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# taz.de -- Kolumne B-Note: Absurdes Theater im Videoraum
> Auch bei der Frauen-WM blamiert sich der Videobeweis. Jetzt sogar bei
> Elfmetern. Gegen Argentinien mussten die Schottinnen deswegen leiden.
Bild: Da führte Schottland noch: Spielerinnen bejubeln das 1:0
Bei entscheidenden Niederlagen fließen Tränen, bei Siegen auch. So ist das
im Sport. Und wenn man besonders unglücklich aus einem Turnier
ausgeschieden ist wie die Schottinnen nach dem 3:3 am Mittwochabend gegen
Argentinien, dann würde man auch als neutraler Zuschauer am liebsten
mitheulen. Die Schottinnen wähnten sich schon ausgeschieden, als beim Stand
von 3:2 nach Videobeweis auf Elfmeter für Argentinien entschieden wurde.
Dann glaubten sie wieder an ihre Chance aufs Achtelfinale, als Florencia
Bonsegundo vom Punkt aus gescheitert war. Als der Elfmeter wiederholt
wurde, weil im Videoschiedsrichterraum festgestellt worden war, dass sich
die schottische Keeperin Lee Alexander zu früh von der Linie bewegt hatte,
kannte das Elend der Schottinnen keine Grenzen mehr. Denn Bonsegundo hatte
nun getroffen.
Der Elfmeterirrsinn geht also weiter bei dieser WM. Das kann niemand
gewollt haben. Und in der Tat, so war das nicht gedacht. Als bekannt wurde,
dass nach Saisonende neue Regeln gelten, stieß die neue Torhüterregelung
beim Elfmeter auf wenig Kritik.
Statt mit beiden Beinen auf der Linien stehen bleiben zu müssen, sollten
die Torhüter fortan einen Fuß schon von der Linie wegbewegen dürfen, bevor
der Schütze den Ball getreten hat. Die Regeländerung wurde als
Entgegenkommen gelesen, so als hätten es die Torhüter nun leichter.
Was es für Folgen hat, wenn die Einhaltung dieser neuen, eigentlich
lockereren Regel vom Videoschiedsrichterraum überwacht wird, zeigt sich nun
bei dieser WM. Es hagelt gelbe Karten für die Torhüterinnen, die es einfach
nicht gewohnt sind, auf der Linie stehen zu bleiben. Bis jetzt hat sich ja
auch kaum wer darum geschert, welche Regeln beim Elfmeter übertreten
werden. Man kann sogar sagen, dass in den vergangenen Jahren kaum ein
Elfmeter den Regeln gemäß ausgeführt worden ist.
Darauf haben die Macher des Schiedsrichter-Podcasts „Collinas Erben“
aufmerksam gemacht. Sie verweisen auf eine [1][Untersuchung], die von den
Sportwissenschaftlern Otto Kölbinger und Michael Stöckl im April
vorgestellt worden ist. Die beiden haben 618 Elfmeter aus drei Spielzeiten
in Österreich, Deutschland, Italien und England überprüft und sind zu dem
Ergebnis gekommen, dass kein einziger (!) korrekt ausgeführt war. Entweder
bewegte sich der Keeper zu früh, oder es liefen Feldspieler zu früh in den
Strafraum. Meistens war beides der Fall.
Die beiden Sportwissenschaftler haben sich für das Thema interessiert, weil
es beispielhaft dafür steht, dass es im Sport Regeln gibt, um deren
Einhaltung sich niemand groß kümmert. Das betrifft Schiedsrichter, Spieler
und Fans. Es war bislang scheißegal, was der oder die im Tor genau macht
beim Elfmeter. Ein Handlungsbedarf bestand also nicht wirklich. Jetzt
jedoch wird den Regeln entsprechend geahndet. Und genau das kann man einen
Skandal nennen.
20 Jun 2019
## LINKS
[1] https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2019.00844/full
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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