# taz.de -- Zugausfälle bei der Nordwestbahn: Was tun? | |
> Die Nordwestbahn hat einen Vertrag mit der Stadt Bremen, der einen | |
> stabilen S-Bahn-Verkehr gewährleisten soll. Aber das gelingt nicht. | |
Bild: Wer zurzeit eine Regio-S-Bahn Richtung Vegesack erwischen will, muss Glü… | |
Bremen taz | „Der Zug fällt aus.“ Viele NutzerInnen der Nordwestbahn (NWB) | |
nehmen eine solch karge Meldung schon als Normalzustand wahr. Von Jahr zu | |
Jahr wächst die Diskrepanz zwischen dem vertraglich fixierten und | |
realisiertem Angebot – „massive Zugausfälle“ beklagt Gunner Polzin, | |
Abteilungsleiter Verkehr der Umweltbehörde, in einem Brief an die NWB. Am | |
vergangenen Samstag waren es allein auf der Regio-S-Bahn-Linie 1 zwischen | |
Hauptbahnhof und Vegesack 13, am Sonntag elf Züge, die ersatzlos gestrichen | |
wurden. | |
Der aufgestauten Empörung bei Fahrgästen, PolitikerInnen und dem | |
verunsicherten Personal entgegnet das Unternehmen stets gleich: Sorry, | |
gerade sind zu viele unserer LokführerInnen krank, im Urlaub oder einfach | |
nicht mehr da. Zwei Drittel der Ausfälle werden mit Personalmangel | |
begründet. | |
In einem Brief an Bremens Verkehrssenator behauptet Tobias Heinemann, | |
Sprecher der Geschäftsführung des NWB-Mutterkonzerns Transdev, die NWB habe | |
bis Anfang 2019 zehn Prozent mehr Lokführer eingestellt als alltäglich | |
benötigt würden. Aber andere Bahnunternehmen hätten mit „Wechselprämien“ | |
von „bis zu 10.000 Euro“ die MitarbeiterInnen abgeworben. 17 Prozent der | |
Lokführerstellen seien inzwischen nicht besetzt, heißt es bei der NWB. Aber | |
man habe begonnen, der Nachfrage entsprechend auszubilden, sagt | |
NWB-Pressesprecher Steffen Högemann. Ein neuer Lokführer sei schon Anfang | |
2020 einsetzbar. Weitere Absolventen sollen bis April 2020 folgen. „Dann | |
läuft bei uns wieder alles im Regelbetrieb.“ | |
Bis dahin ist das Angebot aber erst mal eingeschränkt, um es zuverlässiger | |
gestalten zu können. Statt zwei Triebfahrzeugen fährt seit 17. Juni nur | |
noch einer pro Bahn nach Bremen-Nord, um Umkopplungsarbeiten in Vegesack zu | |
vermeiden. So würden Rangierarbeiten wegfallen und täglich bis zu vier | |
Lokführer frei, um als Zugführer eingesetzt zu werden, so Högemann. Motto: | |
Lieber eng an eng gequetscht in verkürzten Zügen als am Bahnsteig zu stehen | |
und vergeblich auf eine Regio-S-Bahn zu warten. Ab 10. August werden zudem | |
samstags zwischen Vegesack und Hauptbahnhof die Züge nicht mehr alle 15, | |
sondern nur noch alle 30 Minuten fahren, zwischen Vegesack und Farge an | |
Wochenenden lediglich alle Stunde, bisher wurde dort ein 30-Minuten-Takt | |
annonciert. | |
Da die NWB bisher keinen stabilen S-Bahn-Verkehr gewährleistet, sich also | |
nicht an den Vertrag mit der Stadt Bremen hält, zahlt sie seit 2013 | |
Strafgelder. Bis einschließlich 2018 sind etwa fünf Millionen Euro | |
zusammengekommen, etwa zur Hälfte für Zugausfälle und Unpünktlichkeit. 14 | |
Prozent aller NWB-Züge waren 2018 mindestens drei Minuten verspätet. | |
Parallel zu der Entwicklung verlässt NWB-Chef Rolf Erfurt das Unternehmen, | |
der zweite Geschäftsführer Jonas Buchholz hat sich bereits 2018 | |
verabschiedet, seine Stelle ist nicht neu besetzt. Ein Unternehmen in | |
Auflösung? Einfach rausschmeißen? | |
Ob eine Kündigung gerichtsfest wäre, sei ungewiss, erklärt Jens Tittmann, | |
Sprecher von Verkehrssenator Joachim Lohse (Grüne). Die NWB könnte nämlich | |
zu beweisen versuchen, dass sie unverschuldet in die Probleme gerutscht | |
sei, also nicht fahrlässig gehandelt habe. Als Hauptargument ist denkbar: | |
Der Mangel an LokführerInnen sei nachweislich ein bundesweites Problem und | |
daher nicht der NWB anzulasten. „Zudem kann kurzfristig kein Unternehmen | |
vollumfänglich für die NWB einspringen, würde Jahre zur Vorbereitung | |
benötigen, in denen dann etwa Bremen-Nord komplett abgekoppelt wäre, wenn | |
der NWB gekündigt würde“, erklärt Tittmann. Die NWB betreibt ein 270 | |
Kilometer langes Regio-S-Bahn-Netz rund um Bremen mit derzeit 35 Zügen. | |
„Wir versuchen weiterhin sinnvoll mit dem Unternehmen weiterzuarbeiten“, so | |
Tittmann. Schließlich ist dessen Vertrag nicht nur nicht gekündigt, sondern | |
im April sogar bis Dezember 2036 verlängert worden. Die europaweite | |
Neuausschreibung der NWB-Strecken sei halt an die EU-Vergaberichtlinien | |
gebunden gewesen, sagt Tittmann. Dabei zähle zu 90 Prozent der Preis – der | |
günstigste Anbieter bekommt also den Job. Und das war wohl erneut die NWB. | |
Offensichtlich haben ihre bisherigen Leistungen keine rechtliche Handhabe | |
gewährt, das Unternehmen von der Vergabe auszuschließen. Der neue Vertrag | |
schreibt immerhin die Ausbildung von Lokführern und erhöhte Vertragsstrafen | |
bei Zugausfällen vor, aber auch Angebotserweiterungen wie freies WLAN an | |
Bord und den 30-Minuten-Takt von Bremen nach Hude und Bremerhaven. | |
23 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Jens Fischer | |
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