# taz.de -- Rechte Gewalt in Adlershof: Berlin, ganz rechts unten | |
> Bezirksbürgermeister Oliver Igel und BewohnerInnen warnen vor der Zunahme | |
> rechter Gewalt in Adlershof. Schüsse auf Wohnungstür von Geflüchteten. | |
Bild: Ziel eines Anschlags mit Buttersäure: der Imbiss Habiba in Adlershof | |
Die Schmierereien stehen noch an der Hintertür des arabischen Imbisses | |
Habiba in der Adlershofer Dörpfeldstraße. Im Juni hat jemand ein Hakenkreuz | |
dorthin geschmiert. Darunter steht: „Ab in die Gaskammer“, „Scheiß Mosle… | |
und „Raus hier“. Der polizeiliche Staatsschutz ermittelt. Dazu wurde der | |
Imbiss mit Buttersäure überschüttet. „Die musste die Feuerwehr entfernen�… | |
sagt der Imbissbetreiber, ein junger Mann, der sich als „Deutscher mit | |
arabischen Wurzeln“ vorstellt – „das ist mir wichtig. Wir sind ja alle hi… | |
zur Schule gegangen,“, sagt er und zeigt auf die Gruppe seiner | |
Mitbetreiber, die mit ihm neben dem Imbisswagen sitzen und Tee trinken. | |
„Wie aus heiterem Himmel“ habe er den Anschlag erlebt, fährt der Mann fort. | |
„Wir kamen morgens zur Arbeit, und es stank nach Buttersäure.“ Seit fast | |
drei Jahren stehe der Wagen, der Falafel und frittiertes Gemüse anbietet, | |
in Adlershof. „Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zu unseren Kunden und zu | |
den Nachbarn“, sagt der Chef und trinkt einen Schluck Tee. „Wir helfen auch | |
mal den alten Leuten im Nachbarhaus“, er deutet in Richtung des Hauses, | |
„den Einkauf hochzutragen. Wir haben sogar mal eine neue Waschmaschine | |
hochgeschleppt.“ | |
Das Aktive Zentrum Dörpfeldstraße, eine Art Nachbarschaftszentrum, | |
bestätigt die Verankerung des Imbisses im Kiez. „Der Imbiss Habiba erfreut | |
sich seit drei Jahren großer Beliebtheit. Stets unterstützten die Betreiber | |
das Aktive Zentrum Dörpfeldstraße bei Veranstaltungen im Kiez.“ Eine Kundin | |
mit Kinderwagen, die gerade vor dem Imbiss steht, verurteilt den Angriff. | |
„Das hat man ja weit entfernt noch gerochen, es war eine Sauerei.“ | |
Doch nicht alle im Kiez sehen das so. Ein junger Mann im Blaumann an der | |
Straßenbahnhaltestelle direkt daneben sagt der taz: „Wenn jemand meint, den | |
Imbiss angreifen zu müssen, hat er vielleicht Gründe.“ | |
Für den Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, Oliver Igel (SPD), und | |
das Zentrum für Demokratie, das sich in dem Südostbezirk dem Kampf gegen | |
Rechtsextremismus widmet, steht der Anschlag auf den Imbiss für eine | |
Zunahme rechter Gewalt im Ortsteil Adlershof. Igel findet drastische Worte: | |
„Diese Eskalation ist erschreckend und widerspricht den grundlegenden | |
Werten unserer Demokratie. Ein friedliches Miteinander scheint immer | |
weniger selbstverständlich zu sein.“ | |
Tiefpunkt einer seit Mai anhaltenden Welle rechter Gewalt im Ortsteil waren | |
Ende Juni Schüsse auf die Wohnungstür einer geflüchteten Familie. Die gut | |
gesicherte Tür verhinderte einen Durchschuss und damit Personenschaden. Das | |
Zentrum für Demokratie, das politische Bildungsarbeit in Treptow-Köpenick | |
macht, sieht die Gewaltvorfälle mit Sorge – nach ihren Angaben sei die | |
Familie auch früher schon attackiert worden. Ihr Briefkasten sei zerstört | |
worden, der Gartenzaun wurde beschädigt und der Eingang mit Hundekot | |
beschmiert. Rechtsextremisten hätten die Familienmitglieder auch in der | |
Nähe ihrer Wohnung verbal beleidigt. Dem Zentrum für Demokratie zufolge sei | |
die Familie völlig verängstigt und will umziehen. Auch der Briefkasten | |
einer anderen geflüchteten Familie sei angegriffen worden. | |
Adlershof ist ein zweigeteilter Ortsteil im Südosten Berlins. Auf der einen | |
Seite der S-Bahn liegen die Wissenschaftsstadt und der Medienstandort mit | |
naturwissenschaftlichen Instituten der Humboldt-Uni, Forschungs-, | |
Produktionsstandorten und Fernsehstudios. Auf der anderen Seite ist ein | |
Wohngebiet. Hier wohnen immer mehr Studenten, aber auch etliche | |
Rechtsextreme. Schlagzeilen in Bezug auf Rechtsextremismus machte der | |
Ortsteil 2014, als die NPD gegen ein Flüchtlingswohnheim in einem | |
ehemaligen Hotel mobil machte. Es gab Naziaufmärsche, fremdenfeindliche | |
Parolen und anonyme Aufforderungen im Internet, das Heim abzubrennen, aber | |
auch eine engagierte Zivilgesellschaft, die dagegenhielt. Viele | |
NPD-Mitglieder wohnten im benachbarten Schöneweide und konnten von dort aus | |
leicht nach Adlershof mobilisieren, wo auch einige Anhänger wohnten und | |
wohnen. | |
Während der Bezirksbürgermeister und das Zentrum für Demokratie von einer | |
„Welle rassistischer Gewalt in Adlershof“ sprechen, ist die Polizei | |
zurückhaltender. „Nach einem Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum ist eine | |
Häufung von Straftaten derzeit nicht zu erkennen. Inwiefern es sich bei den | |
aktuellen Taten um eine Serie bzw. einzelne Serien handelt, ist Bestandteil | |
noch laufender Ermittlungen,“ so Polizeisprecher Thilo Cablitz. In diesem | |
Jahr zählt die Polizei in Adlershof acht Straftaten, die dem rechten | |
Spektrum zugeordnet werden. Tatverdächtige konnten bislang nicht ermittelt | |
werden. | |
15 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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