| # taz.de -- Klimapolitik der FDP: Ziellos und irreführend | |
| > Die FDP gibt sich in der Klimapolitik progressiv. Sie benennt Instrumente | |
| > wie den Emissionshandel, aber keine Ziele, die damit erreicht werden | |
| > sollen. | |
| Bild: Klimawandel aus Sicht der FDP: Der Wettbewerb soll's richten | |
| Wenn die FDP sich in der Vergangenheit zum Klimaschutz ausgelassen hat, | |
| dann wurde es vor allem skurril. So hat vor einem halben Jahr [1][Nicola | |
| Beer], inzwischen Vizepräsidentin des EU-Parlaments, behauptet, dass | |
| Klimaforscher den anthropogenen – menschengemachten – Klimawandel als | |
| kleinen Ausschlag ansehen, dessen Brisanz überschätzt sei. Und der | |
| Bundesvorsitzende der Partei, [2][Christian Lindner, reibt sich gern sowohl | |
| an der Klimabewegung Fridays for Future], der er Kompetenz und das Recht | |
| abspricht, während der Schulzeit für mehr Klimaschutz zu protestieren, als | |
| auch an der Klimapolitik der Großen Koalition, die er als | |
| planwirtschaftlich bezeichnet. | |
| Solche kontroversen Beiträge tragen dazu bei, dass kaum ein klares Bild | |
| davon entsteht, wie eine Klimapolitik der FDP tatsächlich aussehen würde. | |
| Sich die Vorschläge der FDP einmal genauer anzusehen, ist auch deshalb | |
| interessant, [3][weil Grüne und Liberale in Zukunft einer | |
| Regierungskoalition angehören könnten.] | |
| Zunächst die erfreuliche Nachricht: Die FDP ist keine Partei, die Leugner | |
| des anthropogenen Klimawandels vereint. Ein Beschluss des Bundesparteitags | |
| vom April 2019 bekennt sich ausdrücklich zum Ziel des Pariser Abkommens, | |
| „die Erderwärmung auf maximal 2, besser 1,5 Grad Celsius, zu begrenzen“. | |
| Daneben kritisiert die FDP die Klimapolitik der Großen Koalition, in vielen | |
| Fällen zu Recht. So sind aus liberaler Sicht Eingriffe der Politik in | |
| klimafreundliche Innovationen, zum Beispiel die einseitige Förderung von | |
| E-Mobilität, eine Wettbewerbsverzerrung, die ineffizient und teuer ist und | |
| dem Klimaschutz einen Bärendienst erweisen kann. | |
| ## Ohne Obergrenze ist Emissionshandel sinnlos | |
| Stattdessen fordert die FDP Technologieoffenheit und Wettbewerb. Um diesen | |
| hin zu einer effizienten Dekarbonisierung zu leiten, setzt die Partei ganz | |
| auf Emissionshandelssysteme, die möglichst viele Länder und Sektoren | |
| umfassen sollen. Zum Beispiel klammert das europäische | |
| Emissionshandelssystem (EU-ETS) wichtige Sektoren bisher aus, | |
| insbesondere die hochemittierenden Verkehrs- und Gebäudesektoren sowie die | |
| Land- und Forstwirtschaft. Die FDP will das ändern. Darüber hinaus soll das | |
| EU-ETS mit anderen Emissionshandelssystemen verbunden werden, damit der | |
| Emissionshandel möglichst global stattfindet. | |
| Dem naheliegenden Einwand, dass Reformen des EU-ETS und internationale | |
| Abkommen sich langwierig gestalten würden, begegnet die FDP mit dem | |
| Vorschlag, dass Deutschland dann vorangehen und den Emissionshandel | |
| national, aber innerhalb des EU-ETS, auf andere Sektoren ausweiten sollte. | |
| In einem von der FDP in Auftrag gegebenen Gutachten, das letzte Woche | |
| vorgestellt wurde, kommt der Tübinger Staatsrechtler Martin Nettesheim zu | |
| dem Schluss, dass es europarechtskonform wäre, wenn Deutschland den | |
| Verkehrssektor einseitig in das EU-ETS integriert. | |
| Marktwirtschaftliche Instrumente wie den Emissionshandel zu nutzen, um den | |
| Treibhausgasausstoß zu verringern, ist grundsätzlich sinnvoll. Leider | |
| verbindet die FDP ihre Vorschläge zur Erweiterung des Emissionshandels mit | |
| allerlei Nebelkerzen. Zum Beispiel ist die Partei gleichzeitig strikt gegen | |
| eine Steuer auf Treibhausgase. Den Emissionshandel und die Steuer | |
| gegeneinander auszuspielen, ist aber irreführend, weil beides Instrumente | |
| sind, den Ausstoß von Treibhausgasen zu bepreisen und unter idealen | |
| Bedingungen zu denselben Resultaten führen. Es spielt eine untergeordnete | |
| Rolle, ob die Politik eine Steuer oder ein Handelssystem einführt, solange | |
