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# taz.de -- Die Wahrheit: Prost, Planet!
> Gestirne werden jetzt nach Biermarken benannt. Auf diese hervorragende
> Idee können auch wirklich nur Belgier kommen.
Bild: Belgisches Idyll: Bierseliger Betbruder vor Raumkapsel
Männliche Wissenschaftler und Firmengründer lieben Abkürzungen, die
weibliche Vornamen ergeben. Beispiele: HelGA steht für die „Hochschul
electronic Gaming Automaten“, ein Projekt an der Uni Stuttgart, PETRA ist
die „Positron-Elektron-Tandem-Ringbeschleuniger-Anlage“ in Hamburg und ELSA
war hier eine Hardwarefirma („ELektronische Systeme Aachen“) und ist dort
die „European Law Students’ Association“.
Ob der fantasiereich konstruierte Name jeweils auf eine Angebetete zielt,
wissen wir nicht. Anders liegt der Fall bei einem belgischen Astronomen.
Der dachte, mit Verlaub, an Wichtigeres als Frauen. Michaël Gillon heißt
der Mann. Er und sein Forscherteam an der Universität Lüttich hatten im
Februar 2017 in schlanken 40 Lichtjahren Entfernung einen Fixstern mit
sieben neuen, niedlich kleinen Planeten entdeckt. Die Aufregung war groß,
weil sechs der sieben Zwerge in einer moderaten Temperaturzone liegen, in
der es Wasser und damit Leben geben könnte. Womöglich also eine Sensation.
Weniger beachtet war, mit welchem optischen Gerät Gillon gearbeitet hatte:
mit dem TRAnsiting Planets and PlanetesImals Small Telescope, kurz
TRAPPIST. Den Fixstern taufte Gillon gleich Trappist-1. Die Planeten heißen
seitdem Trappist-1a-g – die Durchbuchstabierung ist mäßig originell, aber
eben übliche Wissenschafts-Nomenklatura.
Der Bezug zum Trappistenbier sei natürlich Absicht gewesen, erklärte
Gillon, wissenschaftlich schmunzelnd. Der Name Trappist wurde in irdischen
sozialen Netzwerken auch umgehend mit Begeisterung kommentiert: Belgische
Bierflaschen waren flugs in die Animations-Bilder der neuen Planeten
montiert. Die Milchstraße wurde flugs in Bierstraße umbenannt („viel
sympathischer“). „Wenn ich gewusst hätte“, schrieb einer, „dass es im
Weltall Trappistenbier gibt, hätte ich bestimmt Astronautologie studiert.“
Ein anderer meinte: „Planet Trappist? Da war ich schon mal. Er hat 10
Prozent.“ Trappistenbier, höchstes aller Genüsse im Sudkesselkosmos, muss
von oder zumindest unter Aufsicht von Zisterziensermönchen gebraut werden.
Anders als die vergleichsweise vielen banalen Abteibiere, die nach alten
Rezepten auch als Auftragsgebräu in weltlichen Sudkesseln hergestellt
werden dürfen.
## Angemessener Taufakt
Einer schlug damals auf Facebook vor, die kleinen Weltraum-Kerle gleich
nach den berühmten belgischen Trappistenbrauereien wie Westvleteren, Chimay
und so weiter zu benennen. Eine schön alberne Idee. Jetzt, zwei Jahre
später, will Michaël Gillon den Vorschlag tatsächlich für seine sieben
kleinen Planetlein aufgreifen. Wie der Sternenforscher unlängst erklärte,
wolle man der Internationalen Astronomischen Vereinigung ernsthaft und
offiziell Namen wie Orval, Rochefort oder Westmalle vorschlagen. Eine große
Geste, besser Gerste, dem Elfenbeinturm endlich ein wenig Volksnähe zu
geben.
Es möge, meinte Gillon mit seltenem belgischen Selbstbewusstsein, „ein
wenig verrückt klingen, aber es sind immer noch wir, die dieses System
entdeckt haben.“ Und so könne er als Vater der etwa erdgroßen Himmelskörper
auch zum angemessenen Taufakt schreiten.
Allerdings hat die Sache rechnerisch einen Haken. Es gibt nur sechs
belgische Trappistenbrauereien (von weltweit 12), aber sieben Planeten. Das
weiß auch der Astronom. Er hat vorgeschlagen, als siebten Namen eine
amerikanische Trappistenbrauerei dazu zu nehmen; taktisch clever, um die
mächtige US-Himmelforscherschar einzubinden.
Aber wirklich schon wieder einen Ami ins All? Dann aber als
lebensfremdesten Planeten! Besser, die Nr. 7 bekäme als Verneigung vor der
Trappistenabtei Sint-Sixtus im flämischen Örtchen Vleteren deren mit
Preisen überhäuftes Gebräu Westvleteren 12 zum Namen. Oder: Als kleinste
der weltweit 12 Trappistenabteien böte sich für den 7. Himmelskörper auch
Stift Engelszell in Oberösterreich an. Die himmelsnahe Lage des neuen
Planeten weist schon auf die Geburtszelle von Engeln hin. Und: Darf man
diesem merkwürdigen Alpenvolk nicht mal andere, schönere Schlagzeilen
gönnen?
## Hollandplanet Pilsje
Wie auch immer Gillon sein arithmetisches Problem löst – wir hätten darüber
hinaus ein paar Ideen für internationale Nachahmer: Pilsje wäre ein schöner
schlichter Hollandplanet. Tschechische Trabanten, die wie ihre
Gestirne-Kollegen auch beim Urknall entstanden sind, könnten Urquell
heißen. Der weinfreudige Franzose entdeckt am Rande der Unendlichkeit Clo
de Cosmos oder ein Chateau au Loin – ganz weit weg eben.
Und Deutsche, wie wäre es mit dem Planeten Weizenbier, mit Liebfrauenmilch,
dem guten alten Kröver Nacktarsch? Oder mit einer neuen Galaxie als
Schnapsstraße? Herr Gerst, das wäre doch eine Aufgabe für Sie. Dann wird
uns das All in seiner allfälligen Höhe, Tiefe und Weite noch sympathischer.
Prost – mit reichlich Allolol.
5 Jun 2019
## AUTOREN
Bernd Müllender
## TAGS
Reiseland Belgien
Astronomie
Bier
Schwerpunkt Fridays For Future
Deutsche Bahn
Golf
Golf
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