model! Auch wenn die Anhaltspunkte da | |
anderes verheißen: Hackmann ist eine alte Schulfreundin von Topmodel Cara | |
Delevingne und war bei einer der zahlreichen Werbekampagnen für die | |
Modemarke Burberry dabei (genau wie ihr Musiker-Kollege Tom Odell, den | |
danach allerdings niemand als Dressman einordnete). | |
Als Model zu arbeiten und nun Musik zu machen, das sei nun mal schlecht | |
beleumundet. „Dich nimmt niemand ernst, wenn du als Erstes als Model | |
wahrgenommen wirst.“ Hackmann legt nach: „Ist das nicht total beschissen? | |
Ein Model kann doch auch gute Musik machen!“ Kann sein, sicher. Nur scheint | |
das die Wahrnehmung vieler Menschen schon stark zu strapazieren. Generell | |
ist es ein Wagnis, ein Popstar zu sein, der nicht so recht in Schubladen | |
passen möchte. | |
## Die Kategorisierung des Weiblichen | |
„Ich glaube, die größte Herausforderung war für mich, mit den ganzen | |
Kategorisierungen klarzukommen“, erklärt die Britin. Scheinbar hat sich | |
seit der literarischen Romantik nicht viel getan im Bereich der weiblichen | |
Rollenbilder: Es gibt immer noch den Vamp, der Angst macht, aber irgendwie | |
auch die Lust weckt. Es gibt die Zerbrechliche, die Schutz braucht und an | |
der genau das sexy ist. „Hinzugekommen ist vielleicht noch die Eigenartige, | |
die komische Sachen macht und sagt. Über die kann man sich dann wundern“, | |
ergänzt Hackmann. | |
Worum es aber immer geht, ist eine Fetischisierung der Frau im Rampenlicht. | |
Es ist immer noch der männliche Blick, dem sich jegliche Einordnung | |
unterwirft. „Bei Männern schaut man, was sie können. Bei Frauen erst | |
einmal, in welche Art Objekt der Begierde man sie zwängen kann. Bei mir | |
geht es sogar noch weiter: Es stellt sich die Frage, in welche Kategorie | |
lesbische Frau man mich zwängen kann.“ | |
Marika Hackmann reflektiert eher zu viel als zu wenig. Über ihre | |
Außenwahrnehmung. Über ihre Innenwelt. Über den Drang, sich selbst in der | |
Welt des Musikmachens auszudrücken. Über ihre Rollen auf der Bühne. „Das | |
musste ich lernen. Ich war früher schüchtern, habe zu leise ins Mikrofon | |
gesungen. Mit der Zeit habe ich gelernt, wie viel Spaß es macht, | |
breitbeinig ein verdammtes Gitarrensolo zu spielen“, sagt sie. | |
Die Zeit der Schüchternheit ist wirklich vorbei: Mit „Any Human Friend“ hat | |
sich Hackmann ihr eigenes Bekenntnis geschaffen. Nicht nur zu sich als | |
Person – mit all den Fehlern und der Beziehungsunfähigkeit, die andere dazu | |
bringen, ihr literweise Tomatensaft über den Kopf zu schütten, wie im Video | |
zu „I’m not where you are“ –, sondern auch zu sich als Künstlerin. Eine | |
Künstlerin, die Risiken eingeht, weil sie diese einschätzen kann. Die weiß, | |
was sie tut. Und die ihre Geltungssucht auslebt und damit anderen ebenfalls | |
eine gute Zeit beschert – weil sie ganz einfach Qualität liefert. | |
18 Aug 2019 | |
## AUTOREN | |
Silvia Silko | |
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