# taz.de -- Fußballplätze vor der Sperrung: Mikrofaser-Granulat hat ausgespie… | |
> Kunstrasen-Plätze mit Mikrofaser-Granulat sollen verboten werden. Bremens | |
> Sportsenatorin bettelt um Aufschub. Hamburg hat schon eine Alternative. | |
Bild: Dämpft den Aufprall, schädigt die Umwelt: Gummi-Granulat im Kunstrasen | |
HAMBURG taz | Bremens Sportsenatorin Anja Stahmann (Grüne), derzeit auch | |
Vorsitzende der Sportministerkonferenz, hat die Problematik „Mikroplastik | |
auf Kunstrasenplätzen“ zur ChefInnensache erklärt. In einem Brief an die EU | |
im Namen aller deutschen SportministerInnen begrüßt sie zwar deren | |
Bestrebungen, den Eintrag von gefährlichem Mikroplastik in die Umwelt | |
deutlich zu vermindern, weist jedoch darauf hin, „dass sich ein derartig | |
kurzfristiges Verbot von Granulaten auf Kunstrasenflächen ohne massive | |
Folgen für den Sport nur bei Neuanlagen umsetzen lässt“. Gemeint ist der | |
Breitensport. | |
Ein von der Europäischen Union (EU) diskutiertes Verbot von | |
Kunstrasenplätzen mit Gummigranulatbesatz, das schon 2021 in Kraft treten | |
könnte, schreckt derzeit viele Sportvereine auf. Seit Jahren gilt ihnen | |
Kunstrasen als Problemlöser, weil er extrem belastbar ist und eine damit | |
ausgestattete Spielfläche drei bis vier Rasenplätze ersetzt. Die Plätze | |
brauchen jedoch eine sogenannte Füllung – meist Gummigranulat. Dieses wirkt | |
federnd, dämpft Stürze und schützt SpielerInnen vor Verletzungen. | |
Die Partikel, die etwa aus alten Autoreifen hergestellt werden, | |
stabilisieren zudem die Plastikhalme im synthetischen Untergrund des | |
Kunstrasens. Auf jedem Quadratmeter Kunstrasen landen im Schnitt fünf Kilo | |
Gummigranulat – auf einem Fußballplatz liegen insgesamt etwa 35 Tonnen. | |
Forscher des Fraunhofer-Instituts haben im vorigen Jahr in einer Studie | |
festgestellt: Sportplätze mit Kunstrasen sind die drittgrößte Quelle der | |
Ausbreitung von Mikroplastik in der Umwelt. In Deutschland seien sie pro | |
Jahr für „bis zu 10.000 Tonnen Mikroplastik in der Umwelt“ verantwortlich. | |
## Plätzen droht die Stilllegung | |
Grund genug, für die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) beherzt | |
einzuschreiten. Die EU hat die ECHA beauftragt, Maßnahmen zu entwickeln, um | |
den Einsatz von Mikroplastik deutlich zu vermindern. Die fordert nun: Macht | |
die Plätze mit Kunststoffgranulat dicht! | |
Setzt sich diese Position in der EU durch, droht den betroffenen Plätzen | |
schon 2021 die Stilllegung. Die Folge wären, vor allem in den | |
Ballungsräumen, wo die Sportflächen stark ausgelastet sind, stark | |
reduzierte Trainingsmöglichkeiten und Spielzeiten. Im schlimmsten Fall | |
müssten Mannschaften vom Spielbetrieb abgemeldet werden. | |
Zumindest für Altanlagen, fordert Stahmann, eine „mehrjährige | |
Übergangsfrist“, wie sie die ECHA auch für andere Mikrofaser-Produkte | |
gewährt. In Bremen und Bremerhaven wird auf 19 städtischen und diversen | |
vereinseigenen Kunstrasenplätzen mit Mikroplastik Fußball gespielt. Da die | |
Plätze meist von mehreren Vereinen genutzt werden, wären von einem Verbot | |
wenigstens 21 Clubs betroffen. | |
Für Niedersachsen gibt es keine Aufstellung der betroffenen | |
Kunstrasenplätze. Die Sanierung des heruntergerockten Kunstrasenplatzes des | |
Regionalligisten Drochtersen/Assel (Landkreis Stade), wo auch das Granulat | |
ausgetauscht werden sollte, wurde jetzt aufgrund der Verbots-Perspektive | |
und einer Intervention des Innenministeriums auf Eis gelegt. | |
Auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und der Deutsche Fußball Bund | |
(DFB) sprechen sich für eine Schonfrist bei der Mikrofaserbeseitigung von | |
mindestens sechs Jahren aus. Die Hersteller von Kunstrasenplätzen seien | |
nicht in der Lage, bundesweit 5.000 Spielfelder in zwei Jahren von den | |
„Mikroplastiken“ zu befreien. Eine Nachrüstung der Sportflächen ist zudem | |
aufwendig und teuer – zwischen 100.000 und 500.000 Euro pro Platz. | |
Um zu verhindern, dass bereits gestreutes Granulat in Böden und Flüsse | |
gelangt, müssen die Plätze komplett auf alternative Materialien umgerüstet | |
werden. Die Sportplatzbetreiber könnten statt des Gummis Quarzsand oder | |
Kork verwenden, der allerdings sehr leicht ist und im Verdacht steht, zu | |
schimmeln. | |
## Hamburg hat Alternativen | |
Auf einem Teil der Plätze kommen die Materialien schon jetzt zum Einsatz. | |
Der Anfang Juli eingeweihte Kunstrasenplatz des TUS Lübeck 93 wurde | |
aufgrund der Mikrofaser-Debatte mit geschreddertem Kork statt mit | |
Kunststoffgranulat aufgefüllt. | |
In Hamburg, wo seit 2006 von Rasen auf Kunstrasen umgerüstet wird und es | |
mittlerweile über 90 Kunstrasenplätze gibt, wird seit 2011 | |
„Kunststoffgranulat kategorisch nicht mehr verwendet“, teilte das der | |
Hamburger Innenbehörde unterstellte Sportamt mit. Das Einstreu-Material | |
bestehe „regelhaft“ aus Quarzsand. Deshalb, so das Sportamt, werde die | |
Verbots-Diskussion in Hamburg mit weniger Brisanz geführt. | |
„Wir sind raus aus dieser Debatte“, betont sogar Carsten Byernetzki vom | |
Hamburger Fußballverband. Ihm sei kein einziger Platz in Hamburg bekannt, | |
auf dem noch Kunststoffgranulat verwendet werde. | |
17 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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