# taz.de -- Fall in Lichtenberg: Ohne Tafel gar kein Geld | |
> Bekam ein Student das Wohngeld gekürzt, weil er zur Berliner Tafel ging? | |
> Jetzt wird klar: Ohne Tafel-“Einnahmen“ hätte er gar kein Wohngeld | |
> bekommen. | |
Bild: Für viele Menschen in der Stadt überlebenswichtig: die Angebote der Ber… | |
Der Fall eines Studenten aus Lichtenberg, dem Sachspenden der Berliner | |
Tafel vom Bezirksamt bei der Berechnung seines Wohngeld-Anspruchs als | |
Einnahme angerechnet wurde, hat eine neue Wendung genommen. Wie Recherchen | |
der taz ergaben, hätte der Mann ohne diese Anrechnung überhaupt kein | |
Wohngeld bekommen, weil er dafür ein zu niedriges Einkommen gehabt hätte. | |
Das bestätigte Bezirksstadträtin Katrin Framke am Donnerstag der taz auf | |
Anfrage. | |
„Die Schlagzeile der letzten Tage: ‚Amt kürzt Wohngeld‘ ist daher falsch… | |
sagte Framke. Die Mitarbeiterin der Wohngeldstelle habe dem jungen Mann | |
etwas Gutes tun wollen und sein Einkommen hochgerechnet, damit er überhaupt | |
anspruchsberechtigt war. Framke wollte dies im Verlauf des Donnerstag auch | |
in der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg erklären. | |
[1][Der Fall des 32-Jährigen hatte seit Montag für mediale Aufregung | |
gesorgt.] Die Berliner Tafel, die tausende arme Menschen mit Essensspenden | |
versorgt, hatte bekannt gemacht, dass dem Studenten der | |
Ingenieurswissenschaften bei der Berechnung seines Wohngeld-Anspruchs auch | |
Sachspenden der Tafel angerechnet wurden – „zu seinen Ungunsten“. | |
Entsprechend groß war die Empörung: Wurde hier die schon oft geäußerte | |
Befürchtung wahr, dass gesetzliche Ansprüche auf Sozialleistungen mit dem | |
Hinweis verwehrt beziehungsweise heruntergerechnet werden, dass der oder | |
die Betreffende sich bei Hilfsorganisationen, sprich: über freiwillige | |
Spenden, versorge? | |
Tatsächlich schien der Bescheid des Mannes, der der taz vorliegt, dies nahe | |
zu legen. Darin wurden zu den jährlichen Einnahmen von 5.400 Euro (der Mann | |
hatte zum Zeitpunkt der Antragstellung einen 450-Euro-Job) noch 2.892 Euro | |
jährliche „Einnahmen anderer Art Sachbezug Tafel“ angerechnet. Ergibt: ein | |
Wohngeld von 83 Euro monatlich. | |
Ohne diese Anrechnung, erklärte Framke der taz, hätte der Mann gar nichts | |
bekommen, „sein Einkommen wäre zu gering gewesen“. Tatsächlich braucht ma… | |
um wohngeldberechtigt zu sein, ein Mindesteinkommen. Hintergrund ist, dass | |
der Gesetzgeber nicht will, dass man vom Wohngeld Essen oder anderes kauft. | |
Das Mindesteinkommen berechnet sich aus dem Hartz-IV-Regelsatz, der aktuell | |
für Alleinstehende 409 Euro beträgt, plus der Warmmiete. Wohngeldberechtigt | |
ist, wer mindestens 80 Prozent dieses Einkommens hat. | |
Das hätte der Student mit seinem 450-Euro-Job nicht erreicht. Er hat als | |
Student allerdings auch keinen Anspruch auf Hartz IV oder Sozialhilfe. Und | |
auch nicht auf Bafög, weil er mit 32 Jahren zu alt dafür ist (laut | |
Gesetzgeber). Dem Mann bliebe damit nichts, als sich entweder zu | |
exmatrikulieren und Hartz-IV zu beantragen. Oder sich einen Zweitjob zu | |
suchen. Was er laut Medienberichten inzwischen getan hat. | |
16 May 2019 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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