# taz.de -- Die Wahrheit: Born to be weltweit unterwegs | |
> Motorradfahren in der Gruppe? Geht gar nicht! Riecht nach | |
> Altmännerschweiß! Aber beim Fahren Fotos schießen und dann posten, das | |
> macht Riesenspaß. | |
Neulich war ich erstmals in meiner dreißig Jahre währenden Karriere als | |
Motorradfahrer mit einer Gruppe unterwegs. Ein Motorradfahrer alleine mag | |
von Außenstehenden als Pickel empfunden werden, Gruppen aber sind die Pest. | |
Knattern in Geschwaderstärke durch die Gegend. Warten aufeinander, holen | |
einander ein. Und ständig muss jemand pinkeln, wie überhaupt ein leichter | |
Altmännergeruch über der ganzen Angelegenheit liegt, Kurvenwedeln als | |
circle jerk. Meine Gruppe aber war klein und zivilisiert. Mit meinen 48 | |
Jahren war ich das Nesthäkchen und kam mir regelrecht ungestüm vor. | |
Die Durchschnittsgeschwindigkeit kann als „gemächlich“ bis „komatös“ | |
beschrieben werden, zumal eine tonnenschweren Harley-Davidson zu unserem | |
Pulk gehörte. Die adipöse Amerikanerin zog, weil allergisch gegen Kurven, | |
bei jeder Schräglage einen Strauß sprühender Funken hinter sich her. Die | |
wenigen Geraden nutzte ihr Fahrer, um aus der Hüfte ein paar Fotos der | |
vorbeigleitenden Landschaft zu machen. | |
Das Fotografieren und Versenden der Bilder erwies sich denn auch als | |
eigentliche Attraktion der Tour. Ein Herumliegen auf einem beliebigen Rasen | |
am Zusammenfluss von Fulda und Werra wurde via Facebook als Aufenthalt im | |
Central Park verkauft. Bei der nächsten Rast lasen sich die Herren die | |
entsprechend neidischen Kommentare vor: „Cool, viel Spaß in Manhattan!“, | |
oder: „Geht ihr auch ins Guggenheim?“ Die Leute glauben alles, was im Netz | |
steht. | |
Mit ein paar Palmen vor Kurhausarchitektur ging Bad Pyrmont locker als | |
„Saint-Tropez!“ durch („Ey, ihr habt ja ein Leben!“), das holzvertäfel… | |
Bergwerksdorfidyll von Clausthal-Zellerfeld als Schweden („Bullerbü!“) oder | |
Kanada („Da war ich letztes Jahr mit dem Wohnmobil! Fahrt ihr weiter bis | |
Vancouver?“), ein blühendes Mohnfeld bei Höxter gar als investigative | |
Recherche in Afghanistan („Puh, passt bloß auf euch auf!“). | |
Die Stimmung kippte, als wir eine Aufnahme vom echten „Horrorhaus von | |
Höxter“ versendeten sowie, kurz darauf und eher zufällig, ein Straßenschild | |
des ebenfalls berüchtigten Örtchens Lüdge mit seinem kriminellen | |
Campingplatz. Hiermit hatten wir, wie bei jeder weiteren Pause immer | |
ersichtlicher wurde, die Humorgrenze unseres Publikums allzu sehr | |
strapaziert. | |
Der Wankelmut der Menschen ist grenzenlos. Eben noch leichtgläubig bis an | |
die Grenze zum Schwachsinn, griffen sie nun nach Mistgabeln und Fackeln, | |
fanden unsere Berichterstattung „nicht mehr lustig“, sondern „krank“ bis | |
„abartig“ und wünschten uns „ekelhaften“ und „toxischen“ Männern … | |
Erdenkliche, von „mehr Mitleid mit den Opfern“ bis zu genommenen Vorfahrten | |
und schnellen Genickbrüchen. | |
Nach Hause kamen wir alle dennoch unversehrt, auch wenn schließlich ein | |
mulmiges Gefühl bleibt. Ich fahre jetzt lieber nicht mehr alleine. | |
26 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Arno Frank | |
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