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# taz.de -- Gretas Segeltörn: Der Weg ist nicht immer das Ziel
> Greta Thunbergs Atlantiküberquerung mit einer Rennjacht zum Klimagipfel
> von New York mag dem Nervenkitzel dienen. Ansonsten ist sie unsinnig.
Bild: Klimaaktivistin Greta Thunberg auf der „Malizia II“
Wenn Greta Thunberg dem Klimagipfel in New York auf Monitoren von Stockholm
aus zugeschaltet worden wäre: das öffentliche Interesse wäre überschaubar
gewesen. Zu oft ist die Aktivistin schon zu sehen gewesen, als dass ein
nüchterner Auftritt allein noch für Schlagzeilen sorgen könnte. Ein
bisschen mehr Nervenkitzel möcht schon sein, soll sich das Publikum nicht
gelangweilt abwenden. Nun also eine Rennjacht für die Atlantiküberquerung.
Was kommt als Nächstes? Ein klimafreundlicher Seiltanz?
Die Ironie richtet sich nicht gegen das junge Mädchen und dessen Familie.
Ohnehin sind die Häme gegen die 16-Jährige und die Zahl von Unterstellungen
ohne jede Grundlage unappetitlich. Eine davon, die sich im Netz besonderer
Beliebtheit erfreut: Der ganze Hype um Greta Thunberg sei eine raffinierte
PR-Aktion ihres Vaters, der damit den Umsatz seiner Firmen steigern wollte.
Das ist lächerlich. [1][Schon die einsehbaren Zahlen widerlegen es], aber
derer bedarf es gar nicht. Wer meint, jemand könne Millionär werden, indem
er seine Tochter mit einem Schild vor dem Parlament postiert, glaubt auch
ans Sandmännchen.
Nein, Greta Thunberg hat ganz offensichtlich mit ihrem Kampf für
Klimaschutz einem Anliegen ein Gesicht verliehen, das bereits vor ihrem
Schritt ins Rampenlicht mehr Menschen bewegte, als die meisten
Politikerinnen und Politiker wahrhaben wollten. Es mag geholfen haben, dass
sie aus Schweden stammt, also einem Land, das seit Langem keine
Machtpolitik betreibt. Es mag auch geholfen haben, dass sie so
bemerkenswert uneitel zu sein scheint.
All das ändert jedoch nichts daran, dass ihre Atlantiküberquerung in einer
Rennjacht unsinnig ist und der Bewegung nicht gut tun wird. Nicht nur
deshalb, weil – [2][wie die taz aufdeckte] – die Bilanz ihrer Reise dem
Klima vermutlich mehr schadet, als es ein Flug getan hätte. Sondern auch
aus übergeordneten Gründen.
Politik kommt nicht ohne symbolisch aufgeladene Bilder aus, eine
Protestbewegung schon gar nicht. Deshalb gibt es Nationalfeiertage und
Militärparaden, Sitzblockaden und Baumhäuser. Aber jede Symbolik muss ein
Ziel im Blick haben. Sei es, die Bevölkerung von der eigenen Stärke zu
überzeugen. Sei es, ein Projekt zu verhindern. Oder ein Gesetz. Oder eine
Abschiebung. Oder sonst etwas.
Aber wozu soll eine Atlantiküberquerung per Rennjacht gut sein? Ist die
Botschaft: Lasst uns künftig 5.000 oder 50.000 oder 500.000 Rennjachten im
Monat übers Meer schicken, damit alle Geschäftsleute ihr Ziel erreichen
können, ohne zum Klimawandel beizutragen? Albern.
Widerstand richtet sich, wie schon der Name sagt, im Regelfall gegen die
Herrschenden und ihre Politik. Die Klimabewegung verfolgt jedoch ein noch
ehrgeizigeres Ziel: Die ganze Menscheit zum Umdenken – schwierig, aber
möglich – und zu einer Änderung ihrer Lebensgewohnheiten – immens
schwierig, wenn nicht gar unmöglich – zu bewegen.
Wenn das überhaupt gelingen kann, dann nur, indem konkrete, realistische
Alternativen aufgezeigt werden. Deshalb wäre es gut, sehr gut, gewesen,
Greta Thunberg wäre per Monitor auf dem Klimagipfel aufgetreten. Die
Botschaft: Ihr müsst nicht alle immerzu fliegen, um das zu erreichen, was
ihr wollt. Manchmal reicht auch eine Telefonkonferenz.
Stimmt schon: Das ist viel langweiliger als eine Anreise per Rennjacht.
Kann aber langfristig deutlich mehr Wirkung erzielen. Weil es dann nämlich
um die Frage geht, ob eine Reise überhaupt nötig ist. Manchmal ist der Weg
eben doch nicht das Ziel.
17 Aug 2019
## LINKS
[1] https://correctiv.org/faktencheck/gesellschaft/2019/06/13/greta-thunberg-ke…
[2] /Thunbergs-Segelreise-in-die-USA/!5615733
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
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