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# taz.de -- Die Wahrheit: Der große Schlaf
> War Raymond Chandler Terrorist? Und war Suzanne Vega mit Alan Vega
> verwandt? Diese und andere Fragen werden hier auch nicht beantwortet.
Bild: Späti-Star Tomas Tulpe, wenn er gerade mal nicht wohnt
Neulich habe ich zehn Stunden geschlafen. Wie früher. Ich war recht früh
eingeschlafen, gegen elf, und erst zu relativ normaler Zeit wieder
aufgewacht, nämlich um neun. Als ich aufstand und mich pudelwohl und wie
neugeboren fühlte, war klar: Ich würde umsatteln. Mich beruflich
umorientieren. Ich würde Schläfer werden.
Schließlich hatte ich kurz vorher [1][gelesen], dass die deutsche Edelfirma
Siemens Schläferfirmen gegründet hatte. Geschäftszweck: unbekannt. Die
Aktionäre sollten den neuen Vorratsgesellschaften trotzdem zustimmen, hieß
es. Unter der Dusche stellte ich mir künftige Partydialoge vor: Und was
machst du beruflich? Ich arbeite bei Siemens, in einer Vorratsgesellschaft.
Als Schläfer. Aha, und was macht man da so? Na, schlafen. Bis der
Einsatzbefehl kommt. Wie bei Attentätern.
Geschlafen habe ich immer schon gern. Hochschlafen fiel mir etwas schwer,
nach unten schlafen ging leichter, aber meist blieb ich auf einer Ebene.
Besonders gut schlafen konnte ich als Teenager, aber glaubt man den
Mainstream-Medien, war das gar nichts Besonderes. Irgendein Hormon war zu
dieser Phase des Lebens aktiver als zu anderen Phasen, was dazu führte,
dass sich der Biorhythmus so verschob, dass – ja, gähn, ich weiß.
An der Amalfiküste hatte ich mich einmal als Mystery Customer verdingt, das
war auch ein guter Job gewesen. Ein Mystery Customer ist ein verdeckt
agierender Testkunde, der im Einzelhandel, im Restaurant und im Hotel
arbeitet. Er fungiert als Tourist und schreibt Bewertungen. Leider keine
Beschäftigung für immer, da man entweder irgendwann auffällt oder aus
Sicherheitsgründen schnell wieder abgezogen wird vom Auftraggeber. Oder,
dritter, moderner Grund, er wird sukzessive durch Portale wie Yelp und
TripAdvisor ersetzt. Da ist der Mystery Customer gläsern, da arbeitet der
Testkunde unentgeltlich.
## His name was Luca
In Amalfi jedenfalls lernte ich Luca kennen, der in einem gut geführten
Hotel als Best Boy arbeitete. Auf meine Frage, ob er denn „On the second
floor“ lebte, wusste er keine Antwort. Er sollte das mal bei [2][Suzanne
Vega] nachhören, lachte ich.
Ich reiste allein, wurde aber stets in ein Doppelzimmer gebucht. Ich
beklagte mich bei Luca über die steinharte Matratze und den ständigen Lärm
der Hunde aus den einsamen Landhäusern in den Bergen oberhalb des Hotels,
an Schlaf war da irgendwie nicht zu denken. Er lachte nur und sagte: „Wer
nicht schlafen kann, der will nicht träumen.“ Dann fügte er an, dass reich
sein, nicht bedeutete, Geld zu haben. Reich sein bedeutete, ausschlafen zu
können. Als Teenager waren wir reich, sagt er.
Zehn Stunden, vierzehn Stunden, kein Problem. Auch wenn Mama genervt hat.
Wir konnten schlafen. Heute können wir das nicht mehr, weil wir aufstehen
und arbeiten müssen. Aber das Leben ist nicht für die Arbeit gemacht, sagte
er. Es sei denn, man macht seinen Traum zum Beruf. Und wird eben Schläfer.
Ich arbeite daran.
19 Jul 2019
## LINKS
[1] https://www.welt.de/wirtschaft/article187002522/Siemens-bereitet-mit-Vorrat…
[2] https://www.youtube.com/watch?v=VZt7J0iaUD0
## AUTOREN
René Hamann
## TAGS
Schläfer
Siemens
Suzanne Vega
Grundrente
Tomas Tulpe
Ähnlichkeit
Kino
Horrorfilm
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