# taz.de -- Schwedische Zeitung „Metro“: Medienpionier am Ende | |
> „Metro“ entwickelte sich von einer Stockholmer U-Bahn-Zeitung zum | |
> weltweit größten Zeitungsherausgeber. Nach 24 Jahren ist nun Schluss. | |
Bild: Gibt's bald nicht mehr: die „Metro“ | |
Ein Aufreger war Stockholms Metro, einst die größte Printzeitung Schwedens, | |
von der am Ende nur ein Online-Auftritt übrig geblieben war, schon länger | |
nicht mehr. Mal abgesehen vom Umgang des Eigentümers mit dem Personal. Das | |
erfuhr am Freitag, dass nun endgültig Schluss sein soll. „Unerwartet ist es | |
natürlich nicht, wenn man sich die Entwicklung der letzten Monate ansieht“, | |
zitiert der schwedische Rundfunk einen anonym bleibenden | |
Metro-Journalisten: „Aber manche hatten schon Tränen in den Augen.“ | |
Dabei lehrte Metro einst die etablierten Zeitungskonzerne das Fürchten. | |
Begonnen hatte die Geschichte des Gratiszeitungspioniers am 13. Februar | |
1995 in der Stockholmer U-Bahn: eine im öffentlichen Nahverkehr der | |
Millionenstadt werktäglich gratis verteilte Tageszeitung. Hinter dem Novum | |
stand Jan Stenbeck, der mit einer Telekomgesellschaft und einem privaten | |
TV-Sender reich geworden war. Sein Konzept: ein Blatt, das auf dem billigst | |
möglichen Vertriebsweg in die Hände der LeserInnen gelangte, vorwiegend aus | |
Agenturmeldungen und reichlich Annoncen bestand, aber dessen Inhalt auch | |
mit populären Kolumnisten und eigenen Reportagen garniert war. | |
Den Pendlern gefiel offenbar, was sie da bekamen. Stenbeck machte vom | |
ersten Tag an Gewinn. Zeitungen waren zu dieser Zeit noch reinste | |
Gelddruckmaschinen. Sie besaßen auf den lokalen Märkten das | |
Anzeigenmonopol. Schweden war für Stenbeck dabei nur der Testmarkt. Was er | |
mit Metro wollte, beschrieb er selbst einmal als „Big Mac der | |
Zeitungswelt“. Wo man auch hinkomme, sollte man das gleiche, vertraute | |
Produkt finden. Metro von Helsinki bis New York, von Rio de Janeiro bis | |
Moskau und Seoul. | |
2002 im Alter von 60 Jahren verstorben, erlebte Stenbeck nicht mehr, dass | |
Metro zeitweilig in bis zu 23 Ländern erschien, wöchentlich geschätzte 35 | |
Millionen LeserInnen hatte und „Metro international“ zum größten | |
Zeitungsherausgeber der Welt aufstieg. Auf manchen Märkten jedoch hatte | |
Metro nie eine Chance, auf anderen konnte man nur kurzzeitig Fuß fassen, | |
und auf wieder anderen wurde das Blatt von einheimischen Verlagen | |
übernommen. Mittlerweile erscheinen Gratiszeitungen mit dem grünen | |
Metro-Globus, aber ohne Anbindung ans Mutterhaus, vor allem noch in Nord- | |
und Lateinamerika. | |
## Schulden von über 5 Millionen Euro | |
Auch die schwedische Metro war von den Stenbeck-Erben 2017 verkauft worden. | |
Zunächst für umgerechnet rund 5 Millionen Euro an einen Investor, der aber | |
schnell entdeckte, dass das ein Fehlkauf ohne geschäftliche Perspektive | |
war. Schon nach drei Monaten reichte er Metro für 10 Cent an den | |
norwegischen Geschäftsmann Christen Ager-Hansen weiter. Ein | |
Risikokapitalist, der seinerseits bald ebenfalls einen Käufer suchte, aber | |
keinen mehr fand und unter dessen Regie Schwedens einst auflagenstärkste | |
Zeitung dann endgültig eingehen sollte. | |
Im März verkündete Chefredakteur Thomas Eriksson das Ende der täglichen | |
Printausgabe: „Die Kosten, um eine fünfmal wöchentlich erscheinende Zeitung | |
zu drucken und zu vertreiben, sind zu hoch geworden.“ Im selben Monat erhob | |
der Vermieter der Redaktionsräume Räumungsklage wegen seit Monaten | |
unbezahlter Miete. Im Mai blieben die Angestellten ohne Lohn. Im folgenden | |
Konkursverfahren wurden Schulden von über 5 Millionen Euro offenbar. Das | |
Gericht räumte die Chance einer Rekonstruktion ein: Mit halbierter | |
Belegschaft und wöchentlichem statt täglichem Erscheinen sollte versucht | |
werden, das Blatt am Leben zu halten. Doch auch als Wochenzeitung | |
funktionierte Metro nicht mehr. | |
„Papierzeitung? Wozu? Es gibt keine jungen Leute mehr, die eine | |
Papierzeitung lesen“, erklärte Ager-Hansen nun gegenüber Expressen. | |
Journalismus „passt nicht mehr in den Businessplan“. Das sei eine | |
„ineffiziente und altmodische Methode, Inhalte zu produzieren“. „Was Metro | |
angeht, habe ich aufgehört, mich über irgendetwas zu wundern“, kommentiert | |
Ulrika Hyllert, Vorsitzende der schwedischen Journalistengewerkschaft. Die | |
Marke bleibt als „Debattenplattform“. Bis sich vielleicht ein weiterer | |
Käufer für den Namen „Metro“ findet. | |
13 Aug 2019 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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