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# taz.de -- Die Wahrheit: Sauna im Sommer von Suomi
> Wie ich mich unfreiwillig im Norden Finnlands als „Lapplandverbrenner“ zu
> erkennen gab und dabei richtig ins Schwitzen kam.
Bild: Polarlicht über Finnland
Irgendwie ahnte ich es bereits, dass es ein sehr geschichtsträchtiger Tag
in Europa werden würde. Ich war gerade in Finnland, und kaum kam ich aus
der Sauna in Sulkava, war Ursula von der Leyen Europa-Chefin geworden.
Einen Saunagang später war AKK die neue Bundesverteidigungsministerin! Ich
hatte ab jetzt echte Angst und traute mich beinahe gar nicht mehr, wieder
in die Sauna zu gehen. Ich dachte: Wer weiß, was dann passiert, während ich
hier ganz harmlos schwitze.
Ich durchquerte Finnland Richtung Norden und konnte zwei Tage später nicht
widerstehen: Rauchsauna. Wie der Finne sagt: savusauna. Kannte ich noch gar
nicht. Ich wunderte mich über die seltsamen Hautveränderungen vieler Finnen
hier, stellte dann aber fest: Sie hatten sich lediglich an die tatsächlich
verrußten Bretter gelehnt.
Es gab vorn am Eingang der savusauna Verhaltensmaßregeln auf Finnisch,
Englisch und Russisch. Je weiter nördlich man kommt, umso weniger rechnet
man mit Deutschen. Zum Teil ist das sicher reine Vorsicht nach den
Erfahrungen aus dem Lapplandkrieg. Seitdem heißen wir bei einigen Finnen
bis heute „Lapplandverbrenner“.
In den Verhaltensmaßregeln steht, dass man nur eine Kelle Wasser zum
Aufguss – löyly, aber Vorsicht mit der Zunge beim Sprechen! – auf die
Steine werfen soll und dass man sich auch wegen der Aufgüsse mit den
anderen Saunagästen absprechen soll. Aber der Finne redet bekanntlich nicht
viel, also spricht er sich hier auch mit niemandem ab. Mit mir sowieso
nicht. Ich bin ja ein Lapplandverbrenner, lappinpolttaja.
Das weiß man inzwischen, ich hatte aus Versehen etwas gefragt, zwar auf
Englisch, aber mit deutlichem Akzent, und ein geflüstertes saksalainen
machte daraufhin die Runde. Deutscher war ich also. Ab nun beobachtete man
mich teils freundlich, teils hämisch.
Die Aufgüsse machten nun all die Jannes, Rikus und Mattis nicht mehr mit
der gewöhnlichen Kelle, die sie aus dem Bottich herausnahmen. Wäre ich
Finne, ich hätte gesagt: „So lässt man dem Deutschen die Luft raus!“ Ich
saß oben, und sie gossen ab jetzt den ganzen Bottich auf die heißen Steine.
Vorher hatte ich kaum etwas gesehen, weil alles so dunkel und herrlich
zugerußt war, nun sah ich gar nichts mehr durch die Schwaden, die Hitze und
meinen Schweiß. Von der Stirn fiel ein Wasserfall vor meinen Augen nieder.
Ich war kurz davor, selbst eine Touristenattraktion zu werden.
Im Nationalmuseum in Helsinki hatte ich wenige Tage nach Übernahme der
EU-Ratspräsidentschaft durch die Finnen eine beeindruckende Sammlung von
Saunakellen an einer Wand gesehen, an die hundert, jede beschriftet mit
Besitzername und Entstehungsgeschichte. Von Vätern vererbt, mit Großvätern
gebaut, seit Jahrhunderten quasi geschwungen. Uns Deutschen fehlt ein
vergleichbar rituell genutzter Gegenstand. Und wenn wir ihn hätten, würden
wir ihn nicht im Nationalmuseum zeigen.
1 Aug 2019
## AUTOREN
Bernd Gieseking
## TAGS
Finnland
Lappland
Sauna
Reiseland Finnland
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Sommelier
Schwerpunkt Mordfall Walter Lübcke
Ostwestfalen
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