# taz.de -- Kasseler Regierungspräsident: Polizei geht von Tötungsdelikt aus | |
> CDU-Politiker Walter Lübcke wurde mit einem Kopfschuss in seinem | |
> Vorgarten aufgefunden. Im Netz bejubeln Rechte seinen Tod. | |
Bild: Die Umgebung des Wohnhauses von Walter Lübcke bleibt auch am Montag noch… | |
Frankfurt am Main taz | Es war Montagabend, als die Staatsanwaltschaft | |
Kassel und das Landeskriminalamt erstmals vor die Presse traten. Tags zuvor | |
war der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke, CDU, [1][auf der | |
Terrasse seines Hauses im nordhessischen Wolfhagen-Istha aufgefunden | |
worden], offenbar ermordet. Wer ist dafür verantwortlich? Man wisse es | |
nicht, sagte Staatsanwalt Horst Streiff. „Konkrete Hinweise auf Täter oder | |
ein Tatmotiv haben wir bisher nicht.“ | |
Lübcke sei um 0.30 Uhr am Sonntagmorgen von einem Angehörigen gefunden | |
worden, schilderte Streiff. Reanimationsversuche seien gescheitert, der | |
65-Jährige sei um 2.35 Uhr in der Klinik verstorben. Lübcke sei aus | |
nächster Distanz mit einer Kurzwaffe erschossen worden. Hinweise auf einen | |
Suizid lägen nicht vor. | |
LKA-Präsidentin Sabine Thurau sagte, man ermittele mit Hochdruck in alle | |
Richtungen. Es wurde eine 20-köpfige Sonderkommission gebildet. In | |
Medienberichten war die Rede von einem Mann, der mit Lübcke angeblich auf | |
der Kirmes in seinem Heimatort unmittelbar vor der Tat zusammengetroffen | |
sei. Aus der CDU hieß es auch, „Reichsbürger“ hätten Lübcke bedroht. | |
Während der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und | |
VertreterInnen der anderen Landtagsparteien geschockt auf die Nachricht | |
reagierten und die Verdienste des auch von der politischen Konkurrenz | |
wertgeschätzten Politikers hervorhoben, tauchten im Internet höhnische | |
Kommentare von offenbar Rechtsgerichteten auf. Von einer „guten Tat“ ist da | |
laut des Blogs „Die Volksverpetzer“ die Rede. | |
Rechte nehmen Lübcke eine Intervention zur Verteidigung der | |
Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel übel. Bei einer | |
Bürgerversammlung hatte sich der Regierungspräsident im Oktober 2015 gegen | |
ausländerfeindliche Zwischenrufe gewehrt. Es lohne sich, in Deutschland zu | |
leben und für die Werte der Republik einzutreten, hatte Lübcke den Störern | |
zugerufen. Und hinzugefügt: „Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses | |
Land jederzeit verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die | |
Freiheit eines jeden Deutschen.“ Dieses Zitat sorgte bundesweit für | |
Schlagzeilen. Lübcke war danach monatelang Ziel von Hassbotschaften aus der | |
rechten Szene. | |
Für einen Zusammenhang zwischen diesen Vorfällen und dem Mord gebe es nach | |
bisherigem Stand keine Erkenntnisse, sagte indes LKA-Chefin Thurau. So wie | |
auf der Bürgerversammlung haben indes auch seine Weggefährten Walter Lübcke | |
erlebt, in den zehn Jahren, die er dem hessischen Landtag angehörte, seit | |
2010 als Regierungspräsident: im persönlichen Umgang offen und verbindlich, | |
in der Sache ein Freund der klaren Worte. | |
So hatte Lübcke gegen den Mainstream seiner Partei bereits auf erneuerbare | |
Energien gesetzt, als die hessische CDU im Landtagswahlkampf noch mit | |
Plakaten gegen angebliche „Windkraftmonster“ zu Felde zog. Der promovierte | |
Wirtschaftswissenschaftler, der im Nebenberuf Landwirt blieb, hatte eigenes | |
Geld in Windräder investiert und war später sogar Geschäftsführer eines | |
Windparks. | |
Als Koalitionspartner der Grünen wirbt heute nun auch die CDU für den | |
Ausbau der Windenergie. Nur die FDP lag mit dem Regierungspräsidenten wegen | |
seiner Nähe zur Windenergie im Clinch. Inzwischen dürfte auch sie ihren | |
Frieden mit dem kantigen Politiker gemacht haben. FDP-Fraktionschef René | |
Rock erklärte jedenfalls: „Mit Walter Lübcke verlieren wir einen | |
bodenständigen und dem Leben zugewandten Menschen, der Herzen zu gewinnen | |
verstand.“ | |
Ministerpräsident Bouffier nannte Lübcke einen „Brückenbauer, wie er besser | |
nicht hätte sein können“. Und die Linken-Fraktionschefin Janine Wissler | |
lobte Lübcke als „fairen Kollegen“, der sich 2015 „sehr deutlich für die | |
Aufnahme von Flüchtlingen und gegen rechts ausgesprochen“ habe. | |
Vor zwei Wochen konnte Lübcke noch sein zehntes Dienstjubiläum als | |
Regierungspräsident feiern. Ende März hätte der 65-Jährige eigentlich in | |
Pension gehen dürfen, doch auf Wunsch von Ministerpräsident Bouffier blieb | |
er im Amt. Die MitarbeiterInnen seiner Behörde äußerten „Fassungslosigkeit… | |
angesichts des Todes ihres „außerordentlichen nahbaren“ Chefs. | |
3 Jun 2019 | |
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## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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