| das technisch sauber gemacht wird und der Preis für den Treibhausgasausstoß | |
| deutlich steigt. | |
| ## Hauptproblem der Strategie | |
| Damit sind wir beim Hauptproblem der FDP-Klimastrategie: Die Partei benennt | |
| Instrumente, aber nicht die Ziele, die diese Instrumente erreichen sollen. | |
| Bei Emissionshandelssystemen muss zunächst eine Obergrenze an | |
| Treibhausgasemissionen definiert werden. Unternehmen erhalten oder erwerben | |
| dann Emissionszertifikate, die zusammen diese Obergrenze nicht | |
| überschreiten und innerhalb deren Grenzen sie emittieren dürfen. | |
| Der Emissionshandel läuft über diese Zertifikate, weshalb die Menge der | |
| Zertifikate bestimmt, wie teuer es ist, Treibhausgase auszustoßen. Wenn die | |
| Obergrenze zu hoch ist, sinkt der Preis für Zertifikate, und es werden | |
| keine Anreize geschaffen, weniger zu emittieren. Wer | |
| Emissionshandelssysteme als zentrales Instrument seiner | |
| Klimaschutzstrategie vorschlägt, muss also zwingend eine Zielgröße | |
| definieren, ansonsten ist der Vorschlag nicht aussagekräftig. Die FDP tut | |
| das jedoch nicht. | |
| Solche Auslassungen ziehen sich durch die gesamte Klimastrategie der FDP. | |
| Nach konkreten Plänen, wie viel Treibhausgase im Jahr Deutschland oder | |
| Europa oder die Welt zukünftig weniger ausstoßen sollten als in der | |
| Vergangenheit, wenn es nach der Partei ginge, sucht man vergeblich. Einzig | |
| der Bezug auf das Pariser Abkommen kann als konkrete Vorgabe interpretiert | |
| werden. Die FDP sieht die „daraus resultierenden Ziele“ als verbindlich an. | |
| ## Die Probleme sind bekannt und lösbar | |
| Es ist unklar, welche Ziele damit gemeint sind; vermutlich der Plan der EU, | |
| die ausgestoßenen Treibhausgase in der EU bis 2030 um mindestens 40 Prozent | |
| gegenüber 1990 zu reduzieren. Falls die FDP diesen Plan meint, ist das | |
| jedoch eine wenig ambitionierte Klimapolitik, die für die Ziele von Paris | |
| nicht ausreicht. Zum Beispiel hat die SPD im Europawahlkampf dafür | |
| geworben, dass die EU bis 2030 45 Prozent weniger Treibhausgasemissionen | |
| ausstößt als 1990. Die Grünen visieren 55 Prozent an, die Linke gar 65 | |
| Prozent. Einzig die Union wäre so ambitionslos wie die FDP. | |
| Noch schlechter sieht es mit nationalen Klimazielen aus. Die Große | |
| Koalition hat sich darauf geeinigt, dass Deutschland bis 2030 mindestens 55 | |
| Prozent weniger Treibhausgase ausstößt als 1990. Die FDP lehnt solche | |
| nationalen Klimaziele grundsätzlich ab. Als Begründung verweist sie auf den | |
| Emissionshandel: Werden Zertifikate in Deutschland nicht genutzt, etwa | |
| durch die Abschaltung eines Kohlekraftwerkes, dann würde der Preis für | |
| Zertifikate fallen und diese würden dafür in anderen EU-Ländern genutzt. | |
| Das ist aber kein Argument, um sich vor nationalen Klimazielen zu drücken, | |
| weil eine Verlagerung von Emissionen vermieden werden kann durch die | |
| Löschung von Zertifikaten, die hierzulande weniger genutzt werden. Solche | |
| Löschungen sind ein einfaches und bekanntes Mittel, die sogar die | |
| Kohlekommission, die von vielen Klimaaktivisten für ihren fehlenden Ehrgeiz | |
| kritisiert wurde, bei allen Abschaltungen vorsieht. | |
| Damit ergibt sich folgendes Bild zur Klimapolitik der FDP: Die Partei gibt | |
| sich progressiv, indem sie auf Innovationen und marktwirtschaftliche | |
| Instrumente setzt. Leider stecken dahinter keine ähnlich progressiven Ziele | |
| zur Reduktion der Treibhausgasemissionen. Darüber hinaus wird auf Probleme | |
| hingewiesen, die das Fehlen solcher Ziele scheinbar rechtfertigen. Das ist | |
| nicht viel mehr als ein rhetorischer Kniff, da diese Probleme wohlbekannt | |
| und lösbar sind. Die Fridays-for-Future-Bewegung ist gut beraten, ihr | |
| berechtigtes Anliegen nicht vermeintlichen Profis von der FDP zu | |
| überlassen. | |
| 10 Jul 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Philippe van Basshuysen | |
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