# taz.de -- Neuseeland definiert Staatshaushalt um: Wohlbefinden über alles | |
> Neuseeland verzeichnete 2018 die höchste Suizidrate seit Jahren. Nun | |
> investiert es Milliarden in die Bekämpfung von psychischen Krankheiten | |
> und Armut. | |
Bild: Wohlfühlbild: Neuseeland ist keine Idylle | |
CANBERRA taz | Seit einem Jahr hatten die Neuseeländer auf das „erste | |
Wohlbefinden-Budget“ der Welt gewartet – und dann wurde es beinahe zum | |
Rohrkrepierer. Mehrere geplante Maßnahmen der sozialdemokratischen | |
Regierung von Premierministerin Jacinda Ardern waren schon im Vorfeld an | |
die Öffentlichkeit gedrungen. So blieb am Donnerstag wenig Raum für | |
Überraschungen. | |
Finanzminister Grant Robertson kündigte an, mehrere Milliarden Dollar in | |
die Bekämpfung von psychischen Krankheiten und der in Teilen des Landes | |
endemischen Armut zu pumpen. Neuseeland ist nicht für alle ein Traumland: | |
2018 verzeichnete es die höchste Suizidrate seit Jahrzehnten. | |
Wellington hat die Parameter für den Haushaltsplan deshalb komplett neu | |
definiert. Alle staatlichen Ausgaben werden danach bewertet, ob und in | |
welcher Form sie dazu beitragen, fünf Ziele zu erreichen: die Verbesserung | |
der psychischen Gesundheit, die Reduzierung von Kinderarmut, die Bekämpfung | |
der sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheit zwischen der | |
europäischstämmigen Bevölkerungsmehrheit und den Maori-Urbewohnern, das | |
Prosperieren des Landes im digitalen Zeitalter sowie die Transformation der | |
Wirtschaft in eine emissionsarme, nachhaltige Zukunft. | |
Ministerien wurden angewiesen, ihre Strategien entsprechend anzupassen. | |
[1][Damit löst Premierministerin Ardern ein vor den Wahlen 2017 gemachtes | |
Versprechen] ein: soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz auf dieselbe Stufe | |
zu stellen wie wirtschaftliches Wachstum. | |
## Weniger Produktivität, weniger Konsum | |
Laut dem Internationalen Währungsfonds soll die neuseeländische Wirtschaft | |
2019 um 2,5 Prozent wachsen, 2020 um 2,9 Prozent. Nicht alle Bewohner | |
würden aber von der positiven Entwicklung profitieren, so Robertson. | |
Tausende litten unter „milden bis moderaten psychischen Problemen“. Diese | |
manifestieren sich auch wirtschaftlich – in Form von eingeschränkter | |
Produktivität und reduziertem Konsum. 325.000 Menschen – etwa 6,6 Prozent | |
der Bevölkerung – sollen deshalb künftig von einem neuen, landesweiten | |
psychiatrischen Dienst profitieren. | |
Über eine stärkere finanzielle Unterstützung von Schulen will | |
Premierministerin Ardern auch den Zyklus der gravierenden Kinderarmut | |
brechen. Laut Unicef müssen 27 Prozent der neuseeländischen Kinder ohne die | |
Notwendigkeiten des täglichen Bedarfs auskommen. Mit Präventivmaßnahmen | |
will Wellington ein weiteres Problem angehen: Alle vier Minuten wird die | |
Polizei zu einem Fall von häuslicher Gewalt gerufen. Nicht zuletzt soll | |
massiv in die Bekämpfung der Obdachlosigkeit investiert werden. Die | |
Immobilien-Hausse der letzten Jahre hat zu rekordhohen Hauskosten und einem | |
kritischen Mangel an bezahlbarem Wohnraum geführt. | |
Sozialverbände und Experten reagierten überwältigend positiv auf das | |
Budget. Es adressiere „die bestimmenden sozialen Faktoren psychischer | |
Krankheiten wie Wohnen, Kinderarmut, Familien- und sexuelle Gewalt“, so | |
die Mental Health Foundation. Die oppositionelle konservative | |
Nationalpartei dagegen sprach von „Stil statt Substanz“. | |
30 May 2019 | |
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## AUTOREN | |
Urs Wälterlin | |
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