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# taz.de -- Eingeschränkte Mobilität: Jeder Zentimeter zählt
> Weil Züge der neuen Regio-S-Bahn sind für Menschen mit Rollstuhl nicht
> nutzbar sind, wollen Behindertenverbände klagen. Nordwestbahn kümmert das
> wenig.
Bild: Aber die Mitarbeiterinnen werden die Engpässe doch weglächeln!
Widerspruch gegen die Aufnahme des S-Bahnverkehrs in Bremen und die
Zulassung der neuen Fahrzeuge reichen die bremischen Behindertenverbände
"Selbstbestimmt Leben" und die "LAG Selbsthilfe" jetzt ein.
Ihre Kritik: An vielen Bahnsteigen kommen RollstuhlfahrerInnen in die neue
Regio-S-Bahn nicht hinein, in den Zügen selbst nur mit Problemen an ihre
Plätze. Zudem habe die Betreiberin Nordwestbahn kein Programm zur
Herstellung der Barrierefreiheit für ihre Linien vorgelegt, die am Sonntag
an den Start gehen. Das aber sieht die Eisenbahnbau- und Betriebsordnung
vor. Die Widersprüche beim Eisenbahnbundesamt und dem niedersächsischen
Verkehrsministerium - das die Aufsicht über die Nordwestbahn hat - sind die
ersten Schritte auf dem Weg zu einer Verbandsklage. Unterstützt werden die
Verbände dabei von den bremischen und niedersächsischen
Landesbehindertenbeauftragten.
80 Zentimeter, so breit ist der Gang, durch den RollstuhlfahrerInnen zu
ihren Plätzen gelangen. Links die Außenwand der Toilette, rechts
Klappsitze. Sind die besetzt, kommt man mit Rollstuhl erst durch, wenn die
Fahrgäste aufstehen. Im Mehrzweckbereich, wo die Rollstuhl-Plätze sind,
steht eine Haltestange. Wenden oder rückwärts manövrieren ist dort kaum
möglich.
Für die Behindertenverbände sind das klare Verstöße gegen die EU-Norm, nach
der die Züge zugelassen sind. Die sieht zwar eine Gangbreite von 80
Zentimetern vor, schreibt aber bei Klappsitzen zusätzlich einen 20
Zentimeter Abstand vor - demnach müssten die Gänge einen Meter breit sein.
Zudem müssen behinderte Menschen Verkehrsmittel "in der allgemein üblichen
Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe"
nutzen können. So steht es im Bundesgleichstellungsgesetz. In den
Regio-S-Bahn-Zügen allerdings sei man "gezwungen, Leute nötigen zu müssen,
Platz zu machen", erklärt Petra Wontorra von "Selbstbestimmt Leben".
Die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) - neben Bremen
Auftraggeberin des 500 Millionen schweren S-Bahn-Projekts - sieht darin
kein Problem: Die Bahnen erfüllten alle EU-Vorschriften, erklärt
LNVG-Sprecher Rainer Peters. Die Klappsitze? Eine "Selbstverständlichkeit"
und "zumutbar" sei es, dass Menschen aufstehen und Behinderte durchlassen,
so Peters. Acht Sitze müssten ausgebaut, ein Belüftungsschacht verlegt
werden, damit die Forderungen der Verbände erfüllt werden. Für ihn keine
Lösung: "Wir werden die Kapazitäten nicht weiter reduzieren". Außerdem:
"Hundertprozentige Einzelfallgerechtigkeit können wir bei einem
Massenverkehrsmittel nicht einrichten", zu klein sei die Gruppe der
Fahrgäste mit Rollstühlen. Einer Verbandsklage, erklärt der LNVG-Sprecher,
sehe man deshalb "gelassen" entgegen.
Die anderen Verantwortlichen geben sich beim Thema Barrierefreiheit in der
Regio-S-Bahn zugeknöpft: Zu einer Stellungnahme waren gestern weder das in
Bremen zuständige Bau- und Verkehrsressort, noch das niedersächsische
Wirtschaftsministerium bereit. Beim Eisenbahnbundesamt waren laut Sprecher
keine Beschwerden bekannt.
Die Nordwestbahn, die die S-Bahn betreibt, hat indes angekündigt, Fahrgäste
mit Schildern aufzufordern, RollstuhlfahrerInnen Platz zu machen. Auch das
Personal soll geschult werden, "darauf aufmerksam zu machen". Eine
"Absurdität" für Horst Frehe, Mitbegründer der "Selbstbestimmt
Leben"-Bewegung und Grünen-Bürgerschaftsabgeordneter: "Das hat mit
Lebenspraxis nichts zu tun."
7 Dec 2010
## AUTOREN
Teresa Havlicek
Teresa Havlicek
## TAGS
Blinde Menschen
Bremen
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