| # taz.de -- Holocaust-Ausstellung in Wien: Mit Nadel und Faden gegen rechts | |
| > Muslime, Juden, Pfadfinder, Katholiken: Nach der Zerstörung einer | |
| > Holocaust-Ausstellung halten Freiwillige in Wien Tag und Nacht Wache. | |
| Bild: Vor dem Vandalismus: die Austellung „Gegen das Vergessen“ | |
| Wien taz | Wien ist momentan so etwas wie der Nabel der Welt. Und da wird | |
| das hässliche wie auch das freundliche Gesicht dieser Stadt international | |
| stark wahrgenommen. Das freundliche gehört den jungen Menschen, die seit | |
| Montag beiderseits des Burgtors an der Ringstraße kampieren und die | |
| Ausstellung „Gegen das Vergessen“ bewachen. Es handelt sich um neunzig | |
| mannshohe Portraits von Holocaust-Überlebenden aus aller Welt, die Anfang | |
| Mai entlang des Rings aufgestellt wurden. Kurzbiographien stellen die | |
| abgebildeten Menschen vor. | |
| Das hässliche Gesicht sind die Vandalenakte, mit denen mehrere dieser Fotos | |
| in der Nacht auf Montag beschädigt wurden. Einige wurden mit einem Messer | |
| zerschnitten, auf einem anderen sieht man ein von einer Zigarette | |
| verursachtes Brandloch, wieder ein anderes wurde mit einem Hakenkreuz | |
| beschmiert. Es war bereits der dritte Anschlag binnen weniger Tage auf die | |
| vom deutschen-italienischen Starfotografen Luigi Toscano aufgenommenen | |
| Bilder. | |
| Die Polizei hat bisher keine Erkenntnisse, wer für das Zerstörungswerk | |
| verantwortlich sein könnte. Politische Motive liegen aber nahe. Deswegen | |
| fand am Dienstag auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen zwischen | |
| Regierungskrise und einem Termin mit der schwedischen Klimaaktivistin Greta | |
| Thunberg Zeit für eine Geste. Begleitet von seiner Ehefrau und dem | |
| Fotografen legte er Blumen vor einem der Portraits nieder. | |
| Das hässliche Gesicht ihrer Stadt wollten auch unzählige Freiwillige nicht | |
| hinnehmen. Da kamen Leute, die die zerschnittenen Stoffbilder mit Nadel und | |
| Faden wieder instandsetzten, und andere, die die ehrenamtlichen | |
| Wächterinnen und Wächter bei regnerischem und kühlem Wetter mit heißem Tee, | |
| Keksen und anderen Nahrungsmitteln versorgen. | |
| Sie kommen vom Künstlerkollektiv Nesterval, das seine Inszenierungen meist | |
| auf der Straße und an anderen Orten außerhalb des klassischen Theaterraums | |
| aufführt. Die eher avantgardistisch geprägten Künstlerinnen wechseln sich | |
| in einem kultur- und religionsübergreifenden Schulterschluss ab mit der | |
| Muslimischen Jugend, den Jüdischen Österreichischen HochschülerInnen, der | |
| Young Caritas, den Pfadfindern und der Katholischen Jugend Österreichs. | |
| ## Künstler Toscano: „Die Wucht überrascht uns alle“ | |
| „Mir hat's die Luft abgeschnürt“, begründet eine junge Frau von Young | |
| Caritas ihr Engagement. „Die Bilder standen schon in der ganzen Welt. Sowas | |
| ist aber nur in Wien passiert“, so Peter Schwarz, Geschäftsführer des | |
| psychosozialen Zentrums ESRA, der die Ausstellung nach Wien geholt hat. | |
| Anders als die Wehrmachtsausstellung vor einigen Jahren kratzen die | |
| Portraits der faltigen Gesichter an keinem Tabu, das die blinde Aggression | |
| erklären würde. Luigi Toscano sieht seine Ausstellung als Reaktion auf den | |
| europaweiten Rechtsruck. „Wir hatten immer Angst davor, dass so etwas | |
| passiert. Aber die Wucht überrascht uns alle“, so Toscano im Kurier. | |
| Er fühlt sich jetzt in der Absicht bestärkt, die Bilder „zusätzlich in | |
| anderen Städten Österreichs auszustellen. Und das machen wir auch“. In Wien | |
| werden sie bis 31. Mai zu sehen sein und bis dahin bewacht werden. | |
| 29 May 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Leonhard | |
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