# taz.de -- Italienisches Pokalfinale: Göttlich schnell und unkonventionell | |
> Atalanta Bergamo steht am Mittwoch im Pokalfinale gegen Lazio Rom – auch | |
> dank eines cleveren Trainers, der kleine Teams ganz groß machen kann. | |
Bild: Befehlshaber in Bergamo: Gian Piero Gasperini hat mit ungewöhnlichen Met… | |
Die Fans nennen sie „la Dea“, die Göttin, denn der Name „Atalanta“ sta… | |
aus einer Figur der griechischen Mythologie: Einer jungen Frau, die derart | |
schnell laufen konnte, dass sie im Wettbewerb alle Männer hinter sich ließ. | |
Atalanta Bergamo ist in dem italienischen Pokal etwas Ähnliches gelungen: | |
Das Team ist ins Finale eingezogen, nachdem es Juventus Turin und SSC | |
Neapel eliminierte. Am Mittwoch tritt Atalanta im Olympiastadion von Rom | |
gegen Lazio an, um den Titel erstmals nach 1963 wieder zu holen. | |
Auch in der Serie A hat Bergamo, das nur knapp 60 Kilometer nordöstlich von | |
Mailand entfernt liegt und mit etwa 120.000 Einwohnern von überschaubarer | |
Größe ist, die Erwartungen übertroffen: Mit 65 Punkten steht die Mannschaft | |
nach dem drittletzten Spieltag auf Platz vier, der zur Teilnahme an der | |
Champions League berechtigt. Die Favoriten AS Rom, AC Milan und AC Florenz | |
liegen dahinter, während Inter Mailand als Dritter nur einen Punkt | |
Vorsprung hat. | |
Der überraschende Erfolg hat seine Gründe: eine klare Spielidentität, ein | |
erfahrener Trainer und ein Klub, der darauf Wert legt, keinem Spieler | |
Sonderrechte einzuräumen. Und Geld spielt natürlich auch eine Rolle. Der | |
Präsident und früherer Atalanta-Abwehrspieler Antonio Percassi leitet eine | |
Holding, deren Geschäfte von Kosmetik über die kommerzielle Entwicklung | |
einiger internationaler Großunternehmen bis zum Immobilienbereich reichen. | |
Im Sommer 2017 hat er das städtische Stadion Atleti Azzurri d’Italia | |
gekauft. Mit der Renovierung der maroden Arena hat man schon begonnen. | |
In der Serie A besitzen nur Juventus, Sassuolo und Udinese ein eigenes | |
Stadion, die anderen sind alle Mieter und müssen pro Jahr hohe Beträge | |
zahlen. Inter und AC Milan mussten 2018 etwa jeweils 5 Millionen ausgeben. | |
Atalanta kann nun Geld sparen und es in Transfers und vor allem in die | |
Jugendabteilung investieren, aus der sie seit Jahrzehnten ihre Stärke | |
beziehen. Derzeit glänzt der aus der Akademie gekommene 23-jährige | |
Abwehrchef Gianluca Mancini. | |
## Enorme Einnahmen mit Spielerverkäufen | |
Seit der Verpflichtung von Trainer Gian Piero Gasperini 2016 hat sich | |
Atalanta zudem darauf spezialisiert, junge Spieler zu holen und | |
weiterzuentwickeln, die zwar für Wunderkinder gehalten wurden, die | |
Erwartungen aber nicht ganz erfüllt haben. Mit dem Verkauf dieser Spieler | |
wiederum konnte der Klub erstaunlich hohe Einnahmen erzielen. Allein in den | |
letzten zwei Jahren erhielt der Verein für vier Spieler, die an AS Rom, | |
Juventus, AC Milan und Inter abgab, 81 Millionen Euro. Gasperini selbst | |
betreute einst die Mannschaft von Inter Mailand. Seit seiner Entlassung | |
2011 eilt ihm allerdings der Ruf hinterher, er sei nicht für Top-Teams | |
geeignet. In Bergamo ist man vermutlich froh darüber. | |
Denn entscheidend für den Erfolg des Vereins ist die klare Identität von | |
Gasperinis Fußball. Er war beim CFC Genua einer der wenigen Trainer, der | |
schon vor zehn Jahren mit einer Dreierkette verteidigen ließ – noch früher | |
als Antonio Conte. Zudem lässt er seine Mannschaft mit Manndeckung über das | |
ganze Feld spielen, was heutzutage eher selten vorkommt. Besonders | |
auffällig ist die Intensität, mit der Atalanta seine Gegner unter Druck | |
setzt und von jedem Fehler profitiert. | |
Routinier Andrea Masiello, 33, verriet: „Gasperini lässt uns jeden Tag im | |
Training zwei gegen zwei oder drei gegen drei spielen, dabei kann man sich | |
keine Pause leisten und muss die Konzentration bis zur letzten Minute hoch | |
halten.“ Das Resultat: Atalanta erzielte 22 Prozent seiner 73 Tore (beste | |
Offensive der Serie A) in den letzten 15 Spielminuten. Gasperini hat alle | |
seine Spieler verbessert: Außenverteidiger Hans Hateboer und Mittelfeldmann | |
Marten de Roon sind nun Stammspieler der niederländischen Nationalelf, der | |
kolumbianische Stürmer Duvan Zapata ist der zweitbeste Torschütze der Serie | |
A (22 Tore) und der 31-jährige Argentinier Alejandro „Papu“ Gomez ist nicht | |
nur der beste Assist-Man (11), sondern auch ein Rätsel für die Gegner, die | |
mit seinen Bewegungen zwischen den Reihen kaum zurechtkommen. | |
Schon vor zwei Jahren war Atalanta Tabellenvierter. Erstaunlich ist | |
derzeit, dass das Team am Saisonende noch so viel Energie hat und sich vom | |
frühen Ausscheiden in der Europa-League gegen den FC Kopenhagen nicht | |
entmutigen ließ. Nun kann das Team die Saison sogar mit dem Pokalgewinn | |
krönen. | |
15 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Valeria Meta | |
## TAGS | |
Italien | |
Fußball | |
Bergamo | |
Fußball | |
Fußball | |
Frauen-WM 2019 | |
Lazio Rom | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Serie A in Italien: 18 Jahre DDR gehen zu Ende | |
Daniele De Rossi hört beim AS Rom auf. Er blickt auf eine große Karriere | |
zurück, stets beim selben Klub. Und immer war er auch Fan des Vereins. | |
Fußballtrainerin über Macht: „Die Spieler respektieren mich“ | |
Patrizia Panico ist die erste Trainerin eines männlichen | |
Juniorenauswahlteams in Italien. Sie erklärt, warum Frauen für den | |
Männerbereich wichtig sind. | |
Italien und die Fußball-WM in Russland: Nicht dabei und doch mittendrin | |
Italien zeigt Interesse am WM-Turnier. Von dort kommt WM-Star Ronaldo zu | |
Juventus Turin und bringt die Gewerkschaften auf die Barrikaden. | |
Antisemitismus bei Lazio Rom: Keine Minderheit | |
Lazio-Rom-Fans platzierten Sticker mit Anne Frank im AS -Rom-Trikot – eine | |
antisemitische Schmähung. Damit das aufhört, muss die Justiz handeln. |