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# taz.de -- Schlechte Werte für Berliner Freibäder: Koste es, was es wolle
> Im niedersächsischen Obernkirchen versucht man seit 20 Jahren, das
> Freibad ohne städtischen Zuschuss am Leben zu halten.
Bild: Ab morgens um 6 wird angeschwommen: das Sonnenbrinkbad in Obernkirchen is…
Obernkirchen taz | Was gäbe es denn hier dann noch? Diese Frage geistert
seit mehr als 20 Jahren durch Obernkirchen. [1][Obernkirchen], eine
chronisch pleite Kleinstadt am Rand des [2][Weserberglandes], hat nicht
viel zu bieten. Durch die Fußgängerzone dürfen mittlerweile Autos fahren,
schlicht, weil es gar keine Geschäfte mehr gibt. Kneipen, Cafés,
Restaurants sind rar gesät, an ein Kino erinnert sich höchstens noch die
Generation Ü65. Um zehn Prozent ist die Einwohnerzahl in den vergangenen 20
Jahren gesunken, der Altersschnitt ist rapide gestiegen.
Aber: Es gibt noch ein [3][Freibad]. Sogar beheizt und mit [4][Sole] statt
mit Chlor versetzt. Wenn das Ding dichtmacht, kann die ganze Stadt die
Lichter ausmachen – das ist der Tenor. Es ist, vielleicht noch neben dem
[5][Sportplatz], der letzte soziale Treffpunkt für Reich und Arm, Jung und
Alt.
Seit 20 Jahren versuchen die örtliche Politik und viele engagierte
Bürger*innen das Bad irgendwie am Leben zu halten. Gute Ideen entstanden,
viel ehrenamtliches Engagement gab es aus der Bevölkerung. Auch im Rathaus
hat das Freibad oberste Priorität. Nur: Ohne Zuschüsse kann das Bad nicht
überleben. Und immer, wenn das Freibad mal wieder kurz vorm Abgrund stand,
war klar: Das Bad muss erhalten bleiben. Koste es, was es wolle.
Die Anlage mit dem schönen Namen [6][„Sonnenbrinkbad“], am Fuß des
[7][Bückebergs] gelegen und von Wäldern umgeben, ist ein typisches
Kleinstadtfreibad. Es gibt ein langes 50-Meter-Becken mit einem
Drei-Meter-Sprungturm, dahinter das Becken für Kinder mit einer kleinen
Rutsche und ein Babybecken gibt’s auch, wo der Duft von Pommes aus der
Kioskbude hinzieht.
## Morgens die Rentner*innen
Morgens um 6 Uhr sind die Rentner*innen da und die, die noch vor der Arbeit
ein paar Bahnen ziehen. Vormittags Schulklassen, nachmittags Jugendliche
und junge Familien, abends ist Training vom Schwimmverein. Die
Besuchszahlen sind konstant, über 50.000 sind es eigentlich jedes Jahr –
für eine Kleinstadt keine schlechte Zahl.
Bis Ende der 90er musste man sich auch keine Sorgen um das Bad machen. Das
größte Unternehmen in der Stadt, eine [8][Glasfabrik mit teils mehr als
1.000 Arbeiter*innen], zahlte ordentlich Gewerbesteuer. Nebenbei versorgte
es das Schwimmbad auch noch mit Wärme aus der Glasproduktion. So war das
Bad das ganze Jahr hindurch schön erwärmt, die Stadtkasse war voll genug,
um die Kosten des Schwimmbads munter auszugleichen. Dann geriet die
Glasfabrik in Schieflage, die Steuern fielen weg, und bald darauf war auch
die kostenlose Wärme passé.
Wie soll eine Kommune, die bis oben hin verschuldet ist, sich auch noch den
„Luxus“ eines Freibads, noch dazu beheizt, leisten? Kommunal betreiben ließ
sich das Freibad eigentlich nicht mehr, so viel war klar. Klar war aber
auch: Ohne das Schwimmbad ist im Ort nichts mehr los. Also mussten die
Bürger*innen ran. „Das starke ehrenamtliche Engagement ist hier besonders“,
sagt [9][Thomas Stübke]. Er sitzt seit beinahe 20 Jahren für die Grünen im
Stadtrat, als Kind plantschte er schon im Sonnenbrinkbad.
## Blockheizkraftwerk für die Wärme
Schon Ende der 90er wurde der Förderverein, in dem auch Stübke aktiv war,
für den Betrieb ins Boot geholt, später wurde eine Genossenschaft
gegründet, die ein Blockheizkraftwerk kaufte, um die Wärme zu liefern und
im Winter die Schule mit Wärme zu versorgen. Denn beheizt muss es schon
sein, befand man. Alle umliegenden Kommunen haben schließlich unbeheizte
Schwimmbäder. Das Bad schien finanziell gesichert und der städtische
Haushalt mit einer Sorge weniger.
So richtig durchblickt hat das Konzept von [10][Kommune, Genossenschaft und
Förderverein] zwar von außen niemand so recht, aber das Bad öffnete jedes
Jahr bereits im April. Die Kommune sollte Stück für Stück von den
operativen Kosten entlastet werden. Es schien ein echtes Vorbild für andere
Kommunen zu sein. „In [11][Pattensen] und [12][Bad Gandersheim] wurde die
Idee des betreibenden Fördervereins übernommen“, sagt Stübke.
## Genossenschaft am Ende
Dann, vorletztes Jahr, kam auf einmal heraus, dass die Genossenschaft eine
ziemliche Misswirtschaft betrieben hat. Stübke sieht das zwar anders –
seitens des Landkreises, der vom Blockheizkraftwerk ebenfalls Wärme
abnehmen wollte, womit sich wiederum die Genossenschaft finanzieren wollte,
wären die Anforderungen schlicht zu hoch gewesen –, aber so oder so: Einmal
mehr stand das Bad vor dem Aus, der Stadtrat nickte zähneknirschend einer
weiteren Bezuschussung zu – was gäbe es denn hier sonst noch?
Inzwischen ist die Genossenschaft Geschichte, nachdem die Stadt sie mit
200.000 Euro noch einmal bis zum Ende des vergangenen Jahres gerettet
hatte. Alle, die eingezahlt hatten, bekommen immerhin 50 Prozent zurück.
Der Förderverein hat seitdem den Betrieb komplett übernommen –
ehrenamtlich. „Für die Ehrenamtlichen war das Ende der Genossenschaft ein
harter Schlag, weil die Kritik zum Teilen nicht gerechtfertigt war“, sagt
Stübke.
Es wird sich zeigen, ob es diesmal besser läuft. Aber Stübke ist sich
ohnehin sicher: „Ohne Zuschüsse ist ein Freibad nicht zu betreiben.“
Ohne die Ehrenamtlichen in Obernkirchen aber auch nicht mehr.
2 Aug 2019
## LINKS
[1] https://www.obernkirchen.de/
[2] https://www.weserbergland.com/de/
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Freibad
[4] https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Sole-Das-heilsame-Wasser,solebad100.…
[5] https://de-de.facebook.com/pages/Obernkirchen-Sportplatz-Am-Ochsenbruch/203…
[6] https://sonnenbrinkbad.de/
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCckeberg_(Landkreis_Schaumburg)
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Heye_International
[9] http://www.stuebke.de/
[10] https://sonnenbrinkbad.de/organisationen/
[11] http://www.freizeitbad-pattensen.de/rettungsring-aktuelles.htm
[12] http://www.solebad-gandersheim.de/foerderverein/
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Freibad
Genossenschaft
Kommunen
Schwerpunkt Rassismus
Freibad
Schwimmbad
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