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# taz.de -- Japan bekommt einen neuen Kaiser: Ein Regent, so modern wie nie​
> Japans neuer Kaiser Naruhito will auf Volksnähe setzen, um populär zu
> bleiben. Aber das konservative Hofamt begrenzt seinen Spielraum.​
Bild: Das neue Kaiserpaar: Naruhito mit Frau Masako
Tokio taz | Wenn Kronprinz Naruhito am Mittwoch um 10.30 Uhr Ortszeit
Schwert und Krummjuwelen als Insignien des Chrysanthementhrons übernimmt,
tritt Japans älteste Institution in eine neue Zeit ein: Als erster Kaiser
wurde Naruhito nicht von einer Amme gestillt; er wuchs unter dem Dach
seiner Eltern auf. Als erster Kaiser studierte Naruhito auch im Ausland,
schloss ein höheres Studium ab und heiratete eine berufstätige Frau. Der
59-Jährige joggt, klettert auf Berge, spricht fließend Englisch und spielt
Bratsche. Noch nie war das Kaiserhaus so modern wie heute.
Wie sein [1][Vater Akihito] besuchte der neue Kaiser die frühere
Adeligenschule Gakushuin und absolvierte ein Bachelor-Studium an der
Gakushuin-Universität, allerdings in Geschichte. Anschließend studierte er
zwei Jahre am Merton-College im englischen Oxford Wirtschaftsgeschichte und
beschäftigte sich besonders mit Wasserwegen.
Die ungewohnte Freiheit im Ausland fernab der höfischen Zwänge bezeichnete
er als „großen Schatz“. „In England habe ich gelernt, selbst zu denken,
selbst zu entscheiden und selbst Dinge in die Tat umzusetzen“, berichtete
Naruhito nach seiner Rückkehr.
Der neue Kaiser will den volksnahen [2][Stil seines Vaters] fortsetzen, der
sich durch persönliche Begegnungen mit Katastrophenopfern und sozial
Benachteiligten als Tröster der Nation profilierte. „Bezüglich des
Kaiserwesens lautet der Grundsatz, dass wir Freude und Schmerzen mit dem
Volk von Herz zu Herz teilen“, betonte Naruhito bei seinem Geburtstag im
Februar.
## Erinnerung an Zweiten Weltkrieg wachhalten
Wie sein Vater dürfte er auch die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg
wachhalten und die pazifistische Nachkriegsverfassung verteidigen. Schon
als Kronprinz habe Naruhito eine kritische Haltung gegenüber Tendenzen zur
Beschönigung von Japans Kriegsvergangenheit eingenommen, sagt der deutsche
Historiker Sven Saaler von der Sophia-Universität in Tokio. Als Kaiser
könne er seine Ansichten noch öffentlichkeitswirksamer ausdrücken, etwa zum
Jahrestag des Kriegsendes.
Jedoch will Naruhito auch eigene Akzente setzen. Das Kaiserhaus müsse seine
Aufgaben an den Wandel der Zeiten anpassen und gesellschaftliche
Erwartungen erfüllen, argumentierte er im Vorjahr. „Für solche neu
verlangten Aufgaben möchte ich aufrichtig stehen“, sagte der damalige
Kronprinz. Als mögliche Themen nannte er Wasser, Armut, Kinder und Alte.
„Auf der Basis seiner Erfahrungen wird Naruhito eine eigene Vorstellung vom
Kaisertum entwickeln“, sagt Issei Nomura, einer seiner Ex-Hofmeister im
Kronprinzenpalast. Der deutsche Kaiserexperte Ernst Lokowandt indes ist
vorsichtiger: Nach einer Eingewöhnung werde sich Naruhito um das Thema
Umwelt kümmern, aber in seinem privaten Umfeld erst einmal nichts ändern.
„Dazu ist der Monarch zu traditionsgebunden“, meint Lokowandt.
Der unbekannte Faktor seiner Amtszeit ist seine Frau Masako. Die frühere
Karrierebeamtin im Außenministerium und Absolventin der Universitäten
Harvard und Oxford unterscheidet sich in Herkunft, Ausbildung und
Weltläufigkeit deutlich von ihrer Vorgängerin Michiko, die eher das
traditionelle Bild einer Japanerin verkörperte. Auf dem diplomatischen
Parkett könnte sich eine Kaiserin Masako für Japan so engagieren, wie es
ihr beim Eintritt in das Kaiserhaus vor 26 Jahren versprochen wurde. „Es
wird mein lebenslanges Thema bleiben, welche Rolle ich als Mitglied der
Kaiserfamilie für die Gesellschaft spiele“, sagte sie nach der Hochzeit mit
Naruhito.
## Druck, einen Thronerben zu gebären
Aber ihre angeschlagene Gesundheit könnte seine Amtszeit belasten. Vor
allem wegen des Drucks aus der Kaiserfamilie und dem Hofamt, einen
männlichen Thronerben zu gebären, entwickelte sie eine „stressbedingte
Anpassungsstörung“, so die offizielle Beschreibung ihrer Erkrankung. Nach
Angaben ihres Ehemanns schwankt ihre körperliche Verfassung immer noch.
Er wolle ihr helfen und sie unterstützen, bekräftigte Naruhito, der das
Herz von Masako mit dem Versprechen gewann, sie lebenslang zu beschützen.
Daher ist unklar, wie oft Masako an seiner Seite auftreten wird. Doch dies
sei entscheidend, um die Volksnähe des Kaisers aufrechtzuerhalten, meint
Historiker Saaler. Schließlich schreibe man den Erfolg des volksnahen Stils
von Akihito zum großen Teil seiner Frau Michiko zu.
30 Apr 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Martin Fritz
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Japan
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Abdankung
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