# taz.de -- Wiglaf Droste und der Feminismus: Die Rolle der Frau | |
> Ja, Drostes Feministinnenhass war pubertär. Aber nicht einmal das konnte | |
> seinen Liebeserklärungen etwas anhaben. | |
Bild: Droste im Jahr 2018 | |
Auf einer der zahllosen denkwürdigen Weihnachtsfeiern der taz drehte ich | |
mich einst mit meinem dritten Wein in der Hand um und guckte plötzlich in | |
die runden Augen des Wahrheitsredakteurs. Der hatte offenbar auch gerade | |
keinen Plan, und so schlug ich mehr so aus Verblüffung vor: „Mensch, wir | |
könnten uns doch auch mal unterhalten.“ Er erschrak und sagte: „Echt jetzt? | |
Wir sind doch so was wie natürliche Antipoden.“ | |
Ja, wir hatten uns noch nie unterhalten, obwohl wir beide schon gefühlte 15 | |
Jahre bei der taz waren. Wir wussten also gar nicht, ob wir persönlich | |
Antipoden sind. Funktionale Antipoden waren wir aber auf jeden Fall. Die | |
Rollen lauteten gemäß der ungeschriebenen taz-Regularien: Die Wahrheit ist | |
der Spaß, die Frauenredaktion die Spaßbremse. Und der Spaß wurde damals | |
eben aufs Feinste verkörpert von Wiglaf Droste. | |
Humor und Geschlecht, wo soll man da anfangen. Die „Wahrheit“ jedenfalls | |
gerierte sich immer als Hort des unbedingten und ungezügelten linken | |
Hedonismus. Das heißt, man ist schon links, aber bitte ohne allgemeine | |
Regeln und nur so, wie es mir gefällt. Und da konnte es also durchaus | |
passieren, dass sich jemand wie Wiglaf Droste unbekümmert an | |
reaktionäre Bilder von Wein, Weib und Gesang anschloss durch eine oft | |
verkündete Liebe zu gutem Essen, gutem Trank und schönen Frauen. | |
Das „Weib“ immerhin sollte so intelligent wie schön sein. Und intelligente | |
Frauen stehen natürlich weit jenseits der simplen Ordnungskategorien, die | |
so jemand dem Feminismus unterstellt. Die phallische Frau. Und so waren | |
etwa Wahrheitsredakteurinnen nach Drostes Geschmack, die sich ebenso | |
eloquent am baren Busen erfreuen konnten wie er – und keine unangenehmen | |
Themen behandelten. | |
## Juchheißende Schabracken | |
Feministinnen dagegen, denen es um das Erkämpfen anderer Normen ging, | |
wurden mit dem patriarchalsten aller Verdikte versehen: „Hysterikerinnen“ | |
mit Doppelaxt. Im Text „Der Schokoladenonkel bei der Arbeit“ stellte Droste | |
sich vor, von Feministinnen als Sexualstraftäter gebrandmarkt zu werden, | |
als er einem Kind im Park einen Schokoladenkäfer schenkt. Er sah „Geschosse | |
des Grauens“ am Werk: „die Schabracken, die im Leben immer nur eins sein | |
wollen, nämlich Opfer, und das natürlich im warmen Mief der Gruppe, und die | |
diese superkonservative Attitüde als schwer fortschrittlich juchheißen“. | |
Es folgte ein Schaukampf mit aufgeregten Frauenlesben- und Fantifa | |
(„feministische Antifa“)-Gruppen, die Auftritte des „Sexisten“ verhinde… | |
wollen – mitsamt allem, was Sie sich in Twitterzeiten lebhaft selbst | |
vorstellen können. Möchten Sie nachlesen, wie trotzige Jungs nicht mehr | |
zwischen Feministinnen und strafender Mutti unterscheiden können und wie | |
Feministinnen diese trotzigen Jungs zum Menschheitsfeind hochjubeln: Voilà. | |
Was aber bleibt und auch bleiben wird, ist Drostes großartige Dichtkunst. | |
Nicht einmal der pubertäre Feministinnenhass kann Drostes Rhapsodien auf | |
diverse Damen (gern auch im Dutzend) etwas anhaben: Unvergessen die | |
„Liebeserklärung“ an die „rauchende Frau“: „Frauen, die rauchen, sind | |
klasse. Wenn man sie anruft, sagen sie Sachen wie ,Nein, ich kann jetzt | |
nicht, ich muss gerade meine Haare entbeinen', und dann hört man sie einen | |
tiefen Zug aus der Zigarette nehmen.“ | |
Das bekommt man natürlich nicht ohne die Kehrseite: „Nichtrauchende Frauen | |
sind völlig scheiße. Sie haben Sprühdosen dabei und sprühen ,Männerkrieg | |
ist Frauenmord' an irgendwelche Wände. Das finden sie gut, und es fällt | |
ihnen dabei auch gar nichts auf. […] Die deutsche Frau raucht nicht! | |
Sondern riecht ein bisschen nach Turnhalle. Und sieht auch genauso aus.“ | |
Und mein Lieblingstext, in dem die Bodypositivity leider auf schlanke | |
Frauen und dicke Männer begrenzt ist, aber was soll’s: „Die Rolle der | |
Frau“. „Ich spreche von einem kleinen Halbmond unter dem Nabel. Schöne | |
Frauen haben sie, die Rolle der Frau – die süße, kleine Rolle am Bauch.“ | |
Sie sei der wahre Grund seiner Kochleidenschaft: Frauen zu ihrer wahren | |
Rolle zu verhelfen. | |
Wenn Sie das nicht lustig finden, weiß ich auch nicht. Aber ich bin ja auch | |
aus dem Rheinland und pflege den rheinischen Feminismus, so wie es ja auch | |
den rheinischen Katholizismus gibt. | |
An das Gespräch mit dem Wahrheitsredakteur kann ich mich übrigens überhaupt | |
nicht mehr erinnern. Lang kann es nicht gewesen sein. | |
22 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
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