# taz.de -- Kolumne Henningway: Verwaiste Fußballplätze vor Augen | |
> Schulkinder gehen heute nicht mehr in Sportvereine. Daher gehen die | |
> Vereine eben dahin, wo die Kinder sind – in Kindergärten und in Schulen. | |
Bild: Leere Fußballplätze werden bei den Sportvereinen auf dem Land mehr und … | |
Jeder Ort hat seinen Fußballverein, seinen Fußballplatz, sein Vereinsheim. | |
Wie viel Quadratmeter Platz das wohl bundesweit in der Summe ergibt? | |
Deutschland ist, nicht nur topografisch betrachtet, ein Fußballland. Mehr | |
als sieben Millionen Mitglieder zählt der DFB. Das ist bombastisch. Zahlen | |
sagen aber nicht alles. Sie erzählen nicht, wie die Leute ticken, die die | |
Strukturen leben. Fragt man einige von ihnen, Trainer und Funktionäre (ja, | |
die heißen so), wie es denn so läuft bei ihnen, dann hört sich das eher | |
traurig an. | |
Der Fußball, meint man, sei wirkungsmächtig, und so groß er auch ist, er | |
ist in einer schwierigen Lage. Denn die jungen Leute gehen immer weniger in | |
die Vereine. Und das kann man ruhig Krise nennen. Jede Spielgemeinschaft, | |
aus der Not gegründet, von zwei Vereinen aus benachbarten Dörfern, lässt | |
sich wie ein Zeichen dieses Niedergangs lesen. Denn minus mal minus ergibt | |
nicht immer plus. Auf dem flachen Lande ist die Krise besonders im Gange | |
und dort mehr oder weniger heftig zu beobachten und zu spüren. | |
Diese Krise hat der Fußball mit anderen Granden und Garanten der ländlichen | |
Bürgergesellschaft (zumindest im Westen der Republik) gemein: etwa mit der | |
Freiwilligen Feuerwehr oder dem SPD-Ortsverband. Es eint und es grassiert | |
gleichermaßen hier wie dort die Vergreisung der Vereinsspitzen. Ohne | |
nennenswerten Frauenanteil, versteht sich. | |
## Tagesordnungspunkte abspulen | |
Wie ist dem Mangel an Nachwuchs beizukommen? Dazu herrscht Ratlosigkeit | |
allerorten. Die Herren tagen, wie eh und je, an unwirtlichen Orten. Doch | |
stellen sie, während sie routiniert ihre „TOPs“, ihre Tagesordnungspunkte | |
abspulen, die wichtigen Fragen, die in die Zukunft weisen? Bestimmt tun sie | |
das manchmal. Finden sie aber auch Antworten, die sich in konkreten Zielen | |
und Maßnahmen ausdrücken? In der Regel nicht. Für die Leserbriefschreiber: | |
Ausnahmen bestätigen wie so oft die Regel. | |
Das Verrückte: Die Antworten sind so simpel wie logisch. Zumindest den | |
Fußball betreffend. Die Kinder kommen nicht mehr in den Verein, also geht | |
der Verein dahin, wo sowieso alle Kinder sind: in die Kindergärten und in | |
die Schulen. Der Fußball verbrüdert und verschwistert sich mit den | |
Sportlehrern und den Erziehern, mit den Hort- und den Schulleitern. Grund- | |
und Oberschul-Ligen für Schüler und Schülerinnen sind die passgenauen | |
logischen wie modernen Wettbewerbe. So entsteht ganz organisch eine | |
alltagstaugliche Sport- und Fußballstruktur und -kultur von unten für alle. | |
Das System Ganztagsschule sagt, so unterschiedlich es, je nach Bundesland, | |
ausgeprägt ist, dass die Kinder den ganzen Tag an den Schulen sind. Was ist | |
vor diesem Hintergrund logischer: Der uns allen bekannte Vereinsport, der | |
nach 16 Uhr beginnt, oder der Vereinssport, der in den Schulalltag | |
eingegliedert ist? Eine rhetorische Frage. An rund 170 Tagen im Jahr ist | |
keine Schule. Die Frage ist, was an diesen Tagen, an den Feiertagen, den | |
Wochenenden und in den Ferien, von den Fußballvereinen angeboten wird? | |
Auch das ist recht simpel wie logisch: Wenn eine Organisation an den | |
Bildungsorten mitarbeitet und sinnvolle Angebote für die Zeit außerhalb | |
dieser, also für die Freizeit strickt, dann reden wir von einem wichtigen | |
Sozialakteur. Die, die dort gerne tätig sind, sollten das beruflich tun | |
können. Ein Arbeitsfeld Sport, auf der Grundlage der Ganztagsschule, gibt | |
dem Sport eine schöne Perspektive. Aus maroden Strukturen und den | |
unwahrscheinlicher werdenden positiven Zufälligkeiten, die aus dem Ehrenamt | |
erwachsen können, werden keine großen Perspektiven entstehen. Man muss | |
kein Seher sein, um das zu prognostizieren. | |
23 Jun 2019 | |
## AUTOREN | |
Henning Harnisch | |
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