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# taz.de -- Kommentar Lehren aus dem Fall Lügde: Nicht länger die Augen wisch…
> Das Versagen staatlicher Organe im Fall Lügde ist unerklärlich. In diesem
> gewaltigen Skandal liegt aber auch eine Chance.
Bild: Wegschauen ist bei Kindesmissbrauch oft der erste Impuls
Berlin taz | In einer Dokumentation der ARD zum [1][Missbrauchsskandal von
Lügde] ist eine Szene zu sehen, die sehr aufschlussreich ist. [2][Herbert
Reul, Innenminister von Nordrhein-Westfalen], besucht das Landeskriminalamt
Düsseldorf, um mit Beamten zu sprechen, die auf Kindesmissbrauch
spezialisiert sind. Ein Polizist zeigt ihm kinderpornografisches
Videomaterial, dass sie dort auswerten müssen. Ein Kleinkind schreit
erbärmlich. Reul, fassungslos, fährt sich mit den Händen über die Augen.
Sein Impuls: wegschauen, weil es schlicht unerträglich ist.
Genau das ist bei Straftaten wie denen von Lügde das Problem. Sie sind zu
grauenhaft und entgegen dem menschlichen Instinkt, Kinder zu beschützen, um
sie als Teil der Realität einordnen zu können. Die meisten Menschen können
sich nicht vorstellen, dass „der nette Addi vom Campingplatz“, der
alleinstehend und vielleicht ein Außenseiter und Sonderling ist, gleich ein
Pädophiler sein soll.
Doch er war es und mit ihm gleich noch zwei weitere Männer, die offenbar
untereinander keine Hemmungen hatten, sich zu offenbaren. Nicht allein ihr
Missbrauch – mehr als 1.000 Einzeltaten und mindestens 23 Opfer – macht den
Fall von Lügde einzigartig in der deutschen Kriminalgeschichte.
Es ist vor allem das Versagen der staatlichen Organe. Allein, dass einem
Mann ohne richtige Wohnung vom Jugendamt ein Pflegekind überlassen wird,
ist unerklärlich. Oder dass ein ganzer Koffer voller [3][Beweismaterial in
Form von DVDs aus dem Polizeirevier verschwunden] ist.
## Jeder muss hinsehen, jeder muss es erkennen
Der Skandal ist so gewaltig, dass darin auch eine Chance auf einen
grundsätzlichen Wandel liegt. Das Thema Kindesmissbrauch ist durch den
Prozess und den Untersuchungsausschuss inzwischen nicht nur in
Nordrhein-Westfalen ganz oben auf der politischen Agenda.
Statt entsetzt wegzusehen, müssten nicht nur dem Kinderschutzbund, sondern
auch jedem Polizisten und jeder Polizistin, jedem Beschäftigten an einer
Schule, allen Erzieher*innen im Allgemeinen und Eltern im Besonderen klar
sein, wie die Anzeichen für Missbrauch genau zu erkennen sind und was bei
solchen Anzeichen zu tun ist. Denn man sollte sich nichts vormachen:
Statistisch kennt jeder einen Menschen mit pädophilen Neigungen.
Dass die Täter vom Campingplatz nun geständig sind und hoffentlich für
möglichst lange Zeit weggesperrt und später sicherungsverwahrt werden, ist
nur ein schwacher Trost. Der Missbrauch von Lügde hätte schon vor zwei
Jahrzehnten bemerkt und aufgeklärt werden können, wenn tatsächlich
ermittelt worden wäre. Dass dies nicht geschah, bleibt unverzeihlich.
28 Jun 2019
## LINKS
[1] /Prozessauftakt-im-Missbrauchsfall-Luegde/!5607977
[2] /Kommentar-Hambacher-Polizeistatistik/!5570951
[3] /Missbrauchsfall-in-Luegde/!5591983
## AUTOREN
Silke Mertins
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