# taz.de -- Ausstellung in Neukölln: Das Kontinuum rechter Gewalt | |
> Eine Ausstellung im Neuköllner Rathaus zeigt die lange Geschichte rechter | |
> Gewalttaten in Berlin seit 1945. Allein im Bezirk waren es 55 seit 2016. | |
Bild: Von Neonazis abgebranntes Anton-Schmaus-Haus in Berlin-Neukölln 2011 | |
Am 19. Februar 1997 wurde Klaus Baltruschat in seiner Buchhandlung in | |
Marzahn von dem Neonazi Kay Diesner angeschossen. Baltruschat verlor seinen | |
linken Unterarm und einen Finger seiner rechten Hand. | |
An Taten wie diese soll die Ausstellung „Immer wieder? Extreme Rechte und | |
Gegenwehr in Berlin seit 1945“ im Rathaus Neukölln erinnern. Am | |
Freitagabend wurde sie von Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) | |
eröffnet: Rechtsextremismus sei keine neue Gefahr, sondern eine alte, sagte | |
er. Er erinnere sich noch an die 90er Jahre, als sich die rechtsextreme | |
Szene am U-Bahnhof Rudow traf. „Nur weil es im Straßenbild weniger sichtbar | |
ist, heißt das nicht, dass die Gefahr weg ist“, so Hikel. | |
Das zeige auch die „furchtbare Anschlagsserie“ im Bezirk. Seit 2016 wurden | |
in Neukölln 55 rechts motivierte Gewalttaten – Brandanschläge auf Autos, | |
Sachbeschädigungen oder Bedrohungen – verzeichnet, die sich alle gegen | |
engagierte Demokrat*innen richteten. Die Dokumentation dieser | |
Kontinuität rechten Terrors seit 1945 sei wichtig, betont Hikel. | |
In den 90er Jahren war der Neonazi Kay Diesner der Gruppe „Weißer Arischer | |
Widerstand“ beigetreten und sah sich selber als „politischer Soldat “. Auf | |
der Flucht nach dem Anschlag auf den Buchhändler erschoss er einen | |
Polizisten und verletzte einen weiteren schwer. Informationen, die aus dem | |
antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin (apabiz) | |
stammen. Gemeinsam mit dem Aktiven Museum, einem Verein, der über die | |
Folgen und Kontinuität der NS-Zeit aufklärt, konzipierte und verwirklichte | |
das apabiz die Ausstellung. | |
## Das „politische Koordinatensystem“ überdenken | |
Die Wanderausstellung ist bis zum 14. Juni im Neuköllner Rathaus im | |
Vorzimmer der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) zu sehen. Ein prominenter | |
Ort: „Hier gehen alle Fraktionen vorbei in den BVV-Saal“, so Hikel. Das | |
sei eine gute Gelegenheit, einen Blick auf die Ausstellungstexte zu werfen | |
und sein „eigenes politisches Koordinatensystem zu überdenken“. Auch | |
Jugendliche soll die Ausstellung ins Rathaus ziehen. Dafür gibt es | |
kostenlose pädagogische Handreichungen. | |
Der Buchhändler Baltruschat war selbst kein Parteimitglied, doch sein Laden | |
lag im selben Gebäude wie die Bezirksstelle der Partei des Demokratischen | |
Sozialismus (PDS). Wenige Tage vor dem Anschlag hatte die PDS dazu | |
aufgerufen, gegen einen Aufmarsch der Jungen Nationaldemokraten (JN) zu | |
protestieren. Infolgedessen mussten die JN den Marsch in eine | |
Saalveranstaltung umwandeln. Diesner gibt später an, er habe die PDS | |
„bestrafen“ wollen. | |
Eine interaktive Karte in der Ausstellung zeigt die Zahl rechter Aufmärsche | |
der vergangenen Jahre in Berlin. 2016 waren es 177. Im selben Jahr wurde | |
Diesner aus der Haft entlassen. | |
12 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Joana Nietfeld | |
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